Diesmal im Gespräch mit Torsten Zarges (2.v.r.) und Thomas Lückerath (ganz links), von links nach rechts: Axel Kühn (Geschäftsführer Tresor TV), Christiane Ruff (Geschäftsführerin ITV Studios Germany), René Jamm (Geschäftsführer Warner Bros. ITVP Deutschland) und Jobst Benthues (Geschäftsführer Redseven Entertainment).
Es ist der erste DWDL-Gipfel, diesmal mit Schwerpunkt auf non-fiktionaler Unterhaltung. Weitere werden folgen, sowohl mit Produzent/innen als auch Kreativen und Sendervertreter/innen. Unser Ziel ist es, den Status Quo zu diskutieren und drängende Fragen in größerer Runde zu erörtern. Probieren wir es und steigen ein ins Gespräch...
Frau Ruff, meine Herren, spiegelt die Zusammensetzung unserer Runde die Sichtbarkeit von Frauen in der deutschen TV-Unterhaltung wider?
Christiane Ruff: Fangen wir doch mal mit dem Positiven an: Ich freue mich, hier als Henne im Korb sitzen zu dürfen. So viele Männer habe ich sonst eher selten um mich. Und die sitzen ja nicht hier, weil sie Männer sind, sondern weil jeder von ihnen einen verdammt guten Job macht und ein erfolgreiches Unternehmen führt. Wir kennen uns ja alle schon mehr als 20 Jahre. Bei ITV nehmen wir das Thema Diversity sehr ernst. Meine Chefin in London, Maria Kyriacou, ist eine Frau, und mit Carolyn McCall sitzt jetzt auch eine Frau an der Spitze des gesamten ITV-Konzerns. Da findet gerade ein Paradigmenwechsel statt. Bei den ITV Studios Germany haben wir mehr Frauen als Männer in Führungspositionen. Das ist nicht das Ergebnis einer bewussten Einstellungspolitik. Wir schauen auf die Qualifikationen.
Jobst Benthues: Um mit einem anderen Vorurteil von Personalern in der Fernsehbranche aufzuräumen: Wir haben in den zehn Jahren der RedSeven Entertainment sehr positive Erfahrungen mit Müttern gemacht. Viele Mitarbeiterinnen haben damals sehr jung mit uns angefangen, über die Jahre haben einige Kinder bekommen und sind nach dem Mutterschutz wieder zurückgekehrt. Niemand kann seine Zeit so effektiv einteilen wie Mütter. Dieses Organisationstalent begeistert mich immer wieder.
Vor der Kamera sieht es anders aus. Die Furtwängler-Studie hat ergeben, dass der Anteil weiblicher Hauptakteurinnen in der nonfiktionalen Unterhaltung noch geringer ausfällt als in der Fiction. 80 Prozent der Moderatoren und 96 Prozent der Sprecher sind Männer.
Axel Kühn: Das ist leider das uralte Lied: Ein Mann bekommt mit Falten und grauen Haaren mehr Charakter, eine Frau keinen Job mehr. Bei Prompter-Moderatorinnen und -Moderatoren ist der Druck noch größer, da ist die Optik noch wichtiger. Aber sobald eine Sendung jemanden verlangt, der mehr Charakter mitbringt und auch seine Persönlichkeit in die Waagschale werfen soll, behaupte ich, ist das Geschlecht und das Aussehen zweitrangig. Ich fürchte, wir können daran ohne die Sender wenig ändern, denn die wählen in der Regel die Moderatoren aus.
Ruff (Foto): Die Erfahrung habe ich gerade erst wieder gemacht. Wir saßen bei einem großen Privatsender, um über die Besetzung einer neuen großen Show zu sprechen. Die Überlegungen gingen sehr schnell in die übliche Richtung: Doppelmoderation mit einem profilierten Mann plus nettem weiblichem Sidekick. Ich finde es auf Dauer ermüdend. Warum muss die Frau immer nur schmückendes Beiwerk sein? Ehrlicherweise muss man aber auch sagen: Die Auswahl an richtig guten und beliebten Moderatoren ist überschaubar, egal ob männlich oder weiblich. Im Frühstücksfernsehen oder den News, da sehen wir viele Frauen. Aber für die ganz große Show ist es wirklich schwierig, auf gute Namen neben Barbara Schöneberger zu kommen, die ja wiederum gut daran tut, im Fernsehen nur sehr selektiv tätig zu sein.
René Jamm: Wir müssen uns doch fragen: Für wen machen wir Fernsehen? In erster Linie nun mal für Frauen. Und ohne despektierlich sein zu wollen: Wen sehen Frauen mehrheitlich am liebsten auf dem Bildschirm?
Ruff: Männer! Lässt sich leider nicht ganz von der Hand weisen.
Kühn: Aber die Shows von Joko und Klaas werden doch zum Beispiel von einer Frau moderiert.
Ruff: Aber schaltest Du wegen Jeannine Michaelsen ein, wenn Du selbst schon sagst "die Shows von Joko und Klaas"?
Kühn: Das sehe ich anders. Dass Jeannine Michaelsen zwischen den beiden bestehen kann und auf Augenhöhe mitmoderiert, zeigt nur, wie gut sie ist.
Die überschaubare Auswahl hängt auch mit einem Nachwuchsproblem zusammen. Wo entdecken Sie heute die neuen, guten Moderatoren von morgen? Woran mangelt es?
Kühn: Es müsste nochmal das Viva von früher geben. Das würde helfen. (lacht)
Benthues: Wir casten mittlerweile wieder ziemlich viel, auch unabhängig von einzelnen, ganz konkreten Formaten. So bauen wir ein Portfolio auf, das wir dann bei Bedarf nutzen können. Gegenüber Sendern sind wir gerne mal ein bisschen hartnäckig und schlagen Moderatoren, an die wir glauben, immer wieder vor.
Kühn: Es fehlen die Flächen, wo Talente sich ausprobieren und Routine kriegen können. Da kommt vielleicht noch das Frühstücksfernsehen in Frage, aber sonst nicht mehr viel. Jemand, der zwei- oder dreimal irgendwas moderiert hat, wird von keinem Sender eine große Primetime-Show angeboten bekommen.
Benthues: Selbst wenn man sich im Frühstücksfernsehen den Allerwertesten abmoderiert hat, kann es einem noch passieren, dass der Sender sagt: Wir können doch niemanden aus dem Frühstücksfernsehen für die Primetime nehmen.
Ruff: Da müssten die Sender wirklich etwas mutiger sein und übrigens auch zu Newcomern halten, wenn der erste Einsatz im Flop endet. Wo ist Julia Krüger, die bei RTL "It takes 2" moderiert hat? Oder Rainer Maria Jilg, der "Rising Star" moderiert hat? Wenn ich solche Leute vorschlage, weil ich sie gut finde, werde ich angeguckt, als wollte ich Kassengift einschmuggeln.
Benthues: Bei Daniel Hartwich hat RTL bewiesen, dass es sich auszahlen kann, an eine Person zu glauben. Die Kollegen haben viel Lehrgeld bezahlt, aber dann kam der Sprung nach oben. Euer Dschungel ist natürlich auch eine sehr gute Schule.
Ruff: Da muss man dann fast schon wieder aufpassen, dass man plötzlich nicht alles moderieren muss. Ich kann nur raten: Lasst den Blick auch mal über die Leute schweifen, die ihr im Sender habt! Ich würde Angela Finger-Erben ("Die Stunde danach", Anm. d. Red.) zum Beispiel jede Show geben.
Kühn: Und die Sender müssen mit ihren Protagonisten auch mal eine Strategie entwickeln. Wenn ich sechsmal im Jahr eine Show moderieren darf, kann ich davon nicht leben. Wenn die Sender Exklusivität wollen, um Gesichter aufzubauen, muss man sich miteinander Gedanken machen.