Ihre Antwort auf den Serienhype ist also eher ein gezieltes Gegenangebot?
Ich bin selbst US-Serienfan, stelle aber fest: Es ist inzwischen kaum noch zu schaffen, sich all das anzuschauen, was man sich anschauen will. Das Überangebot führt zu einer Unübersichtlichkeit. Das Schöne am non-fiktionalen Entertainment als Alternative ist: Hier kann man sich einen Abend oder auch nur eine Stunde lang gut unterhalten lassen, meistens ohne dass man sich gleich darauf festlegen muss, zehn weitere Stunden zu schauen, um zu wissen, wie es ausgeht.
Wie gefallen Ihnen die Quoten-Kurven von „Curvy Supermodel“? Wäre da nicht mehr drin gewesen?
Wir hatten einen guten Start, haben nun etwas nachgelassen, aber wir sind noch in der Staffel und ein abschließendes Urteil ist da nicht möglich. Jedoch hatten wir schon Folgen, bei denen wir etwas für RTL II Seltenes erlebt haben: Wir waren Marktführer bei den 14- bis 29-Jährigen und das nicht nur dank der jungen Frauen, die sicher die Kernzielgruppe des Programms sind, sondern auch bei den jungen Männern mit deutlich zweistelligem Marktanteil.
Immerhin aber war das Format im Gespräch. „Talk of town“ zu werden, wird immer schwieriger.
Das Format bringt einfach eine Haltung mit und fällt deswegen auf. In der Modebranche ist Curvy bereits angekommen, kurvige Frauen sind dort längst eine attraktive Zielgruppe. Unser Ziel ist es, dieses Thema im Fernsehen und somit auch in der breiten Öffentlichkeit zu platzieren. Dies ist uns gelungen, wir freuen uns über den Buzz rund um die Sendung. Dass über uns gesprochen wird, ist wichtig. Ebenso wichtig wie eine klare Positionierung im Markt und dass wir den Abstand zum Feld, also den kleineren Sendern der neueren Generationen, halten. Und selbst bei sinkenden Marktanteilen gilt immer noch: Sender, die noch ein Millionenpublikum erreichen, werden im Konzert der Medienangebote immer wertvoller für Werbekunden - gerade auch relativ gesehen. Selbst mit 6 Prozent ist man - gemessen am unfassbar großen Feld der kleinen Angebote - heute ein Leuchtturm.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Netflix und Amazon?
Man sollte die progressive Kraft dieser Angebote nicht unterschätzen, aber das lineare Fernsehen ist weiterhin die weitaus größere Kraft. Wir haben nicht mehr das Monopol auf Bewegtbild, aber führen in dem Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Reichweiten mit großem Vorsprung. Netflix und Amazon werden daher oft in ihrer Bedeutung überschätzt. Es ist ja auch schön, wenn Wettbewerb dazu führt, dass ein Network wie NBC in den USA eine tolle Serie wie „This is us“ produzieren lässt, die man vor wenigen Jahren noch im Pay-TV bei HBO verortet hätte. Wettbewerb ist nicht schlecht, aber es müssen alle nach gleichen Regeln spielen. Und da ist das deutsche Fernsehen überreguliert. Wir setzen wie andere Marktteilnehmer auch auf das Thema Addressable TV. Also die große Reichweite des linearen Fernsehens mit einer Individualisierbarkeit von Werbung zu verknüpfen, die neue Potenziale in der Refinanzierung mit sich bringt. Da ist viel Musik drin. Aber wir als Rundfunk dürfen unsere Kunden nicht kennen, während das für Amazon und Netflix selbstverständlich ist. Da spielen wir nicht nach denselben Regeln.
Lange hat sich das Privatfernsehen leidenschaftlich an ARD und ZDF abgearbeitet, dabei liegen die größten Konkurrenten heute ganz woanders.
Verglichen mit den Global Playern, denen wir uns jetzt gegenübersehen, war der Kampf gegen die Öffentlich-Rechtlichen sicher der kleinere, auch wenn es da über all die Jahre aus meiner Sicht immer berechtigte Kritik anzubringen gab.
ZDFneo zieht inzwischen beim Gesamtpublikum an einzelnen Tagen sogar an RTL II vorbei. Schockt Sie das?
ZDFneo hat sich wie auch einige andere öffentlich-rechtliche Angebote in den vergangenen Jahren entwickelt. Aber auch wenn ZDFneo etwas jünger ist als das Hauptprogramm, so hat man dort wie eigentlich überall bei den Öffentlich-Rechtlichen den Anschluss an die Unter-30-Jährigen verloren, bei denen wir ja sehr stark sind.
An diese junge Zielgruppe wollten Sie sich auch ganz explizit mit RTL II You wenden. Sie hatten Lust auf ein Experiment, aber mussten es nach einem Jahr beenden. Was bleibt von dem Projekt übrig?
Wir glauben immer, dass es richtig ist, etwas zu versuchen. Unsere Idee war es, einen Mix aus Web- und TV-Inhalten anzubieten, dazu exklusive Eigenproduktionen wie unsere Selfie-Soaps. Das alles auf Abruf und als linearen Stream. Es hat sich aber in den ersten zwölf Monaten nicht so im Markt durchsetzen können, dass es in absehbarer Zeit wirtschaftlich tragfähig hätte werden können. Die technisch hervorragend funktionierende Plattform, also das Backend, können wir künftig noch für andere Projekte nutzen.
Erst kam RTL II You, dann kam Funk. War das öffentlich-rechtliche Jugendangebot in dem noch jungen Markt hilfreich oder schädlich?
Der Wettbewerb im Netz spielt sich zwischen YouTube, den existierenden Mediatheken der Sender und kostenpflichtigen Angeboten wie Netflix oder Amazon ab. Diese Faktoren wiegen weitaus schwerer als Funk, das sich, wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen insgesamt, nicht am Markt refinanzieren muss. Ich sehe aber Funk nicht als den Grund für das Scheitern von RTL II You. Die Angebote sind nicht wirklich vergleichbar.