Foto: RTL / Nutzung im Zusammenhang mit BerichtersKleines Vorbild ist die USA aber ja offenbar schon: Dass bei RTL die Reporter häufiger selbst im Bild sind und ihre Beiträge moderieren, wurde von drüben übernommen...

Der Zuschauer folgt einer Geschichte aufmerksamer, wenn er eine Person hat, die ihn führt. Das klassische: "Ich stehe mit meinem Mikrofon vor einem Haus und mache einen Aufsager" ist langweilig - das kann jeder. Es geht darum, sich selbst einzubringen in eine Geschichte und dann die Fragen zu stellen, die der Zuschauer an dieser Stelle auch hätte stellen wollen. Das bringt uns ein ganzes Stück näher zu unserer Zielgruppe. Wir wollen jemand sein, der DABEI ist, aber nicht DAZU gehört, sondern vielmehr die journalistische Distanz hält.


2005 sagten Sie in einem Interview, der Fernseher sei so wertvoll weil er die ganze Welt ins Wohnzimmer holt. Das schafft das Internet mit wachsendem Erfolg aber auch. Wieso soll ich abends noch TV-Nachrichten schauen, wenn ich mich tagsüber schon im Internet eigenständig informieren kann?

Weil Sie abends in 20 Minuten eine Zusammenfassung und Einordnung der Geschehnisse des Tages bekommen. Natürlich können Sie sich im Internet aus einem Wust von Informationen die wichtigsten rauspicken. Aber holen Sie sich auch eine Flut von Wissen? Sie dürfen Wissen und Information nicht verwechseln. Die wichtigste Funktion einer Redaktion ist nach wie vor das Zusammentragen und Filtern von Informationen und dann das Erstellen von Informationszusammenhängen. Eine ungeordnete Flut von Informationen kann Sie ertränken - wenn aber ein solides Grundgerüst von Einordnungen Sie hält, dann behalten Sie den Kopf über Wasser. Das ist die Funktion von Nachrichtensendungen und Nachrichtensendern.

Die immer umfassenden Informationsangebote von z.B. Spiegel Online bereiten Ihnen also keine Sorgen?

Es gibt zig-Millionen Menschen, die den ganzen Tag lang nicht mit Computern in Kontakt kommen und deshalb nicht die Möglichkeit haben, den ganzen Tag über Spiegel Online zu lesen. Und für diese Menschen ist es wichtig zu wissen, dass es Nachrichtensendungen gibt, auf die sie sich verlassen können. Für viele ist der Computer ja auch nicht ein Informationsbeschaffungsinstrument sondern lediglich ein komplexeres Spielzeug - ein Werkzeug um sich abzulenken.

Sie sprachen vorhin von Einordnen und Filtern von Nachrichten. Wie viel Einordnung und Meinung darf denn sein im deutschen Nachrichtenfernsehen?

Einordnung macht absolut Sinn, aber unseren Zuschauern sollte es trotz dieser Einordnung möglich sein, sich ein eigenes Bild zu machen. So sollte ein Kommentar verschiedene Positionen abklopfen und nicht nur mit dem Holzhammer wahllos und unbedacht draufhauen. Einordnung soll auch Kompass und Richtung bedeuten. Ob ein zynischer Halbsatz oder zwei stichelnde Worte nach einem Beitrag zur Einordnung reichen - da habe ich doch so meine Zweifel. Ich wäre zwar als Moderator in der Lage, mir diesen Halbsatz zu gönnen, aber: Wem nutzt das?