Herr Kadelbach, wie sind Sie mit dem "Parfum" zusammengekommen?
Als ich hörte, dass "Das Parfum" zur Serie werden soll, habe ich zunächst abgewunken. Meine Lust, mich filmisch im Mittelalter zu bewegen, hielt sich in Grenzen. Mein Interesse wurde geweckt, als mir gesagt wurde, dass es um einen Serienkiller in der Gegenwart geht, angesiedelt in einer Region Deutschlands, in der ich selber noch nie war: Am Niederrhein. Das Buch von Eva Kranenburg, sowie der gestalterische Mut von Oliver Berben, haben mich dann vollends für das Projekt begeistert.
Was macht eine gute Serie aus?
Für mich persönlich ist eine Serie dann gut, wenn sie es schafft, mich zu unterhalten, wenn ich in ihrem Sog gefangen bin und nicht mehr aufhören kann weiterzuschauen. Schlicht: Wenn der Rhythmus stimmt.
Wie kann man als Serienmacher diesen Rhythmus finden?
Wenn man den Schnitt das erste Mal sichtet, merkt man relativ schnell, ob der Stoff funktioniert oder nicht. In den weiteren Schritten geht es darum, Begebenheiten zu schaffen, um eine Serie immer wieder aufs Neue das erste Mal zu sehen. Allerdings wird der neutrale Blick mit der Zeit schwerer. Da hilft es manchmal schon, wenn man für den Schnitt mal den Raum wechselt oder sich die Folgen zum ersten Mal mit Freunden ansieht. Ich versuche ein Gefühl zu entwickeln, dass mir erlaubt im Schnittprozess die Serie zu schauen wie ein Zuschauer, um dann zu korrigieren. Vielleicht ähnlich wie die Arbeit eines DJs im Club: Wenn der DJ bemerkt, dass die Leute von der Tanzfläche verschwinden, sollte er vielleicht besser eine andere Platte auflegen.
Wie war das bei "Parfum"? Mussten Sie da viel verändern?
Das ist eigentlich immer so. Kein Regisseur kann mir erzählen, dass er so dreht, wie er es dann auch schneidet. Das gibt’s nicht. Natürlich hat man eine Idee, aber in aller Regel stellt man fest, dass im Schnitt noch viel Arbeit bevorsteht.
"Man muss sich vom Original freimachen."
Philipp Kadelbach über "Parfum"
Was ist am Ende wichtiger: Die Geschichte oder deren Inszenierung?
Das geht immer Hand im Hand, aber am wichtigsten ist die Geschichte. Mit einer schlechten Geschichte kannst du keine Leute ins Kino oder vor den Fernseher locken. Und wenn die Geschichte stimmt, kann man sie als Regisseur entweder zerstören, sie umsetzen wie geschrieben, oder sie im Idealfall sogar noch etwas besser erzählen.
Welches gestalterische Konzept haben Sie sich bei "Parfum" überlegt?
Das Konzept hat auch viel damit zu tun, wie ich selber Serien schaue, hängt also stark mit Sog und Rhythmus zusammen. Generell wollten wir uns nicht an diesem "Höher, schneller, weiter" beteiligen, das einem heutzutage bei vielen Serien begegnet. Auch wollten wir vermeiden dem Zuschauer keinen filmischen Druck vorzutäuschen, der inhaltlich gar nicht gegeben ist. Oft sehe ich Szenen, in denen beispielweise Figuren zehnmal unterschnitten durch Türen laufen, um Tempo und Rhythmus zu beschleunigen, was aber in Wirklichkeit schrecklich langweilig ist. Aus dem Grund haben wir zum Beispiel bei "Parfum" bewusst auf eine zweite Kamera verzichtet. Wir waren also gezwungen, große, komplexe Szenen, mit vielen Schauspielern, in einem eng gesteckten Drehplan, mit nur einer Kamera zu erzählen. Aber so herausfordernd das auch war, letztendlich führt es dazu, dass keine visuelle Beliebigkeit entstehen konnte.
Die Ermittler Brettschneider (Marc Hosemann, l.) und Köhler (Juergen Maurer, 2.v.r.) sowie Staatsanwalt Grünberg (Wotan Wilke Möhring, 3.v.r.) untersuchen mit Profilerin Nadja Simon (Friederike Becht, 2.v. l.) den Tatort und das Opfer.
Sorgen Sie sich trotz aller Unterschiede zum Original vor Vergleichen?
Man muss sich vom Original freimachen. Die Geschichte ist weit genug weg und sehr frei nach Süskind erzählt. Allerdings kam mir erst nach und nach die Idee für eine Umsetzung. Da hat sicher auch unser Besuch am Niederrhein geholfen. Man sieht in unserer Serie keine Komparsen, es gibt keine Stadt und kein Dorf, obwohl Dörfer in Serien gerade eine Renaissance erleben. Wir erzählen ausschließlich alleinstehende Häuser, große Felder. Es gibt fast nur Horizontalen, weil alles so flach ist. Autobahnen durchziehen die Landschaft. Die einzigen Vertikalen sind Telegrafenmasten.