Wobei diese Zusammenarbeit nicht unumstritten ist.

Jaja. Wenn man mal den Grundgedanken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks runterbricht, dann geht es darum, die Rahmenbedingungen für unabhängiges Programm abseits von finanziellen Zwängen zu schaffen. Und dieses Bedürfnis gibt es doch auch im Netz. Alle wollen das. Und ein gutes öffentlich-rechtliches Netzangebot wäre ja nichts anderes als eine zwangscrowdgefundete Plattform mit seriöser Informationen und hochwertiger Unterhaltung.

Aber es ging damals auch um die Sicherstellung von unabhängiger Berichterstattung in einem Medienmarkt mit begrenzten Frequenzen und brachliegender medialer Infrastruktur. Beides hat sich längst geändert.

Deswegen muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk inhaltlich definieren und abheben. Wie Inhalt verbreitet wird, ist doch egal. Nur weil kaum noch jemand Musikalben physisch kauft, ist ja die Musik nicht tot. Nur weil immer weniger Menschen Zeitungen kaufen, sinkt ja nicht das Informationsinteresse. Nur weil das lineare Fernsehen für junge Menschen keine große Rolle mehr spielt, verschwindet nicht der Bedarf an intelligenten, hochwertigen Unterhaltungsinhalten. Erst recht nicht, wenn der Nutzer immer mehr zum Redakteur seiner eigenen Blase wird. Ich würde mir einfach wünschen, dass wir so stolz sein könnten auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie es die Briten trotz all der Skandale auf ihre BBC sind - und das obwohl die BBC anders als ARD und ZDF permanent in ihrer Existenz bedroht ist. Wobei…



Ja?

Wobei eine gewisse Existenzbedrohung sehr förderlich sein kann. Das geht uns in der freien Wirtschaft so, und das kenne ich auch noch von Radio Bremen. Wenn es jederzeit vorbei sein kann, muss man sich was einfallen lassen und man überdenkt sein Tun. Da ächzt jetzt zwar der DJV und die Gewerkschafter in den Sendern kriegen hektische Flecken, aber mal zu gucken, ob gewisse Ausgaben überhaupt Sinn machen und es nicht vielleicht auch günstiger, schlanker geht – vor allem in der Struktur der Sender. Und wenn man Planstellen schafft: Bitte für gute, hartnäckige und unabhängige Journalisten und nicht für noch mehr Referenten. Mein geliebter Haussender ZDF ist von diesem großkotzigen Ratschlag natürlich nicht betroffen. In Mainz läuft wie immer alles top! In der Zeit, in der ich beim ZDF bin, gab es schon so viele schmerzhafte und radikale Einschnitte, wie ich sie in der ARD in zehn Jahren nicht gesehen habe. Das ist eben etwas anderes, wenn man ein zentralistisch organisierter Sender ist.

„Du, ich hab aber keine Autogrammkarten dabei“, sagt Jan unserer Kellnerin als sie nochmal vorbeischaut und uns - nein, ihn - fragt, wie es uns denn schmeckt. „Kein Problem“, sagt sie. „Wir nehmen dann den Kellnerblock.“

Welche Rolle spielen eigentlich noch öffentlich-rechtliche Radiosender in Zeiten von Spotify und Co.?

In fünfzehn Jahren eine wesentlich kleinere, wenn sie hauptsächlich aktuelle Popmusik abspielen. Übrigens, weil da oft etwas anderes verbreitet wird: Herkömmliche Radiosender zahlen Künstlern ja noch weniger Geld als Spotify.

"Öffentlich-rechtliche Sender müssen auch im Radio anfangen, sich auf das zu besinnen, für das sie gegründet wurden. Eigene Inhalte schaffen, den Wortanteil stärken und hochwertige Sendungen produzieren statt nur Musik abzuspielen."

Ach, noch weniger?

Natürlich. Dass Spotify so böse wäre, ist doch ein Mythos, der sich bloß hartnäckig hält. Nehmen wir doch mal 1LIVE, einen Radiosender mit etwa 1,2 Millionen Hörern pro Durchschnittsstunde. Da bekommt ein Künstler 24 Euro pro Play und bei Spotify bekommt er pro Play 0,003 Euro. Kannste ja mal ausrechnen, was ein Künstler da bei Spotify für die gleiche Reichweite verdient.

Das wären - Moment - gut dreieinhalb tausend Euro.

Aber zurück zu deiner Frage. Das Einzige womit sich öffentlich-rechtliche Jugendsender von Spotify unterscheiden können, ist das Wort. Entsprechend ist es nur logisch, dass öffentlich-rechtliche Sender auch im Radio anfangen müssen, sich auf das zu besinnen, für das sie gegründet wurden. Eigene Inhalte schaffen, den Wortanteil stärken und hochwertige Sendungen produzieren statt nur Musik abzuspielen. Das kann nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Und er wird sich damit arrangieren müssen, dass er auch Moderatorinnen, Redakteure oder Autoren beschäftigen muss, denen die Befindlichkeiten des neurotischen Systems egal sind. Herausragende Inhalte werden leider nicht von Leuten hergestellt, die aus Angst vor Diskussionen oder Kritik immer den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Aber mit diesen Inhalten kann man sich abheben von Spotify oder BeatsOne von Apple.

Hast Du da mal reingehört?

Ja, obwohl AppleMusic kacke ist, sind die Radiosender fantastisch!

Echt? Mir fehlte bei BeatsOne dann doch das Zeitgefühl im Programm, weil der Sender sich mit der globalen Ausrichtung nicht an Tageszeiten und Stimmungen orientieren kann.

Was bist Du denn für ein Apple-Nutzer? Für die Uhrzeit hast man doch eine Apple Watch mit Milanese-Armband im Wert von 799 Euro am Arm. Das ist doch die 42mm-Version, die du da um hast oder nicht?

Öhm. Ja. Themenwechsel. Wenn Du beim ZDF eine Show um 20.15 Uhr bekommen würdest, könntest Du Norbert Himmler versprechen, nicht nur dein Spiegelbild auf dem Studioboden zu betrachten?

Unser Essen kommt.

Ach, das Shiny-Floor-Interview mit Norbert Himmler bei Euch. All diese Interviews. Ich habe schon mal überlegt: Ich werd so oft zu irgendwelchen Fernsehsachen oder Mediengeschichten gefragt. Ich sollte anfangen, in den Sommerferien auf Schloss Elmau Fernsehseminare für Kinder zu geben. Dann darf ich da vielleicht auch mal umsonst übernachten. (grinst)

Jan dreht seine Nudeln, ich picke die Krabben aus meinem Salat. Das Gespräch wird langsamer. Wir machen trotzdem, was man nicht tut: Reden mit vollem Mund weiter. Hört ja keiner. Ist ja für ein schriftliches Interview.

Sag mal, Stichwort Varoufake-Fake. Macht es dir manchmal Angst, wenn dir so viele Menschen alles zutrauen und gleichzeitig keiner mehr weiß, wann man dich ernstnehmen kann?

Ich bin Komiker. Natürlich kann man mich nicht ernst nehmen, mach ich ja selber nicht. Für mich ist die Sache relativ schnell erklärt: Günther Jauch und Kai Diekmann sind auf uns reingefallen und behaupten bis heute, sie wären es nicht.

Wen wirst du mehr vermissen: Polittalker Jauch oder Stefan Raab?

Stefan Raab als Polittalker. Bei der nächsten Bundestagswahl werde ich seinen Input in der Berichterstattung vermissen.

"Vielleicht wäre ich offener, wenn nicht jeder Furz, den man bei Twitter loslässt, gleich eine Meldung bei Promiflash werden kann."

Ihr zwei habt ja eins gemeinsam: Euer Privatleben haltet ihr beide sehr konsequent aus der Öffentlichkeit raus.

Nö, ich erzähle ja schon, dass ich Kinder habe.

Das war jetzt auch kein Vorwurf. Nur eine Beobachtung.

Ich verstehe das Bedürfnis, Menschen die man im Fernsehen sieht, irgendwie zuordnen zu wollen und bin da auch nicht so pathologisch verschlossen, was das angeht. Ich rede auch gerne über Themen, die aus meinem Alltag als Vater kommen. Vielleicht wäre ich da offener, wenn nicht jeder Furz, den man bei Twitter loslässt, gleich eine Meldung bei Promiflash werden kann. Als Reaktion auf diese beängstigende Neuigkeitenmaschine überlege ich mir dann schon, ob ich über Begebenheiten beim Elternabend in der Schule, beim Urlaub oder Beziehungen wirklich etwas sagen sollte. Da habe ich auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen in meinem Privatleben, die sich, anders als ich, nicht für so ein trauriges Leben unter Beobachtung entschieden hat.

Der Satz bleibt erst einmal lange stehen. Wir essen. Bei unserem allerersten Gespräch vor fünf Jahren war die Karriere bei ZDFneo bzw. ZDF noch nicht absehbar. Jan war gerade einer der gelegentlichen Sidekicks von Harald Schmidt. Ich frage, wie er seine letzten fünf Jahre umschreiben würde. Als Achterbahn-Fahrt? Jan überlegt, kaut, schluckt und antwortet.

Nein, in den letzten fünf Jahren habe ich großes, großes Glück gehabt. Die Zusammenarbeit mit Charlotte war ein absolutes Glück, einzigartig und fantastisch bis auf die Tatsache, dass wir wahrscheinlich alle gerne noch ein bisschen weitergemacht hätten. Aber durch das Aus sind die Bildundtonfabrik und ich eng zusammengewachsen und konnten Dinge, die wir im Kopf hatten, so umsetzen, wie wir es gerne hätten. Da hat uns der Sender einfach vertraut.

Deine Karriere war Glück?

Ja, Glück, ganz viel Koketterie und Killerinstinkt. Wenn ich auf die letzten fünf Jahre blicke, dann würde ich sagen: Das war eine Aneinanderreihung von wahnsinnig unwahrscheinlichen Ereignissen in meinem Leben, die dazu geführt hat, dass wir heute das machen können, was wir machen. Ich bin mir des Glücks da völlig bewusst, ebenso wie der Tatsache, dass ich in einen Job habe, in dem in der Regel irgendwann jemand anderes entscheidet, ob ich ihn noch länger machen darf oder nicht. Das liegt ja selten in den Händen derer, die das Programm machen. Es sei denn man heißt Raab und trifft die Entscheidung selbst.

Das klingt so anders als das, was manche über dich schreiben. Übertreiben die oder stapelst du gerade einfach absichtlich tief?

Mir wurde in all den Interviews zum Start des „Neo Magazin Royale“ Anfang des Jahres immer unterstellt, dass das ja so ein kometenhafter Aufstieg gewesen sei. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Ich habe mich über fünfzehn Jahre lang mühsam hochgebumst.

Da war also nix kometenhaft. Alles… harte Arbeit.

Mein Team und ich gehen jeden Tag zur Arbeit und machen unseren Job. Da gibt es abgesehen von der Tatsache, dass ich in einigen Stadtteilen von Berlin oder Köln inzwischen in unterschiedlicher Aggressivität auf der Straße erkannt werde, keinen Unterschied zum mittellosen Freakkollektiv von vor drei Jahren. Wir können uns ja nicht ausruhen, weil wir jede Woche wieder eine neue Sendung stemmen müssen, die ungefähr so gut werden sollte wie die der letzten Woche oder wenigstens nicht scheiße.