In Hamburg sucht man das schrille Fernsehtreiben vergebens – stattdessen bleibt man unter sich und macht journalistische Formate – aber auch damit kann man der großen Show Konkurrenz machen.
Als Medienjournalist kommt man in der Regel nicht drumrum, ab und an mal nach Hamburg zu reisen. Nicht, um eine der großen Shows zu besuchen – das macht man in Köln. Auch nicht, um internationale Stars zu treffen – dafür gibt es Berlin. Und um es mal so richtig krachen zu lassen erst recht nicht – das ist alljährlich im Herbst eine Domäne Münchens. Nach Hamburg fährt man in der Regel im Frühsommer. Dann nämlich geben sich dort die großen Sender ein Stelldichein mit ihren Programmpressekonferenzen für die kommende Saison. Oder man fährt hin, wenn man Kerner oder Beckmann interviewen will.
Damit ist die Geschichte von Hamburg als Fernsehstandort im Kern erzählt. Es geht aber auch ausführlicher – denn es ist mitnichten so, dass aus Hamburg kein relevantes Fernsehen kommt. Allerdings: Hamburg ist – nicht zuletzt wegen der vielen Pressehäuser – journalistischer. Das ist auch der Grund für die Pressekonferenzen: Ein Großteil der Programmzeitschriften hat an der Elbe seine Heimat. Hamburg ist Sitz vieler Verlage: Unter anderem Gruner + Jahr, Bauer und die Spiegel Gruppe produzieren journalistische Inhalte en gros und en detail.
Das gilt auch für die Fernsehköpfe: Johannes B. Kerner, Reinhold Beckmann, Makus Lanz – sie alle machen journalistische Unterhaltung und bestimmen das TV-Geschehen an der Alster. Ab voraussichtlich Herbst wird Jörg Pilawa wieder dazukommen, der sich für das ZDF künftig wöchentlich mit einem neuen Magazinformat aus Hamburg melden wird. Die Köpfe sind es meist auch, die die Produktionen an Hamburg binden. Oft, weil sie hier nicht weg wollen – und es auch nicht müssen, denn Ihre Sendungen können auch abseits des großen TV-Rummels anderer Städte entstehen.
Als „Solitäre“ bezeichnet Karsten Roeder (Bild), Geschäftsführer von Schwartzkopff TV, die Hamburger Produzenten-Szene. In der Regel haben die Firmen klare Aufträge mit langer Laufzeit. Ihre Formate sind keinen großen TV-Moden unterworfen, der kreative Austausch untereinander ist nicht unbedingter Bestandteil des Geschäftsmodells. „Mal hier eine Reihe mit sechs Folgen, dort schnell eine Eventshow und zwischendurch ein Comedypilot – diese eher in München und Köln übliche Situation findet man in Hamburg selten“, erklärt Roeder. Es fehle die kritische Masse an Produzenten und verfügbaren Talenten.
Schwartzkopff TV selbst stellt in der einstigen Daily Talk-Hochburg Hamburg mit „Britt“ den letzten Vertreter des Genres her. Um im Produktionsgeschäft auch bundesweit mithalten zu können, hat man Büros in Berlin und Köln, auch in München zeigt man regelmäßig Präsenz. „Wir haben eine alte Liebe zu Hamburg und eine kulturelle Liebe zu Berlin“, sagt Roeder, der dringend empfiehlt, den Blick auch in die Hauptstadt mit ihrer pulsierenden Kreativszene in allen Bereichen zu wenden. Da der Axel Springer Verlag Gesellschafter des Unternehmens ist und sich Schwartzkopff auch um deren Preisgalas wie die „Goldene Kamera“ kümmert, ist die Hauptstadtnähe ein wichtiger Faktor. Aber auch für externe Kunden sind Roeder Büros in den anderen Städten wichtig. „Jeder ist irgendwann mal in Berlin oder Köln, aber nicht jeder ist irgendwann mal in Hamburg“, konstatiert er. „Man muss in der Stadt sein, in der das Geschäfts stattfindet – und das ist selten Hamburg“, sagt er und gibt zu bedenken: „Wer immer nur für eine Produktion angereist kommt, bleibt immer irgendwie fremd“.
Dieses Problem hat die Produktionsfirma Fernsehmacher nicht. Im eigenen multifunktionalen Studio in Hamburg-Altona stellt das Unternehmen rund 450 Sendungen pro Jahr her. „Markus Lanz“ gehört dazu, „Lafer, Lichter, lecker“ und „Die Küchenschlacht“. Einen anderen Standort könnte man sich bei den Fernsehmachern kaum noch vorstellen. Anfang des Jahres hat das Unternehmen neue Räume bezogen – inklusive Studio. „Das ist für uns mehr als nur ein Schritt – vielmehr ein großer Sprung“, sagte Heidemanns vor dem Umzug. Das neue Studio ist größer als das bisherige, die Technik vollständig auf HD eingestellt.
Studio und Büro sind nun unter einem Dach, eine Außenfläche ermöglicht Aktionen auch außerhalb des Studios. „Und nicht zu vergessen: Mit einem eigenen Studio sind wir sehr flexibel und können auch schnell mal einen Piloten herstellen“, freute sich Heidemanns bereits im Herbst auf die neuen Möglichkeiten. Für Produzenten gesellschaftlicher Inhalte hat die Lage jenseits großer Produktionskomplexe auf der grünen Wiese auch inhaltlich Vorteile. Denn wenn man Sendungen mit gesellschaftlichen Themen weit draußen entwickelt, recherchiert und umsetzt, läuft man schnell Gefahr, das wahre Leben aus dem Blick zu verlieren.
Lesen Sie auf der folgenden Seite, welcher Doku-Produzent den Showleuten das Leben schwer macht, für wen es schwer wird, Personal in Hamburg zu finden - und für wen nicht -, und was Günther Jauch mit Hamburg zu tun hat.