Brauchte es eigentlich wirklich erst diesen Zusammenschluss, damit der NDR investigativ arbeiten kann? Außerhalb der ARD-Dunstglocke würde mancher sagen: Sie haben doch nun wirklich genügend Gelder zur Verfügung.
Frank Beckmann: Ich finde zunächst einmal, dass uns jede Art der Zusammenarbeit mit Qualitätsmedien sehr gut zu Gesicht steht. Wir haben ja alle das gleiche Ziel: Möglichst umfassend Themen aufzuarbeiten und Substanz zu bieten, wenn andere nur schnelle und gegebenfalls auch falsche Schlüsse ziehen. Die Mengen an Daten und Quellen, die zu bearbeiten sind, brauchen Strukturen, um bewältigt zu werden. Mal erhält der eine eine CD, mal der andere eine Festplatte. Gemeinsam sind wir da schlagkräftiger. Und es gibt eine Reihe an Netzwerken mit denen wir zusammenarbeiten bei einzelnen Themen.
Kann man so sehen. Kommen wir mal zur Unterhaltung. Da sind Sie, Herr Beckmann, für den NDR und den ARD-Vorabend zuständig…
Frank Beckmann: Aus der „Todeszone“ ist eine „Oase“ geworden. Wir waren zuletzt sogar Marktführer um 18 Uhr. Wenn man bedenkt, dass wir vor wenigen Jahren alle noch über die „Todeszone Vorabend“ gescherzt haben, dann ist das eine bemerkenswerte Wende. Und die strahlt sogar in andere Tageszeiten ab, wenn man daraus zum Beispiel erfolgreiche Primetime-Specials machen kann. „Wer weiß denn sowas“ verkauft sich sogar international, gerade erst nach Kanada. Und ich bin mir sicher, dass es auf der MIPCOM in Cannes großes Interesse an einem Gameshow-Format made in Germany geben wird, das den Vorabend in einem der schwersten Märkte der Welt in unsere Richtung gedreht hat.
Marco Otto: Den Erfolg des Ersten am Vorabend spüren wir natürlich auch im NDR Vorabend.
Frank Beckmann: (lacht) Aber das trifft uns wie alle Dritten Programme. Man kann nicht nur gewinnen.
Es gibt auch andere NDR-Formate, die dann ins Erste gewandert sind. Ist das dann eigentlich ein Segen oder Fluch, weil es im NDR Fernsehen dann wieder Lücken hinterlässt?
Frank Beckmann: Der NDR steht immer auf dem Standpunkt: Was das Erste braucht, soll es bekommen. Das Erste first, heißt es bei uns.
Also braucht Das Erste Ihr Erfolgsformat „Kaum zu glauben“ nicht?
Frank Beckmann: Ich will das nicht für alle Zeiten ausschließen. Aber wir haben im Ersten Innovationen wie „Quiz Duell“, großen Erfolg mit „Wer weiß denn sowas?“, eine erfolgreiche Formatadaption mit „Gefragt gejagt“ und dann auch noch das „Paarduell“. Im Ersten ist gerade gar nicht so viel Luft und Bedarf nach weiteren Gameshows. Es sei denn, wir würden eine zweite Unterhaltungsleiste einziehen. Da wäre dann die Frage relevanter. Es kann sicher nicht schaden, dass wir neben vielen anderen noch einen weiteren Hit fürs Gemeinschaftsprogramm parat hätten. Und mit Kai Pflaume, Alexander Bommes und Jörg Pilawa die besten Gameshow-Moderatoren. Das wäre dann unser Pech im Glück: Herr Otto müsste fürs NDR Fernsehen wieder adäquaten Ersatz finden.
Marco Otto: Wichtig ist uns, dass Unterhaltung im NDR Fernsehen immer eine norddeutsche Färbung besitzt. Fiktional ist „Der Tatortreiniger“ ein gutes Beispiel. Comedy ist auch wichtig und mit „Krude TV“ sehr norddeutsch-speziell und mit „Postillon 24“ sehr jung. Und dann gibt es aber auch breitere Unterhaltung wie die „NDR Quizshow“, die erste unter den regionalen Quizshows. Wir müssen uns vielleicht noch etwas mehr mit dem Factual Entertainment beschäftigen. Da ist Unterhaltung im NDR derzeit meist doch noch die Show. Dabei passt Factual Entertainment gut zu regionalen Sendern, weil sich regionale Geschichten erzählen lassen mit originellen Charakteren.
Können Sie einen Ausblick auf die kommenden Wochen geben?
Frank Beckmann: Am späteren Abend werden wir einiges ausprobieren. Dort ist möglich, was in der zweiten Primetime durch immer noch zu hohen Erwartungsdruck schwierig ist: mit schrägen Programmideen experimentieren.
Marco Otto: Also noch vor Jahresende haben wir da Einiges vor. Wir machen mit Wigald Boning im Dezember zunächst zweimal „Gute Nacht! Die Show vorm Schlafen gehen“ am Freitagabend nach den Talkshows. Das wird entschleunigte Unterhaltung zum Thema Schlaf, produziert von der OKD Gute Unterhaltung! Produktions GmbH. Und wir freuen uns auf eine neue Gameshow mit zwei prominenten Hosts. Sie erfinden Geschichten zu ungewöhnlichen Kandidaten und ein Panel muss erraten, welche wahr und welche erfunden ist. Das kommt von Beckground. Und dann machen Heinz Strunk und Olli Schulz einen Jahresrückblick im NDR Fernsehen.
Frank Beckmann: Und im kommenden Jahr gehen dann einige unserer aktuellen Experimente weiter: „Käptn’s Dinner“, „Geschichte eines Abends“ oder „Das Experiment mit Linda Zervakis“.
Zum Abschied doch nochmal eine Frage zum Vorabend im Ersten, konkret zum „Quizduell“. Ist da die nicht die Luft raus?
Frank Beckmann: Täuschen Sie sich nicht! Wir haben bei der Show in der letzten Staffel im Schnitt rund 100.000 Menschen, die mitspielen. Damit ist kein Peak gemeint, sondern wirklich Durchschnitt. Und unsere „Quizduell“-App wurde knapp zwei Millionen Mal downgeloadet. Diesen Draht zu so vielen Menschen nutzen wir natürlich, um auf neue Folgen des „Quizduell“ hinzuweisen. „Spiel für Dein Land“ im Ersten ist in gewisser Weise eine Weiterentwicklung und da wurde die App zum Sendestart 400.000 Mal heruntergeladen.
Das sind starke Zahlen, keine Frage. Aber der Hype ist doch längst durch.
Frank Beckmann: Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, wir würden alle interaktiven Gameshows und Zuschauerbeteiligungen über eine App laufen lassen. Da wären wir dem Wettbewerb sehr weit voraus, denn wir wissen wirklich aus eigener Erfahrung nur zu gut, was man da alles falsch machen kann (lacht). Und wir könnten das tun, wovon immer alle schwärmen: Virales Marketing auf Knopfdruck an alle, die unsere Apps installiert haben. Das ist für mich innovative und breitenwirksame Interaktion mit dem TV-Programm. Davon reden alle mit überschaubarenErgebnissen. Wir machen das im Regelbetrieb mit großem Publikum.
Ganz ohne den Vorabend geht es eben doch nicht. Herr Beckmann, Herr Otto, herzlichen Dank für das Gespräch.