Herr Kloeppel, fangen wir an mit der Fake-News-Debatte. Hier wird immer die Angebotsseite betrachtet, aber zeigt es nicht auch wie wenig Medienkompetenz oftmals auf Nutzerseite gegeben ist? Woher kommt die Leichtgläubigkeit?
Die Menschen konsumieren nicht mehr so wie früher ausschließlich die etablierten Nachrichtenangebote bzw. Medien. Sie werden auf allen möglichen Wegen und Plattformen mit Informationen versorgt, bei denen sie nicht unbedingt wissen, wo sie her kommen. Schwierig wird es, wenn das, was Freunde verbreiten - und da zähle ich jetzt auch mal Facebook-Freunde dazu - automatisch glaubwürdiger wahrgenommen wird als das, was vertrauenswürdige Medienhäuser anbieten. Dadurch kommen auch immer wieder Informationen in Umlauf, die ein bestimmtes soziales Umfeld entweder besonders aufregen oder besonders bekräftigen. Die Tatsache, dass Freunde einem näher sind als Medien, lässt offenbar beim Teilen solcher Informationen unwichtig erscheinen, ob sie überhaupt stimmen.
Kann oder muss man verbreitete Fake News insofern aufgreifen, als dass ab einer gewissen Verbreitung solcher Storys sonst Unverständnis herrscht, warum Sie als Medienhaus nicht darüber berichten? Oder haben Sie Fake News nicht zu interessieren?
Wir, die unter Umständen ganz andere Informationen zu einem Thema verbreiten, sind immer häufiger in der Bringschuld zu erklären, warum wir vermelden, was wir vermelden und nicht das, was man von anderen Quellen gehört hat. Das ist eine Herausforderung, die manchmal Nerven kostet. Aber wir als Medienhäuser haben das gelernt. Wir haben ja auch schon vorher immer alles getan, um den Vorwurf zu entkräften, dass wir in irgendeiner Weise Nachrichten verfälschen oder unterschlagen.
Ich bin immer wieder verblüfft angesichts der Dimension des Themas. Sich dessen, was man verbreitet, auch sicher zu sein, schien mir zumindest immer eine alte Tugend. Mag es auch immer mehr Informationsangebote geben, so ändert das doch nichts an dieser Tugend…
(Peter Kloeppel steht auf, geht zum Bücherregal in seinem Büro. Er sucht kurz, kommt mit einem Buch in der Hand zurück) Dieses schöne Buch, "Unsere tägliche Desinformation", - raten Sie mal, wann das geschrieben worden ist?
Anfang der 80er Jahre?
Richtig. Das erschien 1984, geschrieben von Wolf Schneider und einigen Kollegen, die kurz vor mir auf die Henri-Nannen-Journalistenschule gegangen sind. Die haben sich damals schon des Themas angenommen und die Frage aufgeworfen, wie man als Konsument überprüfen kann, was Massenmedien warum verbreiten. Das Buch hat sich damit beschäftigt, inwieweit wir als Konsumenten kompetent und bewusst mit Medien und Informationen umgehen - und auch bewusst manchmal zweifeln sollten. So gesehen ist unsere aktuelle Debatte nicht neu. Das Ausmaß von bewusst gesteuerten Falschmeldungen hat allerdings noch einmal neue Dimensionen angenommen und rückt durch die rasante, oft nicht hinterfragende Verbreitung in sozialen Netzwerken noch stärker in den Vordergrund.
"Es gibt keine Job-Alternative, die mir mehr Spaß machen würde."
Peter Kloeppel
Über Jahre hinweg haben Medienhäuser betont wie wichtig ihre Marken seien. Das wurde dann immer als Marketingsprech abgetan, aber in aktuellen Zeiten scheint sich zu beweisen, wie wichtig eine gepflegte Marke sein kann.
Wir haben das nie als "Marketingsprech" abgetan. Wir haben es immer sehr ernst gemeint. Und es zeigt sich ja derzeit, dass Angebote, die sich seit Jahrzehnten als Marke eine Reputation aufgebaut haben, auch ein Eigeninteresse daran haben, dies zu erhalten. Das dokumentiert auch die Kontinuität bei "RTL aktuell". Auch deshalb habe ich jetzt wieder gerne meinen Vertrag um drei Jahre verlängert.
Schon zu Ihrem 15. Jubiläum vor zehn Jahren habe ich Sie gefragt, wie lange Sie so eine tägliche Sendung noch stemmen möchten. Ich habe die Frage mal auf Wiedervorlage gelegt.
Ganz ehrlich: Es gibt keine Job-Alternative, die mir mehr Spaß machen würde. Ich habe ein Team, mit dem ich sehr gerne zusammenarbeite. Ich habe extreme redaktionelle Freiheiten und zusätzliche Möglichkeiten, journalistisch zu arbeiten, ob es jetzt Reportagen oder Dokumentationen sind. Und ich kann mich auch hier und da im Management einbringen. Diese Möglichkeiten gibt man mit 58 nicht einfach auf. Ich fühle mich noch ausreichend jung und wach, um jeden Morgen ab zehn Uhr mit voller Kraft unsere Sendung vorzubereiten. Und ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ich würde es vermissen, nicht mehr in dem Studio zu sitzen und die Sendung zu moderieren. Das macht einfach Spaß.
Bei unseren ersten Interviews war Barack Obama US-Präsident und wir alle dachten, dass er so viel Interesse auf US-Politik lenkt wie kaum einer zuvor. Jetzt ist Präsident Trump im Oval Office - und das besorgte Interesse lässt uns derzeit zumindest noch viel intensiver in die USA schauen…
Was ich beobachte in diesen Tagen: Wenn ich nach Hause komme, will ich ganz schnell wieder vor den Fernseher, um CNN zu schauen. "State of America with Kate Bolduan" und danach "The World Right Now with Hala Gorani". Es ist momentan ein Sogeffekt. Man darf nicht lange pausieren, weil man sonst die vielen Richtungswechsel und Aufreger verpassen könnte. Es wäre falsch zu sagen, dass ich als Journalist Freude habe an der Berichterstattung über Donald Trumps Präsidentschaft, aber die Intensität, in der ich und mein Umfeld beobachten, was gerade in der US-Politik geschieht, ist mindestens doppelt so groß wie damals bei Barack Obama. Trump hat uns ja in den ersten Wochen der Präsidentschaft gezeigt, was alles schief laufen kann, wenn man glaubt, alles zu können und wissen - und dann auf die Realität des politischen Lebens trifft.
Die "New York Times" hat sich nach der Wahl Donald Trumps für ihre Berichterstattung vor der Wahl entschuldigt. Viele deutsche Medien haben Trump vor der Wahl nicht als ernsthaften Kandidaten betrachtet. Man hatte sich drauf eingeschossen: Hillary Clinton wird’s. Da ging es weniger um seine Politik als seine Fehltritte…
Dem würde ich widersprechen. Während des Wahlkampfes hat Donald Trump schon klar gesagt, welche Ziele er hat. Und er zieht das jetzt auch tatsächlich durch. Wir haben während des Wahlkampfes über seine Versprechen berichtet. Worüber wir vielleicht zu wenig berichtet haben, war die Frage: Wer wählt ihn eigentlich und welche Gründe haben diese Menschen, ihn zu wählen? Man hätte es nach seinem unglaublichen Erfolg bei den Vorwahlen vielleicht nicht allein auf seine Entertainment-Qualitäten schieben sollen. Wir hätten mehr von dieser Mittelschicht in den USA erzählen sollen, die sich abgehängt fühlt. Darauf haben wir – wie viele andere Medien auch - wohl zu wenig geachtet, aber es war beileibe nicht so, dass Trump für uns im Vorfeld nur der Hampelmann war.