Wie könnte man denn diesen neuen Kurs in der eigenproduzierten Fiktion bei RTL beschreiben? Gerade in Abgrenzung zu den bisherigen Produktionen, die nicht so erfolgreich liefen.
Ich will den Begriff der Relevanz nicht überstrapazieren, aber tatsächlich sind es Themen, die eine gewisse Bedeutung haben und dabei sehr deutsch sind. Das ist ein Vorsatz, den wir uns - nicht bei allen aber doch sehr vielen - Projekten vorgenommen haben. Wir müssen deutsche Geschichten erzählen und uns damit dem direkten Vergleich mit amerikanischen Serien entziehen. Es gibt so viele Themen, die in unserer eigenen Vergangenheit liegen. Wir feiern so manche US-Serie dafür, wie glaubhaft sie amerikanische Themen inszeniert. Das muss uns mit unserer eigenen Geschichte auch gelingen. Darüber hinaus suchen wir nach Stoffen für eine Weekly-Soap. Die muss nicht das ganze Jahr über laufen, aber mehr als 13 Folgen sollten es schon sein.
Da ist UFA Serial Drama mit der deutschen Adaption der australischen Serie „Wentworth“ ja bereits dran...
Bei Erfolg würde das für den Zuschauer ein hohes Maß an Kontinuität mit beliebten Charakteren bedeuten und für den Werbemarkt ein verlässliches Umfeld.
Wenn wir nochmal zu den LA Screenings kommen: Gemessen an dem, was Sie so gesehen haben bei den diversen Screenings: Ist der Anteil der US-Serien am RTL-Programm richtig dosiert oder muss man da etwas anpassen?
Ich glaube, dass wir unsere bestehenden LineUps gut füllen können. Der Nachschub ist gewährleistet. Allein mit „CSI: Cyber“ und „Battle Creek“ haben wir zwei Serien, die gut zu uns passen und mir bei den Screenings große Freude bereitet haben.
Ihr neuer Fiction-Chef Philipp Steffens hatte mit „Der Knastarzt“ ja auch schon ein Einstandsgeschenk mitgebracht. Geht das denn in eine Fortsetzung?
Das haben wir noch nicht endgültig entschieden. In der Medienforschung hat „Der Knastarzt“ hervorragend abgeschnitten, beim Fernsehpublikum nur teilweise. An drei Sendetagen lief die Serie in einem außergewöhnlichen Wettbewerbsumfeld. Es waren keine idealen Voraussetzungen, um entdeckt zu werden. Zum Einstieg hatten wir erfreulich viele Zuschauer, von denen wir in den Folgewochen einige verloren haben. Aber es gibt in jedem Fall eine Serien-Fortsetzung aus dieser TV-Saison: Wir schicken „Der Lehrer“ in eine neue Staffel.
Schöne Nachricht, aber wo Sie gerade von Medienforschung sprachen. Die wird immer gerne zitiert, wenn etwas nicht funktioniert hat. Warum macht man die eigentlich noch, wenn sie scheinbar so oft ein unzuverlässiger Indikator ist?
Das möchte ich so nicht stehen lassen. Zum Thema wird das eben nur, wenn es einen Widerspruch gibt. Wenn erfolgreiche Fernsehsendungen in der Medienforschung gut getestet wurden, wird das im Nachhinein nicht thematisiert. Erfolge haben Fernsehmacher lieber aus dem Bauch heraus (schmunzelt).
"Scripted Dokusoaps scheinen in der bisherigen Form weitgehend auserzählt zu sein, was Risiko und Chance zugleich bedeutet, neue Genres und Spielarten in der Daytime auszuprobieren"
Was ist eigentlich aus der Daytime-Serie „Berlin Models“ geworden? Die wurde letzten Sommer erst als Weekly angekündigt, dann als Daily. Kommt sie noch und wenn ja, in welcher Form?
Wir kommen voran und werden das Format mit relativ hoher Episodenzahl in der werktäglichen Daytime programmieren. Einen genauen Starttermin möchte ich noch nicht nennen.
Das bringt uns generell zum Nachmittagsprogramm von RTL: Wohin will RTL im Tagesprogramm?
Wir werden zum Start in die nächste TV-Saison einige neue Daytime-Formate haben. Wir wollen dabei die Chance nutzen, die sich aus den zuletzt nicht ganz so guten Marktanteilen am Nachmittag ergibt und im Tagesprogramm neue Akzente setzen. Scripted Dokusoaps scheinen in der bisherigen Form weitgehend auserzählt zu sein, was Risiko und Chance zugleich bedeutet, neue Genres und Spielarten in der Daytime auszuprobieren, um zwischen „Punkt 12“ am Mittag und „Unter uns“ am frühen Vorabend eine erfolgreiche Brücke zu bilden.
Sie haben kürzlich in einem Interview mit dem Kollegen Sebastian Feuß von der „Werben & Verkaufen“ ihre Skepsis beim Genre Gameshow formuliert - und das mit den negativen Erfahrungen von Promi-Gameshows in der Primetime begründet. Aber könnte das nicht auch eher etwas über die Unlust an Promi-Shows als am Genre Gameshow aussagen?
Das kann schon sein. Aber zeigen Sie mir außer „WWM“ die Quiz- oder Gameshow, die im deutschen Fernsehen gerade richtig gut funktioniert.
Vor „Wer wird Millionär“ gab es die auch nicht.
Das ist richtig. Aber dann kam eben eine Idee, die so einfach wie genial war. Eine solche Idee sehe ich derzeit nicht. Hinzu kommt: Viele Gameshows sind halbstündig, das ist im heutigen Wettbewerbsumfeld schwierig zu programmieren in einer fast durchgehend einstündig programmierten Daytime. Wir brauchen mehr als nur eine gute Idee, um ein ganzes LineUp zu bauen.
Stichwort gute Idee. Hatten Sie bei „Team Wallraff“ ein Gespür dafür, welche Wellen der Burger-King-Fall schlagen würde? Das Format gab es ja schließlich schon einmal - und weit weniger aufmerksamkeitsstark als in diesem Jahr.
Wir wussten, dass wir mit der gründlichen Burger King-Recherche - an der wir ja sehr lange gearbeitet haben - ein Thema haben, dass Wellen schlagen wird. Wie hoch die ausfallen würden, war für uns kein Kriterium. Wir haben diese Recherchen als so relevant betrachtet, dass wir mit journalistischem Ehrgeiz eine Reportage auf den Sender bringen wollten, die ausschließlich auf gerichtstauglichen Beweisen fußt. Dass das Thema dann für so große Aufmerksamkeit sorgte, hat uns genauso überrascht wie das noch größere Interesse an einem zweistündigen Schwerpunkt zum Thema Pflegeheime in Deutschland.