Lohnt es sich auch, auf die wachsende Schar der Social Influencer und YouTuber zu schauen?

Benthues: Definitiv. Wir sehen, wie aktiv unsere ehemaligen "Topmodel"-Kandidatinnen auf Instagram sind. Ich könnte mir gut vorstellen, dass einige irgendwann den Weg zurück ins Fernsehen finden und eine Sendung präsentieren.

Ruff: Wir gucken massiv auf diese Szene und werden demnächst sogar ein Format produzieren mit jemandem, der von dort kommt. Das passt wie Arsch auf Eimer. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es hier oft um sehr spitze, sehr junge Zielgruppen geht. Da die meisten Sender älter sind, als sie selbst wahrhaben wollen, kommt das nicht für viele Formate in Frage.

Kühn: Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass jemand, der vier Millionen Follower hat, automatisch auch gute TV-Quoten mitbringt. Das ist ein Transfer zwischen zwei Welten, der nicht ohne weiteres funktioniert.

Benthues: Letztlich ist es aber so: Das Format ist der Star. Ein gutes Format trägt auch einen mittelmäßigen Moderator.

Jamm: Ja, definitiv. Format geht vor Moderation.

Wie sieht es denn hinter der Kamera mit qualifiziertem Nachwuchs aus? Der nach wie vor steigende Run der Produktionsfirmen auf unsere DWDL.de-Jobbörse zeigt uns, dass es hier erhebliche Engpässe zu geben scheint.

Jamm: Wir haben in unserem Sektor den Zustand der Vollbeschäftigung erreicht. Es wird mehr produziert denn je, zumal wir nicht mehr nur über lineares Fernsehen reden. Da kann es schnell mal passieren, dass wir einen eigentlich attraktiven Job wie Redaktionsleitung oder Set-Aufnahmeleitung ausschreiben, aber kaum geeignete Bewerbungen erhalten, weil alle guten Leute beschäftigt sind. Sicherlich haben wir auch die eine oder andere Nachwuchskraft, die früher wie selbstverständlich in die TV-Produktion gekommen wäre, in Richtung Games oder Online-Video verloren. Und wir müssen umdenken in der Branche, denn diese 6-Monats-Verträge – das funktioniert nicht mehr.

Das sind klare Worte.

Jamm: Ja, aber da sind die Sender gefragt. Wir können für das ursprüngliche Budget eines Formats wie "Mann, Sieber!" mit wenigen Sendungen im Jahr nicht ganzjährig eine Redaktion aufrechterhalten. Da kann es zum Beispiel sinnvoll sein, mit dem Sender über mehr Folgen zu sprechen, die anteilig billiger werden, weil wir Personal langfristiger anstellen können. Aber das sind Verhandlungen, die wir als großer Produzent führen können. Kleine Produzenten sind nicht in der Lage, dem Sender so etwas vorzutragen.

Sind es nur die Sender, die sich bewegen müssen?

Kühn: Wir haben uns bei Tresor TV selbst ein Ei gelegt. Seit Einführung des Mindestlohngesetzes haben wir keine Praktikanten mehr genommen. Da de facto nur noch Praktika bis zu drei Monaten möglich sind, habe ich gesagt: Dann lieber gar nicht, weil es so kurz keinen Sinn macht. Das Resultat ist wie bei einem Fußballverein, der seine Nachwuchsarbeit vernachlässigt. Die ersten zwei, drei Jahre merkt man nichts, aber jetzt erwischt es uns voll. Uns fehlen genau die Leute, die als Praktikanten angefangen hätten, dann Volontäre und Redaktionsassis geworden wären und heute Jungredakteure oder Redakteure wären.

Roundtable April 2018© Marc Walter/DWDL


Benthues (Foto): Wir haben vor zwei Jahren intern die RedSeven-Akademie gegründet, in der Mitarbeiter Mitarbeiter schulen. Man kann verschiedenste Kurse buchen: Wie schreibe ich eine Dispo? Wie baue ich eine gute Dramaturgie auf? Welche Regeln gelten im Schnitt? Wir erwarten von allen erfahrenen Mitarbeitern und Führungskräften, dass sie dort ihr Know-how anbieten und weitergeben. Wir merken, dass das extrem zur Qualifikation und auch zur Motivation der Mitarbeiter beiträgt.

Kühn: Daraus solltest du ein Profit Center machen und es auch anderen Firmen am Markt zur Verfügung stellen. Ich buche Dir da sofort Mitarbeiter rein.

Ruff: Wir haben ein ähnliches internes Schulungssystem, die ITV Academy. Und wir beschäftigen ziemlich viele Volontäre. Von denen haben wir in den letzten Jahren alle übernommen und weiterbeschäftigt, weil wir ziemliche Granaten herangezüchtet haben. Das deckt aber noch längst nicht unseren Bedarf. Zum Beispiel im Genre Reality – und da gucke ich Dich jetzt mal an, René – da sind die Top-Leute ja inzwischen das Jahr hindurch regelrecht ausgebucht durch immer wiederkehrende Formate. Der Wanderzirkus unserer Branche.

Jamm: Bei "Bachelor in Paradise" trat quasi die gesamte Dschungel-Crew an. Aber nochmal zum Nachwuchsthema grundsätzlich: Ich bin sehr froh, dass wir den Weg zum Ausbildungsbetrieb gegangen sind. Das war für uns genau die richtige Antwort. Wir haben zehn laufende Ausbildungen zum Mediengestalter bzw. Medienkaufmann. Daraus rekrutieren sich oft die nächsten Realisatoren, Editoren, Aufnahme- oder Produktionsleiter. Dieses Investment lohnt sich.

Ruff: Geht es euch denn auch so, dass ihr zunehmend damit konfrontiert seid, was ihr euren Mitarbeitern neben einer guten Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen sonst noch alles bietet? Ich stamme ja noch aus einer Zeit, wo hart arbeiten und Karriere machen völlig selbstverständlich war. Zu uns kommen die jungen Menschen heute eher mit der Haltung: Viel arbeiten ist irgendwie nicht geil! Stichwort: Work-Life-Balance. Da hat sich zwischen den Generationen ganz schön was verändert. Das ist für uns eine riesige Herausforderung, wenn in Einstiegspositionen nicht mehr rangeklotzt, sondern gleich Erlebnis gefordert wird. Lieber weniger Geld, dafür aber nur drei Tage arbeiten. Wir haben aktuell zwei Arbeitsgruppen in der Buchhaltung und in der Produktion, die sich mit diesem neuen Anspruch an Arbeit beschäftigen.

Jamm: Kommt mir sehr bekannt vor. Du hast heute das industrieübergreifende Phänomen, dass die junge Generation anders arbeiten will. Da geht's nicht mehr so sehr um Titel, Gehalt oder Dienstwagen, sondern eher um familienfreundliche, flexible Arbeitszeiten, schöne Wohnlagen, Kindergartenplätze und Coaching-Angebote. Als Arbeitgeber kriegst du die besten Leute nur, wenn du eine Art Glückseligkeitspaket zu bieten hast.

Unsere Runde beschäftigte noch viel mehr als Personalfragen, Ausbildungsthemen und überraschend selbstkritische Töne. Um inhaltliche Trends der non-fiktionalen Unterhaltung geht es im zweiten Teil des DWDL-Gipfels - am kommenden Dienstag, den 22. Mai, hier bei uns.