Frau Emmelius, ZDFneo feiert in diesen Tagen seinen fünften Geburtstag. Steht der Sender dort, wo man ihn damals haben wollte?
Ich bin mit der Entwicklung mehr als zufrieden. Ich erinnere mich, wie der damalige ZDF-Programmdirektor und jetzige Intendant Thomas Bellut vor fünf Jahren Norbert Himmler und mich ziemlich angetrieben hat mit der Vorstellung, dass ZDFneo doch in Windeseile die 1-Prozent-Marke knacken solle. Der Marktanteil lag zu diesem Zeitpunkt bei 0,1 Prozent. Insofern war es schon ein extrem ambitioniertes Ziel, das wir viel schneller erreicht haben als gedacht. Und mit Blick auf die Marktanteilsentwicklung in diesem Jahr haben wir einiges richtig gemacht.
Tatsächlich lag der Marktanteil zuletzt bei 1,5 Prozent. Allerdings kann man kritisch anmerken, dass sich ZDFneo bei den 14- bis 49-Jährigen ebenso wie das Hauptprogramm schwerer tut. Worauf führen Sie das zurück?
ZDFneo ist deutlich jünger als das Hauptprogramm, bekommt die Demografie aber auch zu spüren. Hinzu kommt, dass wir mit großem Stolz das ZDF im Namen tragen. Dadurch erreichen wir zusätzlich zu den jüngeren Zuschauern auch viele Ältere. Wir hängen ja kein Schild ins Programm: "Für Zuschauer über 50 nicht geeignet." (lacht)
Allerdings haben Sie nicht nur das ZDF im Namen, sondern auch viel ZDF im Programm. "Küchenschlacht", "Rettungsflieger", "SOKO"-Serien, "Inspector Barnaby". Das ist nicht zwangsläufig junges Fernsehen.
Die Auswahl von Programm, die auch im ZDF läuft, geschieht ganz klar unter der Maßgabe, dass die Sendungen auch bei den jungen Zuschauern erfolgreich sind. Aber natürlich gibt es auch bei uns Limits im Budget. Insofern ist es gar nicht zu machbar, das neoProgramm zu 100 Prozent mit eigenen Inhalten zu bespielen. Unser Hauptaugenmerk liegt momentan allerdings auf der Primetime, wo wir originäre Programme - also Lizenzkäufe und Eigenproduktionen - in einer geschickten Kombination mit bekannten Formaten aus dem Hauptprogramm ausstrahlen.
Aber wie "neo" ist es, einen ZDF-Krimi ein paar Tage früher bei ZDFneo zu zeigen?
Diese Programme haben einen klaren Fokus, nämlich einen bestimmten Sendeplatz im Hauptprogramm zu bespielen. Aber es sind Sendungen, von denen wir wissen, dass sie auch eine junge Zielgruppe erreichen, "Wilsberg" beispielsweise. Insofern ist es ein zusätzlicher Service für den Zuschauer, wenn ZDFneo solche Sendungen in Erstausstrahlung anbietet. Andere Sendungen, wie "Der Rassist in uns", werden wiederum mit dem klaren Fokus ZDFneo produziert, im ZDF aber auch wiederholt. Am Anfang hatten wir uns noch in einem breitbeinigen Spagat versucht, indem wir Programme entwickelten, die gleichermaßen für das Hauptprogramm als auch ZDFneo geeignet sein sollten. Das ist jedoch nicht zielführend.
Bei "Der Rassist in uns" war es beinahe schade, dass kein prominenterer Sendeplatz im Hauptprogramm gefunden wurde, wo es wesentlich mehr Aufmerksamkeit hätte verursachen können.
Das ist ein Entwicklungsprozess. Factual Entertainment war ein Genre, das es früher im ZDF nicht gab. Da haben wir in den vergangenen Jahren über ZDFneo reichlich Know-how aufgebaut, von dem wir alle jetzt profitieren. Wir sind nun so weit, dass das Genre langsam aber sicher im ZDF ankommt. Insofern haben wir unsere Innovationsrolle erfolgreich wahrgenommen. Auch "Kessler ist...", das ein echtes Vorzeige-Produkt geworden ist, wird im Weihnachtsprogramm noch einmal im Hauptprogramm laufen.
Was sind für Sie die Anker-Programme, die Ihnen die Zuschauer zu ZDFneo holen?
Die Ausrichtung von ZDFneo auf drei Programmsäulen hat sich von Anfang an ausgezahlt, also Factual-Programme, Shows und Fiction. Innerhalb dieser Segmente möchten wir bestimmte Akzente setzen. Derzeit sind wir dabei, uns weiter zu fokussieren, was sich wiederum auf unser Image und unsere Wahrnehmung auswirkt. Aktuell hat das "Neo Magazin mit Jan Böhmermann" einen besonderen Stellenwert für uns, weil es eine Sendungsform ist, die in den sozialen Medien fest verankert ist und stark über die Mediathek abgebildet wird. Das passt wunderbar zu unserer Zielgruppe. Bei den Factual-Programmen haben wir aus den vergangenen Jahren die Konsequenz gezogen, uns auf das zu konzentrieren, was wir als Social Factual bezeichnen, also die wirklich großen gesellschaftspolitischen Inhalte unserer Zeit in einer ungewöhnlichen dramaturgischen Form, sehr protagonistengetrieben zu behandeln. Auf diese Art und Weise wollen wir in einen Diskurs mit unseren Zuschauern kommen. Formate wie "Der Rassist in uns" oder nun "Ausgekokst – mein Drogentrip" leisten genau das.
Auffällig ist, dass Sie fast alle Neo-Eigenproduktionen am Donnerstag zeigen. Streng genommen bräuchte es also nur diesen einen Abend. Rechtfertigen diese zwei, drei Stunden denn einen ganzen Sender?
Bislang haben unsere Eigenproduktionen vor allem die Genres Factual Entertainment und Show bedient, die sich gut zusammen programmieren lassen. Jetzt fangen wir allerdings auch mit eigenproduzierter Fiction an, die an anderen Tagen laufen wird. Montags, dienstags und mittwochs finden Sie Fiction-Lizenzen, die "neo, neo, neo" sind. "Mad Men", "Girls", "House of Lies" oder "Masters of Sex" – all das hätten wir nicht gekauft, wenn wir nicht in genau diese Ecke hätten vorstoßen wollen. Diese Lizenzserien wird es auch weiterhin auf diesen Sendeplätzen geben. Das sind aber auch die Flächen, die wir für eigenproduzierte Fiction nutzen möchten, so wie jetzt etwa "Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!" am Mittwochabend.
Das "TVLab" ging bereits in die Fiction-Richtung. Allerdings ist Fiction deutlich teurer als Factual. Wie viel kann sich ZDFneo in diesem Bereich erlauben?
Man muss sich Schritt für Schritt der Sache nähern. Unser Ehrgeiz ist es, auch in der Fiction eine neoHandschrift zu entwickeln. Das ist nichts, das auf Knopfdruck geschieht, sondern etwas, das auch im Austausch mit den Produzenten stattfindet. Angefangen haben wir mit dem Cartoon "Deutsches Fleisch", jetzt gibt's "Diese Kaminskis" und mit "Eichwald, MdB", die das Kleinen Fernsehspiel für uns realisiert, haben wir gerade erst eine Polit-Satire angekündigt. Und dann ist da auch noch die Gefängnis-Sitcom "Der Knast" mit Dennis Moschitto und Martin Semmelrogge.
Semmelrogge im Knast – wie sind Sie denn darauf gekommen?
(lacht) "Der Knast" ist eine typische neo-Entwicklung. Ursprünglich wollten wir mal eine Panel-Show mit Knast-Insassen machen, die sich über die Welt da draußen unterhalten. Diese Idee hat dann Füße bekommen. Daraus wurde eine Panel-Fiction - und inzwischen ist der Panel-Gedanke nicht mehr das tragende dramaturgische Element. Was jedoch all unseren fiktionalen Entwicklungen eigen ist, ist diese Beschreibung der sozialen Mikrokosmen, die aneinander reiben. Das kann entweder ins Komische kippen - wie bei den Sitcoms - oder eben ins Tragische und Düstere.