Herr Wontorra, am vergangenen Wochenende feierte der "Doppelpass" seinen 20. Geburtstag – mit Ihnen als Gast. Wie war die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte?
Es war sehr schön, weil alte Gewohnheiten auflebten. Ich hatte im Hotel dasselbe Zimmer und habe auch alle Angestellten sofort wieder erkannt. Einen kurzen Besuch in der Redaktion wollte ich mir auch nicht nehmen lassen. Dabei habe ich gesehen, dass sich eigentlich nichts geändert hat. Ich fühlte mich wie Zuhause – und die spätere Rolle als Gast war auch nicht ungewohnt, weil ich in meinem Leben schon in vielen anderen Talkshows zu Gast war.
Wie liefen die bisherigen Sonntage ohne Bundesliga-Spieltag für Sie ab?
In der neuen Saison habe ich bisher relativ wenige "Doppelpässe" gesehen, weil ich so viel unterwegs war. Das muss ich leider offen eingestehen. Zum einen bin ich einfach sehr gut beschäftigt und zum anderen habe ich inzwischen ein anderes Freizeitverhalten: Das Wochenende gehört meiner Familie und meinen Freizeitaktivitäten. Ich habe ja auch aufgehört, um endlich mal wirklich zyklisch leben und das Wochenende genießen zu können wie die meisten anderen Menschen. Wehmut habe ich nicht verspürt – auch weil ich sehe, dass das Format erfolgreich weiterläuft. Es ist wichtig, dass man ein Kind, das man aufgezogen hat, ohne Angst entlassen kann. Das ist hier der Fall.
Gibt es denn etwas, das Sie vermissen – oder gar etwas, das Sie überhaupt nicht vermissen?
Die Fachgespräche mit der Redaktion fehlen mir. Dieser Austausch hat immer unheimlich viel Spaß gemacht. Wir haben auch kontrovers diskutiert, was mir als gelerntem Journalisten von Haus aus sehr gut gefällt. Gerade durch eine andere Meinung kann man dazulernen. Das vermisse ich ein wenig. Abgesehen davon bin ich ein Mensch, der sehr gut abschließen kann. Das habe schon sehr oft in meinem Leben machen müssen, aber auch machen dürfen. Wenn mal etwas zu Ende ist, dann sollte man es auch dabei belassen. Wenn ich meine Kinder ein Jahr nicht sehen würde, würde ich sie mehr vermissen als den "Doppelpass".
Lässt sich eigentlich am "Doppelpass" ableiten, wie sich das Fußballgeschäft verändert hat?
Das kann man mit Sicherheit. Ich will jetzt nicht wieder vom Krieg erzählen, aber wir hatten früher noch mehr Gäste mit Ecken und Kanten. Menschen, die ihre Meinung offen gesagt haben und auch mal wirklich kritisch mit Moderatoren umgegangen sind. Das ist heute etwas stromlinienförmiger geworden. Es gibt zu viele Weichgespülte in der Branche. Ich meine damit nicht die Journalisten, sondern die Protagonisten aus der Liga. Wenn es eng wird, verweigern die sich heute häufiger als früher. Früher hat man sich gestellt und eine klare Position vertreten. Das hat im Übrigen auch uns Journalisten neue Denkanstöße gegeben. Heute verschließen sich viele oder geben belanglose Antworten, die für kein Publikum der Welt irgendeinen Informations- oder gar Unterhaltungswert haben.
Regine Pfaff, Alexander Krei und Jörg Wontorra; Foto: Sport1/Nadine Rupp
Hat Sie das manchmal auf die Palme gebracht?
Ich habe im "Doppelpass" natürlich immer versucht, meine Gäste zu kitzeln, gerade wenn Sie in dieses Weichspülstadium eintauchen wollten. Dann habe ich immer probiert, ein wenig zu provozieren und ein bisschen hartnäckig zu sein. Das hat meist ganz gut geklappt. Natürlich hat man auch etwas einstecken müssen – und das ist sogar sehr wichtig. Meine Gäste haben immer sehr schnell bemerkt, dass ich Nehmer-Potential habe. Das gehörte zum Spiel dazu. Leider geht das heutzutage ein bisschen unter. Es wird viel geredet, aber wenig gesagt.
Die Fußballbranche hat doch recht stark verändert, aber der "Doppelpass" blieb sich im Kern stets treu.
…ist ja auch erst vier Monate her, seitdem ich ausgestiegen bin. (lacht)
Und doch sind 20 Jahre eine lange Zeit, die heute nur noch wenige Formate schaffen.
In den 20 Jahren hat sich trotzdem einiges verändert. Ich habe am Sonntag Ausschnitte aus den ersten Sendungen gesehen, da war das DSF noch Deutsches Schülerfernsehen. Wenn wir heutzutage so einen Vorspann senden würden, dann müsste ich vorher sagen: "Aber Achtung liebe Zuschauer, das ist nur Satire". Der Talk selbst kann allerdings nicht gänzlich anders werden. Das Layout der Sendung ist sicherlich der Zeit angepasst, aber die Inhalte hängen ja von den Menschen ab. Da müssen Menschen liefern: Sowohl der Moderator, als auch die Gäste. Das ist beim "Doppelpass" immer so gewesen. Letztlich ist die Sendung so, wie die Zuschauer sie lieben. Wenn man da zu viel herumschrauben würde, wäre das ein Fehler. Fußball ist ja ein sehr einfaches Spiel. Und so ist auch der Doppelpass. Zu viele Innovationen würden den Charakter des Formats verändern.
Udo Lattek war lange Zeit Ihr Gegenspieler. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Das war eine fantastische Zeit! Am Anfang haben wir uns beschnuppert und berochen. Das war nicht so einfach, weil wir beide ostpreußischen Gemütes sind. Da kommt der Sturkopf dann schon manchmal durch. Wir hielten das, was der andere macht, zunächst für suspekt, haben nach drei bis vier Monaten allerdings bemerkt, dass es zielführend ist, wenn wir kooperieren. Nach einer relativ kurzen Eingewöhnungsphase konnten wir sogar kleine Spielchen machen: Wir haben uns kurz vorher abgesprochen und waren wahlweise Bad Guy oder Good Guy. Bei Bayern München war Udo immer der Bad Guy und bei Werder Bremen der Good Guy. Trotz Thomas Strunz und Thomas Helmer war Udo Lattek sicherlich der Experte auf dem Stuhl, der mir am meisten gegeben hat.
Er konnte auch aus einer großen Erfahrung schöpfen.
Ja, sein Erfahrungsschatz war riesig. Aber es war auch seine Art. Udo hat lange Zeit bei Bayern München und Borussia Mönchengladbach als Trainer verbracht. Als Experte hat er dann völlig die Seiten gewechselt. Er sagte immer: Ich bin kein Angestellter der Klubs und lasse mir den Mund von den Vereinen, bei denen ich gearbeitet habe, auch nicht verbieten. Er hat Klartext geredet – und besaß trotzdem bis zu seinem Tod bei beiden Vereinen stets eine Ehrenkarte.