An Arbeit mangelte es Ihnen noch nie. Bei Vox waren Sie täglich auf Sendung, haben viele Bücher verkauft und mussten Sie sich auch noch um Ihr Restaurant kümmern. Wann kam eigentlich der Moment, an dem Sie realisiert haben, dass alles in dieser Form wohl ein bisschen zu viel ist.
Sie sprechen mich aufs Burnout an…
Genau.
Das war vor allem auch ein körperlicher Zusammenbruch. Die Entscheidung wurde mir daher sehr einfach gemacht. Ich hatte gar keine andere Möglichkeit als etwas zu verändern. Es war wichtig, die Dinge abzustellen, die mich überfordert haben oder an denen ich überhaupt keine Freude mehr hatte. Das ist mir bislang ganz gut gelungen.
Was hatte Ihnen keine Freude mehr gemacht?
Das war eine ganze Menge. Da war neben der rein körperlichen auch viel geistige Überforderung dabei – es kann belastend sein, täglich erkannt zu werden. Hinzu kommt, dass ich keine Zeit zur Reflektion hatte. Damals habe ich tagsüber gedreht und abends im Restaurant gekocht. Die Freizeit wurde dadurch immer weniger und das, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt gerade mal eineinhalb Jahre selbstständig war. Dabei erfordert eine Selbstständigkeit einen riesigen Energieeinsatz. Das konnte nicht lange gutgehen. Ich habe dann immer mehr gefeiert und getrunken, um dagegen anzukämpfen. Abends bin ich auf Partys gegangen und habe jedes überflüssige Event mitgemacht. Den Umgang mit solchen Dingen lernt man nicht im Buch, die muss man am eigenen Leib erfahren.
Fühlen Sie sich heute in der ARD angekommen – trotz der Erfahrungen?
Ich werde meine Wurzeln nie vergessen und ich weiß, dass ich Vox sehr viel zu verdanken habe, insbesondere Anke Schäferkordt, Hans Demmel, Kai Sturm und Frank Hoffmann. Gerade der Umgang des Senders mit meiner Krise war hervorragend und nicht selbstverständlich. Bei der ARD fühle ich mich jetzt aber sehr wohl, weil ich auch mal kleinere und leisere Momente zeigen kann und es nicht ausschließlich um die Quote geht (obwohl das inzwischen auch eine immer größere Rolle spielt). Ich darf immer wieder schöne Dokus drehen, die meinen Horizont erweitern und tolle Ergebnisse bringen. Die werden auch in der Ernährungsbranche heftig diskutiert und von anderen ja auch schon erfolgreich kopiert.
Sind schon weitere Dokus in Planung?
Die nächsten Dokus für das kommende Jahr sind in Auftrag gegeben worden. Und für den NDR haben wir gerade etwas lokalere Themen aufbereitet, weil Regionalität in der Lebensmittelbranche einen immer größeren Faktor ausmacht.
Ihre wöchentliche Kochsendung wird aber doch etwas unter Wert verkauft, finde ich. Allein schon durch die wechselnden Sendeplätze. Ärgert Sie das eigentlich?
Sicherlich lässt sich darüber diskutieren, ob durch einen anderen Sendeplatz nicht bessere Quoten zu erzielen wären. Aber grundsätzlich finde ich alles okay, denn meine Sendung ist inzwischen die einzige, in der noch klassisch gekocht wird. Ganz ohne Wettbewerb oder Showelemente. Diese Sendung erdet mich, denn wenn ich nur noch in Unterhaltungsformaten zu sehen wäre, würde ich meine Basis als Koch verlieren.
Sie produzieren inzwischen auch selbst. Eine ganz neue Welt für Sie?
Das ist eigentlich genau so, wie ich mein Restaurant führe: Ich bin der Koch und bringe Kreativität und die Gerichte mit. Aber für viele Sachen habe ich meine Leute, die sich in ihren Bereichen viel besser auskennen – ohne Steuerberater wäre ich verloren(lacht). Ich wüsste auch nicht, wie ein Reservierungssystem im Restaurant zu führen ist. Mit der Produktionsfirma verhält es sich ähnlich. Ich laufe da nicht mit dem großen Produzenten-Schild herum, sondern die Aufgaben verteilen sich auf vielen Schultern.
Bei "The Taste" geht’s derzeit wieder etwas wilder zu, gerade im Vergleich zu Ihrer Sendung im Ersten. Kann man sagen: Back to the roots?
Ach, back to the roots, ich weiß nicht. Das war eine willkommene Abwechslung in diesem Jahr, um noch einmal eine neue TV-Farbe zu probieren. Es war eine absolut tolle Zeit und eine hervorragende Produktion mit sehr viel Leidenschaft und Emotion. Wir werden manchmal zu schnell auf eine Facette reduziert. Wie oft wurde ich schon auf den Tütenkoch reduziert? Irgendwann habe ich mal bei Kerner ein Kartoffelpüree-Pulver aus der Tüte benutzt, um zu zeigen, was zu Hause noch machbar ist. Da haben fünf Spitzenköche ein Weihnachtsmenü für sechs Leute gekocht, für das man vermutlich zu Hause 63 Töpfe gebraucht hätte.
"Ich möchte nicht wie z.B. Oliver Pocher gegen Boris Becker auftreten, der auf dem Gegner rumhackt"
Tim Mälzer
So viele Töpfe habe ich tatsächlich nicht.
Sehen Sie. Aber diese Geschichte mit dem Pulver aus der Tüte wird mir bis heute vorgeworfen. Und so verhält es sich auch mit meiner wilden Seite. Ich bin gerne ein Rabauke, aber habe eben auch stille Momente. Mein Ziel ist es, beide Seiten zu zeigen. Bei „The Taste“ gibt’s dann auch mal diese „Pimmel-auf-den-Tisch-Momente“, in denen ich mit Rosin albern kann.
Alles nur Spaß?
Ich kann Ihnen eines versprechen: Weder Frank Rosin noch ich würden das machen, wenn wir uns nicht auf Augenhöhe befinden würden. Ich möchte nicht wie z.B. Oliver Pocher gegen Boris Becker auftreten, der auf dem Gegner rumhackt – in einer eh schon schwachen Position. Es ist viel spannender, gegen einen Starken anzutreten, weil man dann auch viel mehr zu verlieren hat.
Herr Mälzer, vielen Dank für das Gespräch.