Ist es denn möglich oder sinnvoll, Sport und Politik so zu vermischen, wie das nun vermutlich auf uns zukommen wird?
Man kann Sportlern nicht aufbürden, dort zu protestieren. Für sie sind die Olympischen Spiele das womöglich wichtigste Ereignis ihres Lebens. Viel wichtiger ist doch die Entscheidung vor einem solchen Event: Geht man in ein solches Land oder nicht? Ich kann das ganz gut vergleichen, weil ich für die Fußball-Europameisterschaft sechs Wochen lang in der Ukraine unterwegs war. Auch da hat es ja kritische Stimmen gegeben, weil Timoschenko in Haft saß und es bereits damals große Vorbehalte gegen den autoritären Regierungsstil des Präsidenten Janukowitsch gab – von dem man erst jetzt weiß, wie schlimm er wirklich ist. Dennoch tat die EM dem Land gut, weil ein Teil der Europabegeisterung dadurch zustande gekommen ist, dass die Ukrainer Europa zu Gast hatten. Da hat es unheimlich viele Begegnungen gegeben und Begeisterung auf beiden Seiten. Man muss darauf setzen, dass in Sotschi viel geredet wird zwischen Ost und West.
Lässt sich das wirklich so einfach miteinander vergleichen?
Die Dimension wird in Russland weitaus geringer sein als in der Ukraine, weil die Stadt eine Hochsicherheitszone ist. Ich weiß gar nicht, wie viele Russen wirklich dahin gehen werden. Ich hoffe darauf, dass eine möglichst große Zahl an Menschen am Rande der Schanze oder in den Nachtclubs miteinander ins Gespräch kommen wird.
Sie selbst werden neben Tom Bartels die Abschlussfeier kommentieren. Was haben Sie sich dafür vorgenommen?
Im Detail weiß ich das noch gar nicht. Mir ist aber sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass die Abschlussfeier ausgerechnet am 23. Februar stattfinden wird. Das ist zum einen der „Tag des Vaterlandsverteidigers“, also der Feiertag der russischen Armee. Vor allem aber ist es auch ein sehr trauriger Gedenktag im Kaukaus. Also genau dort, wo die Spiele stattfinden. Vor genau 70 Jahren hat Stalin die Kaukasusvölker deportieren lassen, weil er sagte, sie seien Kollaborateure mit den Nazis - eine seiner Wahnvorstellungen. Mit unvorstellbarer Brutalität sind ganze Völker weggekarrt worden. Viele waren bis nach Stalins Tod im Exil. Das hat Familien auseinandergerissen, dezimiert und einen Wahnsinns-Hass auf Moskau geschaffen. Bis heute ist das eine Wunde, die nicht geheilt ist. Und genau an diesem Tag findet nun also diese Super-Party statt und es wird nicht mal erwähnt werden, wenn sich die Russen nicht doch noch eines Besseren besinnen. Das muss man ansprechen. Ums Sportliche kümmert sich der Kollege.
Welche Rolle wird Ihre sein in den drei Wochen?
Ich werde als „grüne Reporterin“ unterwegs sein. Diesen Begriff prägt mal ein großer Fußball-Reporter im Vorfeld einer Weltmeisterschaft. Er sagte: "Wir können ja nicht nur über Fußball berichten, wir brauchen jemanden für das Geranke drumherum." Und um dieses Geranke drumherum kümmere ich mich in Sotschi. Also Politik, bunte Themen. Vielleicht machen wir eine Reportage über eine kleine Pension, die Gäste aufgenommen hat. Oder über deutsche Fans, die sich vor Ort mit den Sicherheitsvorkehrungen herumschlagen müssen.
Die Russen stellen alles auf die Beine, was sie haben, um sichere Spiele zu gewährleisten.
Ina Ruck
Wie viel ist davon geplant und wie viel spontan?
Wir berichten ja aktuell. Deshalb ist das meiste spontan. Das lässt sich kaum planen. Wir haben aber Archivmaterial gesammelt und zum Beispiel auch eine Chronik der Bauarbeiten oder Informationen zu den Sicherheitsmaßnahmen im Kasten. Der Rest muss spontan kommen.
Eine ernste Frage zum Schluss: Rechnen Sie eigentlich mit sicheren Spielen? Es hat im Vorfeld ja schließlich immer wieder Warnungen gegeben.
Putin hat alle Sicherheitsleute – also Innenministeriumstruppen und Geheimdienst - eingeschworen, dass die Nummer sichergehen muss und gesagt, die Sicherheit bei den Spielen sei eine Ehrensache. Das wissen die Jungs zu verstehen, sie kennen diese Sprache. Ihnen ist bewusst, dass sie alle dran sind, wenn da etwas passiert. Die Russen stellen alles auf die Beine, was sie haben, um sichere Spiele zu gewährleisten. Ob man das kann, weiß ich nicht.
Frau Ruck, vielen Dank für das Gespräch.