Tragisch und düster - wäre für ZDFneo also auch eine Drama-Serie vorstellbar?
Dieser Bereich ist natürlich sehr interessant. Grundsätzlich geht es uns mit all unseren Serien darum, Reibungsflächen zu schaffen, die nicht actiongetrieben sind, sondern konfliktgesteuert funktionieren. Das ist auch die Stoßrichtung, mit der wir jetzt in großen Schritten auf unsere erste Drama-Serie zugehen möchten - mit dem Ziel, sie im Herbst kommenden Jahren an den Start zu bringen.
Sie haben also schon ein Projekt ins Auge gefasst?
Ja, das haben wir. Aktuell kann ich dazu leider noch nichts sagen. Nur so viel: Es wird ein Halbstünder werden.
Das TVLab war in diesem Jahr sehr von der Fiction geprägt, aber anders als in den Vorjahren sehr klein. Hat das TVLab in dieser Form überhaupt eine Zukunft?
Wie wir das nächste TVLab angehen, wissen wir noch nicht ganz genau. Es ist aber nicht unser Ziel, jedes Jahr mit dem TVLab ein Stückchen kleiner zu werden. Wir möchten vielmehr jedes Jahr einen eigenen Akzent schaffen. Von der Entscheidung, diesmal ein rein fiktionales TVLab zu veranstalten, sollte gewissermaßen ein Signal an die Produzenten ausgehen. Man muss sich jedoch die Frage stellen, wie weit die eigenen Kräfte reichen. Natürlich kann man noch ein, zwei Piloten mehr produzieren. Das ist dann allerdings Geld, das an anderer Stelle fehlt. Letztlich haben die drei Piloten ein gutes Spektrum der Einreichungen abgebildet.
Tatsächlich ist Fiction teuer. Ist so etwas letztlich nur zusammen mit dem Hauptprogramm zu machen – oder sind Sie gar auf der Suche nach anderen Partnern?
Mir ist es aktuell besonders wichtig, Formate zu erfinden und etablieren, von denen die Zuschauer sagen, dass sie eine klare neo-Handschrift tragen. Je mehr Partner ich mit im Boot habe, umso weniger kann ich diese Handschrift entwickeln. Für das ZDF ist es ein Leichtes, einen anderen Kooperationspartner dazuzunehmen, weil das Hauptprogramm bereits eine ausgeprägte Handschrift hat. Bei uns wäre das eher kontraproduktiv. Ein bestimmter Look trägt letztlich zur Glaubwürdigkeit und Authentizität eines Senders bei. Nehmen Sie "Diese Kaminskis": Wäre das auf Hochglanz poliert, dann fiele der ganze Charme dieser Serie zusammen. Oder "Kessler ist..." - natürlich kann man in eine solche Sendung noch sehr viel Geld mehr vergraben, in dem man den Super-Stylisten aus Hollywood einfliegen lässt, der dafür sorgt, dass der Unterschied zwischen Kessler und Heino überhaupt nicht mehr wahrnehmbar ist. Aber gerade darin steckt ja auch die Authentizität.
Werden neue Formate bei ZDFneo denn heute schneller gefunden als das noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist?
Ja, ganz eindeutig! Allerdings haben wir uns an der einen oder anderen Stelle eine blutige Nase geholt. Etwa bei Factual Entertainment. Das hat donnerstags um 20:15 Uhr oder 21:00 Uhr nicht funktioniert. Dafür reicht die Kraft eines Ein-Prozent-Senders einfach nicht. Die Bereitschaft, sich solch komplexen Themen zu öffnen, ist tendenziell erst ab 22:00 Uhr vorhanden.
Ein spannendes Format, an das sich ZDFneo wagte, war "Auf der Flucht" - ein international angesehenes Format, das hierzulande jedoch sehr kontrovers diskutiert wurde. Was haben Sie daraus gelernt?
Ich verbuche "Auf der Flucht" trotz aller Kontroversen ganz massiv auf der Haben-Seite, weil durch diese Reihe eine unglaubliche Diskussion losgetreten wurde, in der wir als Sender insbesondere über Social Media auch Position bezogen haben. Das ist genau das, was wir erreichen wollen. Wir haben allerdings lernen müssen, wie Kampagnen-Journalismus funktioniert und wie Querverbindungen gezogen werden, bei denen wir uns mehrfach kneifen mussten. Die Tatsache, dass zum selben Zeitpunkt bei anderen Sendern ein paar Grazien mit Stöckelschuhen durch die Wüste laufen, war der Aufhänger dafür, unser Format damit in einen Topf zu werfen. Das zeigt ganz nebenbei, wie festgefahren die Ansichten darüber sind, was ein öffentlich-rechtlicher Sender zu tun oder zu lassen hat. Es ist ganz wichtig, das zu knacken. Man muss aufpassen, wie man mit seinen Protagonisten umgeht, aber es muss möglich sein, mit bestimmten Formaten auch mal Gewohnheiten aufzubrechen, es anders zu machen.
Das beherrscht Jan Böhmermann ja auch sehr gut. Wie groß war der Stein, der Ihnen vom Herzen fiel, als die Vertragsverlängerung mit ihm unter Dach und Fach gewesen ist?
Ich war immer fest davon überzeugt, dass es uns gelingt, das "Neo Magazin" auch weiterhin zeigen zu können. Wir waren recht schnell auf einem guten Weg, aber selbstverständlich brauchen solche Vertragsabschlüsse eine gewisse Zeit. Nun bin ich froh, dass beide Seiten eine gewisse Planungssicherheit für die nächsten Jahre haben. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Inhalte.
Künftig wird es gleich 34 Folgen pro Jahr geben. Inwiefern wird sich die Sendung dadurch verändern?
Die Vielzahl an Sendungen wird die große Herausforderung für die Mannschaft sein. Durch das größere Studio, das es im kommenden Jahr geben wird, werden sich allerdings automatisch mehr Interaktionsmöglichkeiten ergeben. Momentan ist die nächste Staffel aber noch zu weit weg. Jetzt geht's erst mal darum, bis Ende des Jahres schöne Shows auf die Beine zu stellen.
Interessant ist die Wahl des Sendeplatzes. Seit dieser Staffel gibt es das "Neo Magazin" früher zu sehen als bisher. Wieso haben Sie sich für die frühere Uhrzeit entschieden?
Wir glauben, dass der Flow der "heute-show", die wir ja direkt im Vorfeld wiederholen, gut funktionieren wird. Zusammen mit dem Einschaltimpuls, für den das "Neo Magazin" sorgt, halten wir es für eine gute Idee, die Sendung früher zu starten als bisher.
Das "Neo Magazin" funktioniert auch online gut - übrigens ganz ohne eigenes Jugendportal. Was kann das neue Jugendangebot von ARD und ZDF vielleicht auch mit Blick darauf von ZDFneo lernen?
Grundsätzlich finde ich die Entscheidung, ein Angebot für die Zielgruppe zwischen dem Kika und ZDFneo zu machen, richtig und wichtig. Es ist sicherlich eine Herausforderung, vom ursprünglichen Konzept eines trimedialen Angebots umzuswitchen auf ein Jugendportal. Die Erfahrung von ZDFneo lehrt mich, wie wichtig es ist einen klaren Kern, ein Programm-Ziel zu haben, für das man sich nicht verbiegen lassen darf.
Frau Emmelius, vielen Dank für das Gespräch.