Frau Klink, Herr Oelze, wie fühlt es sich an, wenn man einen neuen Berufsabschnitt unter so starker Beachtung und so hoher Erwartung der Branche beginnt?

Stefan Oelze
: So hatten wir's eigentlich nicht geplant. Unser Ziel war nicht, für Furore zu sorgen, sondern einfach mit Menschen, die gerne miteinander arbeiten wollen, eine neue Firma aufzubauen, die eine kreative Heimat außerhalb großer Konzerne bietet. Dass das so eine starke Beachtung findet, hat mich eher überrascht. Ich freue mich vor allem, dass wir jetzt komplett sind und es richtig losgehen kann.

Nina Klink
: Unsere Triebfeder ist ganz klar eine emotionale. Wir haben große Lust darauf, in dieser Konstellation zusammenzuarbeiten, und der Neuanfang fühlt sich ebenso gut wie aufregend an. Mir macht es Spaß, nicht mehr in einem großen Gerüst zu sitzen, sondern in kleiner Runde planen zu können.

Ganz so überraschend ist die Aufmerksamkeit für den Start von Seapoint dann doch nicht. Immerhin machen Sie einen ungewöhnlichen Schritt gegen den allgemeinen Trend der Konsolidierung, die scheinbar nur noch riesige Konzerne und ganz kleine Rucksack-Produzenten übrig lässt. Wie viel unternehmerischen Mut braucht es, heute eine mittelgroße, unabhängige Produktionsfirma aufzubauen?

Stefan Oelze
: Mut gehört sicher dazu, die gerade schon erwähnte Lust aber mindestens ebenso. Wenn bestimmte Entwicklungen sehr stark in eine Richtung gehen – und die Konzentration, die wir derzeit auf dem Produktionsmarkt erleben, ist ja wirklich so stark wie nie zuvor – dann löst das immer auch eine Gegenbewegung aus. In anderen Märkten, etwa in Großbritannien, sieht man das schon deutlich. Da gehen viele tolle Kollegen aus den großen Konzernstrukturen raus und stattdessen bewusst in kleinere, unabhängige Strukturen – auch mit dem Gedanken, dass man dort wieder richtig frei und kreativ arbeiten kann. Diese Freiheit, mit jedem Partner und für jeden Sender arbeiten zu können, genießen auch wir. Unser Gesellschafter Beta Film ist dafür der beste Partner, den wir uns vorstellen können, weil er selbst genauso tickt.



Ihre erste Produktion haben Sie bereits vorige Woche abgedreht, nämlich die neue "Bachelor"-Staffel für RTL. Ursprünglich hatten Sie doch gar nicht vor, so schnell schon zu produzieren, oder?

Nina Klink:
Das stimmt. Unser Plan war immer: Wir nehmen uns Zeit, wir entwickeln in Ruhe. Nun haben wir früher angefangen zu produzieren, als wir es ursprünglich geplant hatten.

Hand aufs Herz, Frau Klink: Wussten Sie bei Ihrem Wechsel von ITV Studios zu Seapoint wirklich noch nicht, dass RTL Ihnen die Produktionsaufträge für "Bachelor" und "Let's Dance" mitgeben würde?

Nina Klink
: Nein, als ich den Entschluss zu einem Wechsel gefasst habe, war mir das überhaupt nicht klar und letztlich war es eine Entscheidung von RTL für die Fortsetzung einer langjährigen, sehr guten, intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit, und darüber habe ich mich natürlich riesig gefreut.

Sie hätten Frau Klink also auch ohne diese Mitgift als Geschäftsführerin genommen...

Stefan Oelze
: (lacht) Das war überhaupt nicht als Mitgift geplant! Im Gegenteil: Unsere Strategie war von Anfang an, dass wir in erster Linie eigene Rechte entwickeln und auswerten wollen, nicht die Rechte anderer produzieren.

Da sind Sie Ihrem Vorsatz aber gleich mit zwei großen Formaten untreu geworden!

Nina Klink
: Richtig. Da hat eindeutig die Emotion gesiegt. Wer mein Team und mich kennt, weiß, dass wir bei beiden Formaten in jeder Staffel mit allergrößtem Herzblut dabei sind. Es ist sehr schön, dass wir das in dieser Konstellation nahtlos fortsetzen dürfen.

Stefan Oelze
: Und es sind ja auch zwei tolle Formate, die unser Portfolio schmücken. Deshalb freuen wir uns, dass RTL uns dieses Vertrauen entgegenbringt – auch wenn es nicht dem Businessmodell entspricht, für das wir eigentlich angetreten sind.

Mit den eigenen Rechten von Produzenten ist es hierzulande ja so eine Sache. Wie wollen Sie schaffen, was den meisten deutschen TV-Produzenten bisher nicht gelingt?

Stefan Oelze
: Wir bauen unsere Programmentwicklung auf drei verschiedene Säulen. An erster Stelle stehen die Eigenentwicklungen der Seapoint-Mannschaft. Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der sich jeder Mitarbeiter auch als Entwickler versteht und weiß, dass seine Ideen gefragt sind. Wichtig ist, dass wir von vornherein genug Budget für eine ganze Reihe senderunabhängiger Pilotierungen eingeplant haben. Dadurch ergibt sich in Bezug auf die Rechte natürlich eine andere Situation, als wenn man gleich den ersten Entwicklungsschritt zusammen mit einem Sender macht. Als Produzent sollte man nicht nur bei den Sendern mehr Mut einfordern, sondern gelegentlich auch selbst welchen unter Beweis stellen.

"Als Produzent sollte man nicht nur bei den Sendern mehr Mut einfordern, sondern gelegentlich auch selbst welchen unter Beweis stellen"

Stefan Oelze, Seapoint Productions


Und die zweite Säule?

Nina Klink
: Das sind Kreativpartnerschaften mit internationalen Produzenten. Da reden wir gezielt mit Partnern, die wir aus früheren Zusammenarbeiten kennen und zu denen wir ein Vertrauensverhältnis haben. Unser Ziel ist es, ein loses Netzwerk zu formen, in dem man sich zwei-, dreimal im Jahr trifft, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, und ansonsten einen gegenseitigen First-Look-Deal auf Ideen und Papierformate des jeweils anderen hat. Die erste Vereinbarung dieser Art haben wir gerade mit Tony Wood geschlossen, der früher bei All3Media und ITV Studios war, "The Only Way is Essex" erfunden hat und sich voriges Jahr mit seiner Produktionsfirma Buccaneer Media in London selbstständig gemacht hat. Mit weiteren potenziellen Partnern in Holland und Skandinavien sind wir momentan im Gespräch.

Also ein weiterer Weg, frühzeitig Rechte zu generieren. Wie offen sind deutsche Sender denn für solche Modelle?

Stefan Oelze
: Wir spüren große Bereitschaft seitens der Sender, sich auf neue Modelle einzulassen. Wir sehen das immer partnerschaftlich und haben eine klare Vorstellung davon, wie das funktionieren kann. Sicher wird es auch Fälle geben, in denen wir keine Rechte behalten, in denen sich das vielleicht gar nicht lohnt. Und es wird andere Fälle geben, in denen wir sehr genau darauf achten, dass wir Rechte behalten. Dabei muss es ja nicht unbedingt um 100 Prozent der Rechte gehen, sondern eher darum, dass wir dem Sender von vornherein sagen: Wir glauben, dass wir als Produzent besser geeignet sind, ein Format im Ausland zu verkaufen und an der Umsetzung mitzuwirken. Davon haben dann alle Beteiligten etwas. Es ist doch ärgerlich, wenn schöne Rechte ungenutzt in irgendwelchen Senderkellern lagern.