Herr Mälzer, mögen Sie eigentlich den Begriff "Fernsehkoch"?
Der Begriff stört mich nicht. Irgendwie muss man mich ja titulieren. Ich finde solche Formulierungen wie "Spitzenkoch" aber immer etwas seltsam, da ich das Spiel mit solchen Klassifizierungen selbst nicht so betreibe.
Trifft es das Wort "Rampensau" denn auch?
Bedingt ja, aber lediglich sehr selektiv. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, es wäre heute ein Leichtes, mehrere Tausend Leute zu unterhalten und sich vor der Kamera souverän zu verhalten. Aber es gibt eben auch Momente, in denen diese Rampensau ganz gerne in ihrem Stall bleibt.
Ich frage deswegen, weil Sie in einem Interview mit dem „Spiegel" vor einiger Zeit gesagt haben, Sie hätten "jahrelang auf Rampensau machen müssen" - das klingt fast so, als ob Sie sich für den Quotenerfolg ein wenig verstellen mussten...
Man muss in diesem Job das Entertainment lernen. Wenn man zum Fernsehen geht, dann spielt die Unterhaltung die größte Rolle. Da ist es ganz normal, manchmal etwas zu überpacen, damit die Leute nicht einschlafen. Nur übertreiben sollte man es nicht, sonst geht man denen ganz schnell auf die Nerven.
Sie sagen gerade: "Wenn man zum Fernsehen geht" - war das denn immer Ihre Absicht, oder sind Sie da eher durch Zufall reingeraten?
Das war ein reiner Zufall. Ich bin in meinem Restaurant "Weißes Haus" entdeckt worden. Vox hatte vor zehn Jahren überlegt, eine etwas jüngere, frischere Kochshow zu machen. Der damalige Chefredakteur von "Essen & Trinken" wurde daraufhin gefragt, ob er nicht mal eine Liste mit Köchen zusammenstellen kann, die er kennt. Und weil der zufällig eine Woche zuvor bei mir zum Essen war, musste er gar nicht lange überlegen. So kam ich ins Spiel…
Mussten Sie denn lange überlegen?
Zuvor gab es schon einmal ein Angebot an mich, allerdings von einem anderen Sender, der eine Jamie-Oliver-Kopie machen wollte – selbe Inhalte, selbe Erzählstränge, selbe Schnitte, selbe Bilder, bloß eben mit einem anderen Moderator. Das wollte ich nicht, mir war die Eigenständigkeit lieber. Das habe ich später auch Vox zu verstehen gegeben. Ich wollte Real Time Cooking machen und selbst entscheiden, was auf den Tisch kommt. Es ging mir darum, nicht alles vorbereitet zu haben, sondern auch die Schwierigkeiten zu zeigen. Darauf hat sich der Sender dankenswerter Weise eingelassen und zunächst zehn Folgen produziert. Das ist inzwischen eine echte Seltenheit.
Was hat Sie an dem Jamie-Oliver-Konzept gestört?
Kopien finde ich immer blöd. Natürlich kann man sich inspirieren lassen und über den Tellerrand hinausschauen. Das Rad lässt sich ja nicht jeden Tag neu erfinden. Hinzu kommt, dass ich mit Jamie befreundet bin. Ich war auch damals schon mal Gast in seiner Sendung. Das ist Fernsehmaterial, das ich am liebsten vernichtet sehen würde (lacht).
Wieso?
Ich wollte gut aussehen im Fernsehen und bin das erste Mal in meinem Leben unter die Sonnenbank gegangen – und zwar gleich 40 Minuten, weil ich das Prinzip noch nicht verstanden hatte. Ich hatte also schön die „Fresse“ verbrannt, und das konnte man sehr deutlich sehen.
"Meine Welt besteht größtenteils aus 'ja' oder 'nein' und selten aus 'vielleicht'."
Tim Mälzer
Später sind Sie dann quasi über Nacht einem Millionenpublikum bekannt geworden. Verändert einen so schneller Ruhm?
Ich denke schon, dass ich mich seither in irgendeiner Weise verändert habe. Alles andere würde geistigen Stillstand bedeuten. Aber ich glaube nicht, dass es der Ruhm war, der mich verändert hat. Der hatte sicherlich Einflüsse, aber keine Negativen. Außerdem habe ich ja etwas, auf das ich mich berufen kann – das Kochen. Ich musste jedoch lernen, dass es auch Leute gibt, die mich nicht leiden können. Und dann habe ich festgestellt: Man muss nicht jedem gefallen. Viel wichtiger ist es, seiner Linie treu zu bleiben und nicht zu versuchen, jedem Witzchen oder jeder Anerkennung nachzulaufen.
Was haben Sie denn in den vergangenen zehn Jahren über die Fernsehbranche gelernt?
Relativ wenig. Und dafür bin ich auch ganz dankbar (lacht). Ich gehe immer mit einer grundsoliden Naivität an die Aufgaben und habe glücklicherweise einen guten Manager an der Seite, so dass mir Vertragsgespräche erspart bleiben. Meine Welt besteht größtenteils aus "ja" oder "nein" und selten aus "vielleicht". Mit der Zeit habe ich aber zum Beispiel gelernt, wie die ARD funktioniert. Ich bin beim NDR und weiß, dass es Sender innerhalb der ARD gibt, die mich überhaupt nicht gut finden. Die wollen ihre eigenen Protagonisten durchbringen. Aber aus diesen Diskussionen halte ich mich raus. Ich will lieber mein eigenes Ding machen und mich von Politik nicht beeinflussen lassen. Das ermöglicht mir das Team vom NDR, das finde ich großartig.