Abgesehen von Udo Lattek gab es ja viele weitere Weggefährten, die Sie im Laufe der Sendungen begrüßten. Welche waren Ihnen besonders wichtig?
Da sind zwei zu nennen. Zum einen Heribert Bruchhagen von Eintracht Frankfurt, mit dem ich auch privat befreundet bin. Wir beide wissen, dass wir uns in der Sendung auch anfrotzeln können, ohne dass es heftig wird. Er kennt meinen Humor und ich kenne seinen Humor. Das war für die Sendung immer sehr gut verträglich. Heribert hat zudem einen Grundsatz: Ich muss zwar nicht immer die Wahrheit sagen bei Betriebsgeheimnissen, aber ich sollte nie lügen. Das hat er jedes Mal eingehalten. Er hat nie gelogen, wenn es schwierige Personalsituationen oder Krisengespräche gab. Mir hat er in der Sendung dann natürlich auch nie die Wahrheit gesagt, aber er hat immer Formulierungen gefunden, um sein Gesicht zu wahren.
Und der zweite Name?
Uli Hoeneß, eindeutig. Ich habe Uli Hoeneß für seine Klarheit, Offenheit und direkte Ansprache geliebt. Wenn ihm etwas nicht gepasst hat, dann hat er das einfach gesagt. Und das ist eben heutzutage ein wenig anders. Die gute Nachricht ist dabei, dass Leute heute höflicher miteinander umgehen. Das ist nice to have, aber schlecht für 'ne Talkshow. Uli Hoeneß hat sich dagegen gerne mit den Journalisten angelegt. Daraus habe ich viel für mich gezogen. Ich habe mir dadurch Gedanken darüber gemacht, wie es auf der anderen Seite der Branche aussieht. Gleichzeitig wusste ich, dass hinterher immer alles wieder gut war. Wir haben uns kritisch ausgetauscht, aber nie persönlich. Da ist Uli Hoeneß bis heute ein Großer. Der fehlt der Bundesliga.
Kommt er wieder zurück?
Ich hoffe mal, dass er wieder zurückkommt. Erst mal kommt er ja raus. (lacht) Beim FC Bayern kümmert er sich ja schon jetzt wieder um die Zukunft des Vereins. Ich denke, es ist immer gut, wenn ein 64-Jähriger weiter als Visionär unterwegs ist und nicht in seiner Vergangenheit lebt.
Ihre Zigarettenpausen sind ja legendär. Welcher Gast oder welche Sendung hat eigentlich den höchsten Konsum erfordert?
Das war die Sendung mit Rudi Assauer, in dem ich ihm einmal völlig unrecht getan habe. Das habe ich auch sofort gemerkt – und gleich gewusst, dass das Folgen haben wird. Da habe ich den Rauchkonsum in den Werbepausen massiv erhöht.
"Ab einem gewissen Alter darfst du nicht mehr Jünglingen mit kurzen Hosen hinterherlaufen."
Jörg Wontorra
Haben Sie es in all den Jahren beim Doppelpass nie vermisst, Live-Reportagen zu machen?
Von diesem Job habe ich mit 55 sehr bewusst zurückgezogen. Ich habe gesagt: Ab einem gewissen Alter darfst du nicht mehr Jünglingen mit kurzen Hosen hinterherlaufen. Da gehörst du einfach nicht mehr hin. Den Job muss eine andere Generation machen, die besser nachempfinden kann, wie diese Jünglinge gestrickt sind. Das kann ich nicht mehr nachvollziehen mit 55, da muss man ehrlich gegenüber sich selbst sein. Mein Schlusspunkt war das legendäre Champions-League-Endspiel zwischen Mailand gegen Liverpool. Halbzeit 0:3, Ende 3:3, Liverpool hat am Ende noch gewonnen. Das war ein grandioser Abschluss. Ich halte es schlicht für falsch, wenn heute 65-Jährige weiter live Fußball kommentieren. Klammer auf, "Sky", Klammer zu. Im Alter werden ja auch die Augen schlechter...
Was macht ein 65-Jähriger denn dann heute stattdessen?
Ein 65-Jähriger hat hunderttausend Chancen: Du kannst Chefredakteur beim Sender werden, du kannst mit deiner Erfahrung junge Leute beraten, du kannst Coaching machen. Und, und, und...
Und wofür haben Sie sich entschieden?
Ich habe mich dafür entschieden, mich auf die faule Haut zu legen. Und das ist wunderbar. Ich liebe dieses Leben und wenn es andere 65-Jährige mit einer wirklich sehr ruhmreichen Vergangenheit noch ausprobieren würden, würden diese sehr schnell merken, wie toll das ist. Ich finde es wichtig, loslassen zu können, auch im eigenen Sinne. Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Es war eine schöne Zeit, aber jetzt kommt eine andere Zeit. Und diese Zeit kann ganz viele Vorzüge haben. Ich habe eine Stiftung, für die ich mich stark engagiere. Wir bauen in Bremen derzeit einen riesigen Sportpark für 500.000 Euro, um Kinder von Migranten zu integrieren. Außerdem veranstalte ich Charity-Golfturniere, um das Geld für unsere Aktivitäten zu generieren. Das sind von Montag bis Freitag Vollzeitaufgaben und am Wochenende habe ich frei. Das finde ich ziemlich genial, denn das hatte ich in den letzten 50 Jahren noch nie.
…und der Name Wontorra stirbt im Fernsehen ja so schnell auch nicht aus…
Am Anfang habe ich den Weg meiner Tochter Laura kritisch gesehen, dann wohlwollend und jetzt kritisch wohlwollend. Als sie mit dem Wunsch an mich herantrat, fragte ich sie erst mal, ob sie wirklich meint, das gleiche Leben nachleben zu wollen, das ich gelebt habe. Kein Wochenende, um sich um Kinder kümmern zu können, keine Partys mehr. Sie hatte jedoch den dringenden Wunsch, ins Stadion zu gehen. Davon war sie seit dem achten Lebensjahr regelrecht angefixt. Mein Ratschlag war dann, erst eine ordentliche Ausbildung oder ein Studium und danach ein Volontariat zu machen. Mir war wichtig, dass sie nicht direkt ihre Nase ins Bild hält, nur weil sie sich für eine gute Moderatorin hält. Als Anfänger in diesem Job geht zunächst darum, die Branche und das Handwerk kennenzulernen. Als sie diesem Rat folgte, war ich schon deutlich beruhigter. Heute sage ich ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass sie so gut moderieren kann! Da ist schon ein bisschen Vaterstolz dabei, da ziehe ich meinen Hut. Das darf ich nur nicht so laut sagen...
Herr Wontorra, vielen Dank für das Gespräch.