RTL II You sollte der Befreiungsschlag des Ein-Kanal-Unternehmen RTL II werden. Jetzt bleibt es erstmal wieder dabei: RTL II konzentriert sich auf einen Sender?

Ja, Konzentration ist ja auch positiv. Aber wir halten die Augen offen und werden immer wieder Möglichkeiten prüfen, als breitere Formation von Angeboten aufzutreten. Es ist aber definitiv schwerer geworden, wenn man als Unabhängiger eine neue Marke etablieren will. Uns fehlt ja dafür schon allein die Promo-Fläche der großen Sendergruppen. Mal eben einen Sender zu starten, ist ein schweres Unterfangen.

ProSiebenSat.1-Vorstand Conrad Albert hat vor einigen Wochen den Gedanken ins Spiel gebracht, dass Privatsender für Informationsprogramme auch etwas aus dem Gebührentopf bekommen könnten. Würden Sie da auch die Hand heben?

Also mal abgesehen von der Realisierbarkeit fand ich es gut, dass er es angesprochen hat in einer Zeit, in der sich die Politik nicht so sehr für die Wirtschaftskraft des Privatfernsehens interessiert. Das war schon mal anders.

Aber alle großen Privatsender fahren seit Jahren kontinuierlich Gewinne ein. Es fällt schwer, da Mitgefühl für die Bedürftigkeit aufzubringen…

Aber Unternehmensgewinne sind immer nur Momentaufnahmen eines im schwierigen Umfeld im besten Falle gut gemanagten Unternehmens. Es geht doch darum, dass die Politik ein Bekenntnis abgibt, anzuerkennen, was das Privatfernsehen leistet. Alleine mit Blick auf die Wirtschaftskraft und die zehntausenden Arbeitsplätze, die daran hängen. Gerade angesichts des angesprochenen Wettbewerbs aus dem Ausland müsste man da sensibilisiert sein.

Herr Bartl, ich möchte nochmal zurückkommen zum RTL II-Programm. Wo liegen denn Ihre wichtigsten Baustellen, eben angesichts manches enttäuschenden Monatsmarktanteils…

Wir haben eine breite Pilotierungsoffensive für die Daytime gestartet. Die Daytime ist der Motor für den angesprochenen Monatsmarktanteil. Deswegen gehen wir das an. Wir werden noch in diesem Jahr drei bis vier neue Formate starten. In der Primetime wird es darum gehen, uns ein Stück weit zu erneuern. Da gibt es sicher Formate, die ihren Zenit überschritten haben. Klar fällt es schwer, sich von etablierten Marken zu trennen. Schließlich wurde da lange Zeit das Richtige gemacht. Man versucht dann noch einmal Hand anzulegen, nachzujustieren. Oft klappt das sehr schön, aber wenn nicht muss man auch Schluss machen können. Deshalb haben wir für die Primetime viele neue Ideen.

Aber der Tag an dem RTL II den „Frauentausch“ absetzt, friert doch die Hölle zu…

(lacht) Deswegen haben wir das auch nicht geplant.

Bei welchen Primetime-Formaten sehen Sie denn den Zenit überschritten?

Viele Menschen haben an solchen Formaten lange Zeit mit viel Herzblut gearbeitet. Da gebietet es der Anstand, solche Entscheidungen zuerst den Betroffenen mitzuteilen. Bitte haben Sie dafür Verständnis. Zudem ist noch nichts entschieden.

Sie sprachen davon, in der Daytime sehr breit pilotiert zu haben. Können Sie da konkreter werden?

Wenn wir uns die Daytime im Privatfernsehen anschauen, dann ähnelt sich da inzwischen sehr viel. Deswegen wollen wir uns differenzieren, z.B. mit „Detlef Soost! Der Talk“. Das Genre Daytime-Talk ist in allen großen TV-Märkten der Welt etabliert, nur bei uns gänzlich verschwunden, nachdem es mal eine Übersättigung gab. Wir finden das Genre spannend und die junge Zielgruppe von RTL II kennt das schon gar nicht mehr, für die ist das neu. Und wenn wir uns den regen Austausch auf den Social Media-Plattformen ansehen, dann mangelt es ja auch nicht an Diskussionsthemen. Was kommt noch? „3 Boxen, dein Style – mit Daniela Katzenberger“. Das ist eine Art Makeover-Fashion-Soap. Außerdem haben wir ganz wilde Ideen pilotiert, wie zum Beispiel eine schräge Spielshow im Supermarkt. Wir wollen neue Wege gehen und mit Geduld ein uniques Line-up aufstellen. Eine beständigere Daytime hebt den ganzen Sender an.

Andreas Bartl© Magdalena Possert

In der Primetime kommt als Highlight zum Saisonstart „Love Island“ und mit „Call the boys“ sogar ein neuer Serien-Pilot. Und das obwohl die beiden letzten Fiction-Projekte „Gottlos“ und „Neandertaler“ kein Erfolg waren. Warum?

Bei „Gottlos“ würde ich mich gegen das Flop-Urteil wehren. Das lief zweimal ganz ordentlich mit über 5 Prozent, nur die dritte Folge hat nicht funktioniert. Die Reihe war insgesamt sehr spitz und düster und insofern vielleicht etwas zu konträr zu unserem Umfeld. „Neandertaler“ war ein klassisches Event-Movie, das auf jedem Sender laufen könnte - dachten wir. Aber halt nicht bei RTL II. Da haben wir unser Publikum nicht ausreichend abgeholt. „Call the boys“ ist deutlich näher an der Marke und thematisch für junge Frauen sicher interessant. Es ist jung und frisch erzählt. Das war übrigens eines der ersten Projekte, das hier auf meinem Tisch kam, als ich bei RTL II anfing, noch vor „Gottlos“ und „Neandertaler“. Es hat dann gedauert, bis man das kreative Team mit Ufa Serial Drama zusammen hatte. Der jetzt vorliegende Pilot ist so gut, dass wir den im September dem RTL II-Publikum anbieten wollen. Und das entscheidet dann, ob „Call the boys“ in Serie gehen wird. Das haben Sender früher mit Fiction-Programmen ja häufiger mal gemacht. Heute kennt man das von Amazon.

Passt das denn zum Realitysender RTL II?

Deutsche Fiction wird bei uns wahrscheinlich nie ein Schwerpunkt werden, zumindest nicht „Deutsche Fiction“ im Sinne klassischer fiktionaler Erzählung. RTL II hat das Genre der jungen, am Stil von Reality-TV orientierten Serien etabliert mit „Berlin Tag & Nacht“ und „Köln 50667“. Auch da haben wir schon mal Primetime-Ausflüge entwickelt, siehe „Meike & Marcel... weil ich dich liebe!“. So etwas machen wir bestimmt weiter. Junge deutsche Fiction à la RTL II kann das Programm bereichern.

Gibt es denn noch Programm-Highlights der kommenden Monate über die Sie schon reden können?

Wir wollen zum Beispiel das Thema Hochzeit in die Primetime bringen. Da haben wir zwei Formate in der Produktion und ein drittes sogar schon in Planung. Das eine ist „Traumhochzeit zum Schnäppchenpreis“ – ein Wettstreit um die schönste Hochzeit mit überschaubarem Budget. Hoher Unterhaltungswert mit Service-Charakter. Das zweite Format heißt „Voll vertraut – Traumhochzeit mit Hindernissen “. Hier liegt die Planung der Hochzeit allein in den Händen der Eltern von Braut und Bräutigam. Das wird sehr komisch werden. Dann haben wir noch „Kleine Helden ganz groß! Wenn Kinder kämpfen müssen“, ein ganz besonderes Programm. Die Reportage-Reihe begleitet schwerkranke Kinder und Jugendliche. Ebenso wie die Reportage „Die Gruppe – Mein Wahres Leben“. In einer neuen Doku-Soap geben uns prominente Familien einen Einblick in das Auf und Ab ihres Lebens. Mit dabei sind unter anderem die Großfamilie Zarrella, die Familien von David Odonkor, Anne Wünsche, Mike Leon Grosch, Christian Tews und das „Bauer sucht Frau“-Traumpaar Narumol und Josef.

Zwei letzte Fragen noch: Haben Sie Boris Becker schon ein Angebot für eine Dokusoap gemacht?

Ich will nichts ausschließen, aber weil ich früher auch schon bei ProSiebenSat.1 mit ihm gearbeitet habe, möchte ich ihm zunächst einmal menschlich die Daumen drücken, dass er aus der Situation wieder rauskommt.

Und haben Daniela Katzenberger und Lucas Cordalis jetzt eigentlich wirklich geheiratet?

Soweit ich das im TV verfolgen konnte, ja. So habe ich es und Millionen andere Zuschauer jedenfalls bei RTL II gesehen (lacht). Aber ganz im Ernst: Das weiß ich nicht, aber gehe davon aus. Wir haben mit den beiden auf jeden Fall noch viel vor.

Herr Bartl, herzlichen Dank für das Gespräch.

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