Ich kam nur auf Limbourgs Wechsel, weil sich ja auch die Frage stellt, ob Sie bei RTL nach dem Moderations-Halbmarathon von 21 Jahren jetzt noch die volle Marathon-Distanz moderieren wollen oder an andere Aufgaben denken...

(lacht) An den Halbmarathon in Jahreszahlen habe ich noch nie gedacht. Aber Sie haben Recht, mehr als 21 Jahre sind es jetzt bei „RTL Aktuell“. Eine Nachrichtensendung so lange kontinuierlich zu moderieren, das fühlt sich für mich schon mehr nach Marathon denn nach Halbmarathon an. Ich habe mir jetzt keine Jahreszahlen oder Wegmarken vorgenommen, wie lange es noch gehen soll. So lange es mir gut geht, die Arbeit Spaß macht und die Zuschauer auch sagen, dass es eine interessante Sendung ist mit einem Moderator, dem man gerne zuhört und zuschaut, kann ich mir eine Fortsetzung gut vorstellen.

Oft genug wurden Sie in Interviews zu Ihrer Meinung zum RTL-Programm gefragt. Erfreut es den Chefredakteur, wenn dann inzwischen mehr Informationsprogramme Einzug ins Programm erhalten?

Ja, aber es ist eine Strategie, die wir nicht erst dieses Jahr für uns entdeckt haben, sondern es ist die Fortsetzung eines Kurses, den wir schon vor langer Zeit eingeschlagen haben.

Und wie definieren Sie diesen Kurs?

Zum einen erweitern wir Formatformen, die es vielleicht schon an der einen oder anderen Stelle gibt, um einen speziellen RTL-Ansatz. Zum anderen entwickeln wir regelmäßig auch ganz neue Sendungen. Ich denke dabei an die zuletzt gestartete Reportage-Reihe mit Jenke von Wilmsdorff oder die Undercover-Reportagen mit Günter Wallraff und seinem Team von jüngeren Reportern. Bei den Zuschauern gibt es ein großes Interesse an diesen Sendungen und ihren Protagonisten. Missstände aufdecken und einen journalistisch-investigativen Blick in Lebenswelten werfen, die einem normalerweise verschlossen bleiben - das haben wir uns für die Zukunft vorgenommen.

Okay, aber bis vor kurzem eher auf weniger prominenten Sendeplätzen. Das ist schon sichtbarer geworden im Programm...

Wir sind durchaus bereit zu experimentieren, Informationssendungen dort zu programmieren, wo man sie vielleicht erst einmal nicht erwartet. Und überhaupt: Wer hätte noch vor Jahren gedacht, dass Günter Wallraff jemals im RTL-Programm eine wichtige Rolle übernimmt? Heute sprechen wir gemeinsam über eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die noch ausbaufähig ist.

Wir sprachen schon über den überspannten Bogen der Virtualität, aber mir erscheint es generell so, als wenn sich das Fernsehen 2013 wieder etwas eingepegelt hat. Weniger Extreme, mehr Guckbares…

Ich glaube, das ist eine ganz richtige Beobachtung, die wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass Fernsehmacher im Allgemeinen über viele Jahre immer wieder in Neuland vorgestoßen sind, um zu prüfen, ob und wie das Publikum reagiert. Wichtig ist, sich nach solchen “Ausflügen” auch immer mal wieder ein bisschen zurückzuziehen und zu prüfen, ob das Eis noch trägt, auf dem man sich bewegt.

Und das Fernsehen gleicht sich einander an: Die Öffentlich-Rechtlichen entdecken das Infotainment, was sie zuvor so lange bei den Privaten kritisiert haben…

Das ist ja nicht ganz neu für uns. In den vergangenen 25 bis 30 Jahren haben wir bei RTL immer wieder gesehen, dass Trends, die wir gesetzt haben, von anderen Sendern aufgegriffen oder schlichtweg kopiert wurden. Nicht nur wir beobachten den Zuschauer- und Fernsehmarkt, die Konkurrenz macht das genauso. Die Öffentlich-Rechtlichen gehen immer öfter auf die vermeintliche Nummer Sicher und probieren neue Formate nur in ihren Digitalsendern aus. Das ist ein Weg sich in einem Markt zu positionieren, der sich verändert. Und wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht verändern würden, hätten sie auf Dauer auch keine Existenzberechtigung. Trotzdem wird mit Recht die Frage gestellt, was mit dem Gebührengeld gemacht und inwieweit damit der Programmauftrag wirklich erfüllt wird - und zwar nicht nur um 00:30 Uhr in einem digitalen Spartenkanal, sondern auch um 20:15 Uhr im Hauptprogramm.

Es wurde immer behauptet, ein eigener Polittalk bei RTL sei Ihre heimliche Leidenschaft. War da was dran und ist das immer noch aktuell?

Um das klarzustellen: Ich sitze abends nicht zu Hause, schaue Polit-Talkshows und trauere darüber, keine eigene zu moderieren. Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder gefragt, wie ein politischer Talk aussehen kann, ohne dass er wie die sechste Kopie der vorhandenen Sendungen wirkt. Besonders in Wahljahren, wenn das Interesse der Zuschauer an der politischen Auseinandersetzung groß ist, haben wir eigene Formen umgesetzt. Zusammen mit Sandra Maischberger habe ich das "Kreuzfeuer" bei RTL moderiert, in diesem Jahr haben wir "An einem Tisch” mit Angela Merkel und Peer Steinbrück gemacht - auch eine andere Form von Talksendung.

"Ich warte wirklich nicht darauf, dass endlich mal jemand kommt und sagt: 'Kloeppel, jetzt bitte einmal in der Woche Talk.'"

Peter Kloeppel

Waren Sie mit „An einem Tisch…“ zufrieden?

Wir waren mit dem Ergebnis und dem Zuspruch der Zuschauer recht zufrieden und können uns vorstellen, die Sendung an geeigneter Stelle mit einem geeigneten Thema fortzusetzen. Das kann anlässlich einer Wahl sein, denkbar sind auch andere Anlässe.  Aber ich warte wirklich nicht darauf, dass endlich mal jemand kommt und sagt: „Kloeppel, jetzt bitte einmal in der Woche Talk.“

Was ist für Sie, Herr Kloeppel, die denkbar schlechteste Tugend eines Journalisten?

Überheblichkeit, der Verlust an Neugier, mit Sicherheit auch das Gefühl, das sich bei dem einen oder anderen Journalisten einschleicht, alles besser zu wissen. Und auch ein gewisser Zynismus, der sich als Berufskrankheit gerne mal breit macht. 

Ich hätte jetzt auf die Aufgabe von Unabhängigkeit getippt. Sie halten sich ja mit Reden und Gastauftritten für Unternehmen sehr zurück…

Ja, das hat mehrere Gründe. Zum einen will ich, da haben Sie ganz recht, meine journalistische Unabhängigkeit wahren - das ist eine Frage des Berufsethos. Außerdem muss ich nicht überall meinen Senf dazu geben. Ich kann ganz gut einschätzen, bei welchen Themen ich kompetent etwas zu sagen habe und wo ich besser schweige. Schlussendlich ist es auch ein zeitliches Problem. Ich werde oft eingeladen, aber fast immer sage ich ab, weil ich um 18:45 Uhr eine Verabredung mit unseren Zuschauern habe, und die ist einfach am wichtigsten.

Sie könnten die Schlagzahl ihrer Moderationstage reduzieren…

Ganz sicher nicht, um dann auf anderen Hochzeiten zu tanzen. Aber ich habe die Zahl in den letzten Jahren schon ein bisschen reduziert, allein schon bedingt durch die parallelen Aufgaben als Chefredakteur. Im Normalfall sind es trotzdem immer noch rund 200 Sendungstage.

Letzte Frage, geklaut vom Edinburgh TV Festival: "The worst TV I've ever made and everything it taught me" - was wäre das bei Ihnen?

Im Januar 2009 haben wir, nachdem Barack Obama zum Präsidenten gewählt worden war, eine Anchor-on-location-Sendung über die Amtseinführung in Washington gemacht. Leider haben wir aber die örtlichen Gegebenheiten und den erforderlichen technischen Aufwand etwas falsch eingeschätzt. Es war bitter kalt, um die minus zehn Grad, und so windig, dass das Zelt, unter dem wir unsere Technik und meinen Anchorplatz aufgebauten hatten, ständig drohte davonzufliegen. Dazu kamen technische Probleme: ich hatte keinen Rückton auf dem Ohr, so dass ich nur bruchstückweise verstand, was mir die Regie aus Köln oder der Präsident gerade sagen wollten. Ich hatte kein stabiles Rückbild, auf dem ich hätte erkennen können, was ich jetzt gerade eigentlich kommentiere. Aber ich war live auf Sendung. Irgendwie habe ich trotzdem mit fast eingefrorenem Kiefer und belegter Stimme kommentiert - immer in dem Bewusstsein: schlimmer geht’s eh nimmer.  Am nächsten Tag hatte ich dann auch keine Lust auf Fernsehkritiken, weil ich mir die Häme ersparen wollte. Und trotzdem schlägt man die Zeitungen auf. Den meisten Kommentatoren war kaum etwas aufgefallen, Fazit der Süddeutschen Zeitung: “Kloeppel hat sich offenbar Zurückhaltung auferlegt. Er brummt wie ein Braunbär mit Halsentzündung. Man kann gar nicht genug haben von diesem Kloeppel-Brummen.” Ich dachte mir nur: Wenn das alles ist, was beim Zuschauer angekommen ist, dann soll es mir Recht sein. Dabei war es ganz schrecklich, was ich abgeliefert habe. Und ich habe mir geschworen, dass mir das nie wieder passieren darf.

Herr Kloeppel, herzlichen Dank für das Gespräch.