Herr Knopp, es heißt, dass man aus Geschichte lernen kann. Aber tun wir das auch?
Nicht alle tun es, aber viele. Ich denke, dass das Fernsehen dabei eine wichtige Rolle spielen kann, denn Bilder bleiben intensiver als alles andere in Erinnerung. Das, was die Nazizeit uns an Bildern hinterlassen hat, ist uns deswegen so im Gedächtnis, nicht nur bei den Deutschen, sondern auch weltweit, weil es Bilder davon gibt. Greueltaten früherer Jahrhunderte sind historisch fixiert und belegt, aber nicht so kollektiv verankert, wie es die Bilder des 20. Jahrhunderts sind. Das ist, wie ich denke, die Quelle, der Fundus, aus dem man lernen kann: "Das bei uns nie wieder!" Wie lange das hält, ob es drei oder sechs Generationen anhält, müssen wir abwarten. Ich aber glaube, dass es hält. Und dass wir nicht nur aus der Geschichte lernen können, sondern dass wir es auch tun.
Von der Form der populären Wissensvermittlung via Fernsehen, wie Sie es über viele Jahre hinweg getan haben, sind aber nicht alle begeistert...
Nicht alle, aber doch die meisten. Die generelle Kritik am Fernsehen ist ein Phänomen der deutschen Wissenschaft. In der angelsächsischen Wissenschaft ist die Bereitschaft sich zu öffnen - und das schließt die medialen Möglichkeiten mit ein - sehr viel stärker verankert und das schon seit Jahrzehnten. In Deutschland ist es immer noch ein laufender Prozess. Diejenigen, die sich öffnen, werden am Ende gewinnen. Das ist ja auch eines der großen Gefechte in der Wissenschaft zwischen denen, die für die Öffnung zur Geschichtsdeutung für viele sind und den anderen, die den Elfenbeinturm der reinen Wissenschaft dabei verteidigen. Es ist ja auch eines der Themen, die über die Jahre hinweg meine Arbeit begleitet hat.
Deswegen frage ich...
Die gelegentlichen Angriffe aus der Wissenschaft, die uns und natürlich mich als Leiter des Bereichs betreffen, zielen in diese Richtung. Das Wesentliche daran ist für uns die Erkenntnis, dass die reine Wissenschaft keine Darstellungskompetenz hat - sie hat Analysekompetenz. Ich hingegen versuche das immer zu verbinden. Ich habe für alle meine großen Projekte immer Historiker und Fachgelehrte, teils sehr viele, herangezogen. Ich hatte für die 20teilige Reihe "Die Deutschen" insgesamt 32 Fachgelehrte verschiedener Bereiche - und es war fruchtbar. Am Anfang und am Ende der jeweiligen Filme wurden sie herangezogen. Alles andere war unsere Arbeit - die Recherche-, Regie-, künstlerische-, Schneide- und Darstellungsarbeit. Es ist eine fruchtbare Symbiose. Ich habe immer gerne so gearbeitet, um den künstlichen Gegensatz von Wissenschaft und Medien, der ein sehr deutsches Phänomen ist, aufzuheben.
In der Bildung, zum Beispiel Geschichtsunterricht in der Schule, spielt dennoch immer noch das geschriebene Wort weit mehr als vertonte Bilder.
Ich habe aber doch den Eindruck, dass mediale Möglichkeiten immer häufiger genutzt werden. Das ist auch gut so, um den Geschichtsunterricht authentischer zu machen. Ich hatte in meinem Geschichtsunterricht in den 60er Jahren das Glück, einen Geschichtslehrer zu haben, der die medialen Möglichkeiten, die es ja auch schon damals gab, zu nutzen: Filme von den Landesfilmbildstellen, noch 16mm, Tonbänder und Schallplatten. Der Geschichtsunterricht war so toll, das hat mein eh schon vorhandenes Interesse für Geschichte noch deutlich beflügelt und letzten Endes dazu geführt, dass ich gesagt habe: ich will das studieren. Wir haben auch seit Jahren eine sehr enge Kooperation mit dem Verband der Geschichtslehrer in Deutschland. Das Präsidium sitzt in Mainz, was praktisch ist. Die haben alle unsere großen Serien begleitet. Bei den Reihen über die Geschichte der Deutschen haben sie mit unserer Hilfe so eigene Geschichtsmodule online entwickelt, bei denen die Geschichtslehrer Inhalte abrufen können. Ich erlebe immer wieder, auch bei meinen eigenen Kindern, die in Wiesbaden aufs Gymnasium gehen, dass Filme von mir zum Teil auch ältere, im Unterricht heran gezogen werden.
Wie ist das so, Guido Knopp als Vater zu haben?
Da müssen sie meine Kinder fragen (lacht). Mein Sohn, der in der elften Klasse ist, erzählte mir, dass sie in der Stunde über Napoleon meinen Film aus der Reihe "Die Deutschen" angeschaut und anschließend darüber gesprochen haben. Letztes Jahr hörte ich, wie bei den klassischen Berlinfahrten in der zehnten Klasse seit Anfang der 90er Jahre ein uralter Film von mir über die Mauer von 1986 als Vorbereitung gezeigt wird. Mein Töchterchen war ganz bewegt, wie sie einen jungen Papa gesehen hat. Mit schwarzen Haaren, noch mit Bart und lange vor ihrer Geburt.
Und in wenigen Tagen nimmt der „junge Papa“ dann seinen Hut beim ZDF. Was machen Sie ab Freitag?
Am 1. Februar fliege ich mit meiner Frau nach Dubai, wo wir zwei Wochen auf die MS Deutschland gehen. Dort halte ich Vorträge und verbinde das Angenehme mit dem Nützlichen. Danach beginnt sozusagen ein neues Leben und Sie haben sicher Verständnis dafür, dass ich noch nicht alles, was ich dann machen werde, nennen darf. Sie müssen sich aber um mich keine Sorgen machen.
Das klingt nicht nach Ruhestand?
Es wird neue Aufgaben geben. Ich werde den Medien und dem Fernsehen erhalten bleiben und außerdem weiterhin Vorträge halten. Ich werde natürlich auch nach wie vor Bücher schreiben. Ich habe jetzt noch ein laufendes Projekt, auf das ich mich im Frühjahr und im Sommer nächsten Jahres konzentriere: Zwei Bücher über die hundert bewegendsten Bilder aus dem Ersten Weltkrieg und die hundert bewegendsten Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg - also die Geschichten hinter den Fotos in zwei Büchern. Und im Jahr 2014 haben wir zwei große Jahrestage. Den 1. August 2014 - hundert Jahre Erster Weltkrieg - und einen Monat später den 1. September 2014 - 75 Jahre Zweiter Weltkrieg.