Herr Davis, mit Ihrer ZDF-ORF-Koproduktion "Das Wunder von Kärnten" sind Sie für den International Emmy Award nominiert. Was bedeutet diese Nominierung für Sie?
Wir waren alle sprachlos, als wir die Nachricht erhielten. Das ist eine große Ehre, sozusagen der Preis der Preise. Als Amerikaner bin ich mit den Emmys groß geworden – das schien für mich damals immer wie etwas Unerreichbares. Diese Nominierung kommt von einer weltweiten Jury, die sicher keine kleine Auswahl hatte.
Hat das konkrete Auswirkungen für Sie?
"Das Wunder von Kärnten" war für ZDF und ORF eine Innovation, weil das Genre Medical Thriller bisher nicht so geläufig ist. Wenn also die Jury anerkennt, dass der Film nicht nur auf deutscher Ebene gelungen ist, sondern auch im internationalen Vergleich, dann ist das eine wichtige Bestärkung für mutige Entscheidungen auf Seiten der Sender. Ich bin überzeugt, dass wir solche Innovationen von innen heraus brauchen – und nicht nur eine Orientierung an erfolgreichen amerikanischen Formaten.
Sie wollen künftig verstärkt internationale Koproduktionen realisieren. Ist so eine Nominierung auch dafür hilfreich?
Diese Frage sollten wir vielleicht nochmal nach der Preisverleihung am 25. November besprechen. (lacht) Aus meiner Sicht liegt die wichtigste Voraussetzung für eine internationale Koproduktion immer darin, dass das konkrete Projekt in den jeweiligen lokalen Märkten relevant und attraktiv ist. Falls sich dann die Frage stellt, ob Rowboat eine gute Ausführung des Projekts hinbekommt, könnte die Nominierung eine gewisse Bestätigung sein.
Was ist denn Ihr persönlicher Antrieb dafür, als relativ kleine und junge Produktionsfirma den großen Aufwand internationaler Koproduktionen nicht zu scheuen?
Wenn wir ehrlich sind, stoßen wir nicht selten auf Stoffe, die mehrere Länder betreffen, die in mehreren Ländern als relevant empfunden werden, beispielsweise aufgrund der gemeinsamen Geschichte. Da macht es doch Sinn, solche Stoffe auch gemeinsam zu erzählen, weil das die künstlerische Perspektive erweitert. Und es muss dabei nicht nur um Historie gehen. "Das Wunder von Kärnten" war auch eine internationale Koproduktion. Wir vergessen manchmal, dass Österreich ein eigener Markt ist. Dass ich durch einen Artikel im "New Yorker" von einem Harvard-Professor auf diesen österreichischen Arzt aufmerksam geworden bin, der 1998 wie durch ein Wunder ein Kind gerettet hat, zeigt doch, wie klein und vernetzt unsere Welt ist.
Es gibt andere Produzenten, die sagen: Wir würden nicht freiwillig koproduzieren, wenn es nicht finanziell notwendig wäre.
Ursprünglich waren internationale Koproduktionen sicher aus der Not geboren, weil einfach viele Märkte ein Limit bei der Refinanzierbarkeit großer Projekte erreicht haben. Nicht jedes Projekt kann ein Event sein. Aber eine Koproduktion bietet für den einzelnen Sender die Möglichkeit, ein Event für etwas kleineres Geld zu bekommen. Ich glaube, dass die jetzige Generation von Fiction-Machern gezielt nach Stoffen sucht, die sich auch auf der inhaltlichen Seite nur – oder zumindest am besten – gemeinsam mit internationalen Partnern erzählen lassen. Wir wollen nämlich, dass das lineare Fernsehen seine Kraft auch künftig mit Highlights unter Beweis stellt. Frühere Generationen haben sich da vielleicht stärker auf die reinen Finanzen konzentriert.
"Wir wollen, dass das lineare TV seine Kraft auch künftig mit Highlights unter Beweis stellt"
Sam Davis, Rowboat
Ihr größtes Projekt ist der geplante Mehrteiler "Nürnberg – 216 Tage für Gerechtigkeit", der vor dem Hintergrund der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse spielen soll. Was reizt Sie an dem Thema?
Wir haben mittlerweile ja ziemlich viel über die Jahre 1933 bis 1945 gesehen. Ich habe mich oft gefragt: Wie war es unmittelbar danach? Bei der intensiven Beschäftigung mit den Nürnberger Prozessen habe ich den Eindruck gewonnen, dass das ein unglaubliches Ereignis für Deutschland und die ganze Welt war. Das waren 13 Monate voller Drama, innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals – zugleich die Geburtsstunde des modernen Deutschlands und des Kalten Krieges. Es war außerdem das erste moderne Medienereignis. Hollywood-Regisseur John Ford hat buchstäblich die Bühne dafür gebaut, weil er im Auftrag der US-Army für die Herstellung gerichtsverwertbarer Filmbilder zuständig war und die Leinwand als zentrales Element von jedem Sitzplatz im Gerichtssaal aus zu sehen sein sollte.