Herr Yogeshwar, was macht das Fernsehen eigentlich zur Wissenschaft?
Für mich ist das eine doppeldeutige Frage. Zum einen: Wie oft kommt Wissenschaft im Fernsehen vor? Zum anderen: Inwieweit beeinflusst Wissenschaft möglicherweise das Fernsehen? Letzteres ist massiv. Das merken wir nicht nur daran, dass unsere Fernseher immer flacher werden – im wörtlichen Sinne. Es geht auch darum, dass sich das Fernsehen zunehmend in eine Welt verwandelt, in der man offline Sendungen zeitversetzt schauen kann. Von der Mobilität, über die wir uns kaum Gedanken machen, ganz zu schweigen.
Die Mediatheken helfen dabei.
Und es wird noch weiter gehen. Wir werden erleben, dass der Bildschirm unsere Augen erfasst. Man sieht, was wir sehen. Und man sieht möglicherweise, ob das, was wir sehen, uns emotional berührt, weil sich die Pupillenausdehnung verändert. Insofern sind wir mittendrin in einer Phase, in der sich das Fernsehen und die Art und Weise, wie Medien funktionieren, noch einmal grundlegend verändern werden. Wohin das führt, kann ich nicht sagen. Klar ist aber: Die Wissenschaft verändert das Fernsehen.
Spielen Veränderungen wie diese für Ihre Sendung "Quarks & Co.", die in diesen Tagen ihren 20. Geburtstag feiert, eine Rolle?
Ja, auf jeden Fall. Viele junge Menschen gucken schon heute kein klassisches Fernsehen mehr. Sie sehen unsere Sendungen als Podcast. Daran merkt man, wie sehr sich die Sehgewohnheiten innerhalb der vergangenen 20 Jahre verändert haben. Mittel- und langfristig werden sich durch diese Veränderungen nicht nur Medien, sondern auch Gesellschaften verändern. Nach einer ersten Phase, in der Monopolisten wie Google, Facebook und Apple immer stärker werden, werden wir – das ist zumindest meine Hoffnung – das Internet und die Vernetzung nutzen, damit wir als Gesellschaft wieder eine Stimme bekommen.
Abgesehen von der Sendung, die Sie moderieren: Gibt es in der Medienbranche Momente, in denen Sie spüren, dass Ihr ursprünglicher Beruf - nämlich der des Wissenschaftlers - von Vorteil ist?
Immer wieder taucht die Frage auf, wie ein Physiker dazu kommt, ins Fernsehen zu gehen. Niemand würde die Frage stellen, wenn ich ein Sportler wäre und in einer Sportredaktion arbeiten würde. Wenn man den Beruf des Wissenschaftsjournalisten als einen verantwortungsvollen Job versteht, kann es sehr hilfreich sein, wenn man eine wissenschaftliche Vorbildung hat. Insofern sehe ich darin keinen Widerspruch.
Sie haben experimentelle Physik studiert. Wird in der Physik nicht viel mehr experimentiert als im Fernsehen?
Es ist eine andere Form des Experimentierens. Das Motiv des Experimentierens in der Physik besteht im Wesentlichen darin, eine Theorie zu überprüfen. Ganz einfach. Es wird wesentlich mehr Aufwand betrieben als im Fernsehen. Nehmen Sie das Forschungszentrum CERN in Genf. Der Beschleuniger ist 27 Kilometer lang, an den verschiedenen Experimenten wie CMS und Atlas arbeiten jeweils über 3.000 Physiker aus Dutzenden von Nationen in großen Kollaborationen. Und der gesamte Aufwand wurde und wird nur betrieben, um das Higgs-Teilchen nachzuweisen. An der Suche dieses einen Teilchens sind weit mehr Menschen beteiligt als festangestellt im gesamten WDR arbeiten!
Im Fernsehen ist also alles eine Nummer kleiner...
Experimente im Fernsehen sind im Vergleich sehr bescheiden und verfolgen ein anderes Ziel. Hier wollen wir Phänomene auf anschauliche Weise illustrieren. Inzwischen gibt es jedoch in den Medien auch inszenierte „Experimente“, die ausschließlich der Unterhaltung dienen. Manchmal werden pseudowissenschaftliche Versuche aufgebaut, doch dahinter verbirgt sich nicht die Vermittlung von Wissen, sondern reine Effekthascherei. Im Gegensatz dazu bleiben wir bei "Quarks" unserem Bildungsauftrag treu. Dabei gab es durchaus auch große Experimente: Zum Beispiel, ob 50.000 springende Menschen ein Erdbeben auslösen können? Den Versuch machten wir während eines Open-Air Konzerts bei "Rock am Ring". "Quarks" ist also eine echte Wissenssendung. Bei anderen Sendungen verblasst der Bildungsauftrag immer mehr.