Frau Maischberger, wie schwierig ist es, einen Freund zu portraitieren?

Ich würde nie ein Portrait über einen engen Freund machen. Alfred Biolek ist ein von mir sehr geschätzter Kollege, der Fernsehgeschichte geschrieben hat. Wir kennen uns schon lange und sind uns freundschaftlich zugetan. So sehr, dass ich zum ersten Mal in meiner Fernsehkarriere einen Portraitierten geduzt habe – sehr ungewohnt!

Sie haben bereits einige Personen der Zeitgeschichte portraitiert, unter anderem Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker. Worin unterscheidet sich der Film über Alfred Biolek von Ihren vorherigen?

Alfreds persönliches Umfeld hat mir derart viele spannende Geschichten erzählt, dass ich mir immer wieder die Frage stellte: Was davon veröffentlichen wir – und was ist zu privat? Solche Abwägungen spielten bei den Portraits über Weizsäcker und Schmidt keine Rolle, da hauptsächlich deren politisches Leben im Vordergrund stand. Zwar ist die öffentliche Figur Alfred Biolek sehr bekannt, allerdings wissen nur wenige, wo er herkommt, wie er früher gelebt hat, mich welchen Themen er sich beschäftigt und was ihn geprägt hat. Davon handelt der Film.



Wie hat Alfred Biolek reagiert, als er den Film zum ersten Mal sah?

Ich habe ihm den fertigen Film tatsächlich gezeigt – ein Novum. Weder Richard von Weizäcker noch Dieter Wedel oder Helmut Schmidt haben ihre Portraits vor der Ausstrahlung gesehen. Ich muss zugeben, dass ich mir das umgekehrt nur schwer vorstellen kann: Da beschäftigt sich jemand mit deinem Leben, kommt zu dir nach Hause, begleitet dich in privaten Momenten - und macht daraus einen Film, man könnte beinahe sagen: seine Interpretation deines Lebens. Puh! Dass derjenige, um den es geht, bestimmte Lebensphasen anders gewichten würde, ist klar.

Gibt es denn etwas, das Alfred Biolek an dem Film nicht gefallen hat?

Alfred hätte gern noch mehr über seine Sendungen gesprochen.Wir haben den Schwerpunkt allerdings auf sein persönliches Leben gelegt, auch weil seine Sendungen in anderen Filmen schon Thema waren. Ich finde es wunderbar, dass er uns all die Einblicke gewährt hat. Dass wir beispielsweise dabei sein durften, als er sich mit seinem ehemaligen Lebensgefährten in New York traf.

Gleich zu Beginn des Films, als Sie Alfred Biolek in dessen Wohnung besuchen, sagt er, angesprochen auf sein Karriereende, man solle aufhören, wenn es am schönsten ist. Wie haben Sie seinen TV-Abschied erlebt?

Ich habe gesehen, wie ihn sein Team gefeiert hat. Das war sehr bewegend. Es gab ein Fest im Alten Wartesaal, bei dem die Redaktion, die ich zum Teil später übernommen habe, auf der Bühne ein Lied vortrug (letzte Boulevard-Bio-Sendung im Juni 2003, d. Red.). Ich finde, es sagt sehr viel über einen Menschen aus, wenn am letzten Arbeitstag alle Kollegen mit feuchten Augen dastehen und sich nicht vorstellen können, dass derjenige am nächsten Tag nicht mehr dabei sein wird.

Nach Bioleks Abschied haben Sie den Sendeplatz übernommen und zunächst mit einem Interviewmagazin experimentiert - die Quoten sanken. Wie erklären Sie sich die Anlaufschwierigkeiten?

Eines ist mir während der Arbeit an dem Film noch mal klar geworden: Alfred ist durch und durch Entertainer, ich dagegen bin eine ausgebildete Journalistin, die bei Themen stets einen kritischen Ansatz wählt. Ich habe nicht seine Entertainer-Qualitäten. Das haben Alfreds Zuschauer, die seine Unterhaltungskunst gewohnt waren, schnell gemerkt. Die Menschen haben sich meine Sendung damals angeschaut und sich gedacht: Och nö, das ist nichts für uns. Ich vergleiche das gern mit der Situation, wenn ein neuer Pfarrer in seine Kirche kommt, anfängt zu predigen und sich all die treuen Hörer des vorherigen Pfarrers mit Grauen abwenden. Glücklicherweise haben wir später einige Zuschauer zurück – und viele neue dazugewonnen.

Und wie macht man das?

Sie haben es bereits angedeutet, wir haben die Sendung ein paar Mal geändert. Das Konzept des 75 minütigen Einzelgesprächs ist zum Beispiel nur einmal aufgegangen, und zwar als Helmut Schmidt zu Gast war. Bei Hape Kerkeling, Manfred Krug und anderen hat es, auch was die Quoten angeht, nicht funktioniert. Die jetzige Form - ein Thema, mehrere Gäste, Pro und Contra - machen wir  mittlerweile seit etwa acht Jahren, mit gutem Erfolg.

Sowohl Alfred Biolek als auch Sie betonen häufig, beruflich treibe sie seit jeher eine Eigenschaft an: Neugier. Passen dazu nicht viel besser Einzelinterviews und Portraits, statt eine durchgeplante Talksendung?

Wenn die Sendung durchgeplant wäre, würde ich Ihnen recht geben. Die Wörter „durchgeplant“ und „Talksendung“ vertragen sich aber nicht. Meine Neugier wird immer wieder aufs Neue gekitzelt, wenn wir Menschen unterschiedlichster Funktion, Herkunft und Meinung zusammensetzen. Das hat etwas von Chemie im Reagenzglas – spannend.

Gibt es Sendungen, mit denen Sie kurz nach der Aufzeichnung zufrieden sind?

(lacht) Nein! Auch das unterscheidet mich von Alfred, der sich seine Sendungen damals nie angesehen hat, weil er frei und unbefangen bleiben wollte. Ich schaue mir zwar nicht jede meiner Sendungen an, aber zumindest immer Teile davon.

Wer neugierig ist, stellt das Vorhandene infrage, auch sich selber -  in welchen Punkten  Sie sind besonders kritisch mit sich?

Ich rede sehr schnell, manchmal: zu schnell. Würde ich mich darauf konzentrieren, langsamer zu sprechen, könnte ich wahrscheinlich keine gute Sendung mehr machen. Das schnelle Sprechen gehört zu meinem Naturell - ich bin ja in Italien aufgewachsen! (lächelt) Glauben Sie mir, dort redet man gewöhnlich noch schneller.

Fällt Ihnen ein weiterer Kritikpunkt ein?

Manchmal unterbreche ich einen Gast zu früh, ein anderes Mal lasse ich ihn zu lange reden. Das ist immer eine Gratwanderung. Zudem spiele ich mit den Fingern an meinem Kugelschreiber herum. Sie merken, es gibt so einige Dinge, die mir auffallen. Aber das kennt vermutlich jeder, der regelmäßig vor der Kamera steht.