Welches Vorurteil über Sie stört Sie nach all den Jahren am meisten?
Wissen Sie, ich bin jetzt schon seit Jahrzehnten dabei. Ich habe die ganze Palette von Kritik - von Himmel hoch jauchzend bis in den Tod verdammt - mitgemacht und weiß, dass weder Himmel hoch jauchzend stimmen muss, obwohl man es natürlich gerne liest und bei zu Tode verdammt ist es genau dasselbe. Überall kann man Gegenargumente haben. Daher sehe ich beides mittlerweile sehr gelassen, das können Sie mir glauben. Und was Anerkennungen und Preise betrifft, habe ich ja schließlich keinen Nachholbedarf.
Können Sie über Parodien von Ihnen lachen?
Neulich sagte ein Kollege, der wohl für einen Abschiedsfilm recherchierte, dass es unzählige Parodien gibt und ergänzte: "Das ist ja wie ein Ritterschlag, wie ein Bundesverdienstkreuz erster Klasse!" Er hat mir einmal aufgezählt, er hat so acht oder neun Stücke von Harald Schmidt seit Mitte der 90er Jahre gesammelt, irgendwas vom NDR, natürlich aus der geschätzten "heute Show" und „Switch Reloaded“ mit dem genialen Bernhard Hoëcker. Ich kenne nicht alle, aber über die meisten kann ich lachen.
Also stört auch nicht das Image des Hitler-Experten? Sie haben zumindest mal davon gesprochen, dass das eigentlich nur fünf Prozent ihrer Arbeit ausmacht. Scheint aber anders zu wirken...
Am Anfang war es so, dass die Reihe "Hitlers Helfer" mir den Weg in die Primetime verschafft hat. Der damalige Intendant Dieter Stolte hatte vorgeschlagen, die Reihe in die Primetime zu nehmen, was bei "Hitlers Helfer" und den nachfolgenden Reihen zu unglaublichen Erfolgen führte. Das war der Fuß in der Tür. Aber wir haben den Termin ja seither nicht hergegeben. Auch mit ganz anderen Themen haben wir ihn verteidigt. Es ist richtig, dass die anderen Themen und es waren Themen, die genau so liebevoll und sorgfältig gemacht worden sind, oft nicht die gleichen Quoten hatten, wie Themen zur Nazizeit und das mag der Grund sein, dass manche in der Betrachtung das Gefühl haben wollen, dass diese Themen zur Nazizeit den absoluten Hauptteil unserer Arbeit ausmachen. Wir haben es selbst einmal nachgerechnet, es sind wirklich fünf Prozent von den grob gerechnet 2000 Sendungen, für dich ich verantwortlich gewesen bin. Es waren knapp unter 100.
Wie erklären Sie sich dann den öffentlichen Eindruck?
Es liegt wohl daran, dass die Sendungen a) oft auch viel gesehen wurden und b) dass die Thematik den Leuten nach wie vor unter die Haut geht. Die Deutschen sind damit nicht fertig, es ist nicht historisch abgetan und abgelegte Geschichte. Es ist nach wie vor Geschichte, die im kollektiven Gedächtnis verhaftet ist.
Kann man mit Geschichte überhaupt „fertig“ sein?
Die Geschichte ändert sich nicht, aber die Geschichtsdeutung ändert sich - zu umstrittenen Themen manchmal alle 20 bis 30 Jahre. Nicht in den Fakten, aber in den Bewertungen ändert sie sich. Schauen Sie, es hat lange gedauert, bis man in Deutschland Filme über die Themen Flucht und Vertreibung oder den Bombenkrieg machen konnte. Wir haben erst im Jahre 2001 damit begonnen und wir konnten das machen, weil wir uns nicht dem Verdacht ausgesetzt haben, dass wir die Thematik „Deutsche Verbrechen“ unbehandelt gelassen hätten, ganz im Gegenteil. Wir haben sie sehr breitflächig und prominent behandelt. Aber dann war es an der Zeit, dass man auch einmal eine große Reihe machen konnte über die große Flucht oder auch über den Bombenkrieg. Auf eine andere Weise hat es auch der Kollege Nico Hofmann im Fernsehfilmbereich gemacht, beispielsweise mit Filmen wie "Dresden" oder "Die Flucht". Manche Dinge brauchen ihre Zeit.
Wir erleben gerade eine Zäsur. Die letzten Zeitzeugen des zweiten Weltkriegs sterben - sowohl auf Seiten derer, die noch berichten können als auch auf der Seite der Zuschauer und Leser. Wird das Ihrer Meinung nach Auswirkungen haben?
Ich glaube ja! Es ist so, dass jedes Jahr im Grunde 800.000 unserer Zuschauer, die die Zeit, die wir behandeln, wenn ich mal von den 30er und 40er Jahren spreche, noch selbst erlebt haben, sterben. Die nachfolgenden Generationen haben keine persönlichen Erinnerungen mehr an das Geschehene. Das wird Änderungen der persönlichen Bedeutung des Themas zur Folge haben. Die subjektive Betrachtung wird sich wandeln.
Beunruhigt Sie das?
Nein, denn Geschichte bedeutet nun einmal die Beschäftigung mit Vergangenem und vieles in der Weltgeschichte ist geschehen, ohne dass wir persönliche Erinnerungen haben. Wir hatten bei der Thematik des Zweiten Weltkriegs die Chance die objektiven Ergebnisse der Wissenschaft mit den singulären, subjektiven Erlebnissen von Zeitzeugen zusammen zu bringen. Das ist eine Geschichtsphilosophie, wie ich sie eigentlich seit 20 Jahren pflege. Wenn ich in Amerika Vorträge halte, dann sage ich immer: "History is cold and memory is warm" - und diese beiden Elemente, das Kalte, Nüchterne, Analytische der Geschichtsdarstellung und die subjektive Erinnerung von Zeitzeugen gehören zusammen und machen einen Film dialektisch auch spannend. Das funktioniert nicht bei allen Themen, aber wenn es möglich ist, dann haben wir diese Chance auch genutzt.
Waren Sie zufrieden mit den Sendeplätzen, die Sie für Ihre Arbeit bekommen haben?
Der Platz am Dienstag um 20.15 Uhr, den wir mit Zeitgeschichte im Januar 1997 erobert haben und seitdem sozusagen bis zu meinem Ausscheiden verteidigen, ist ein zunehmend schwieriger Platz geworden für Doku, weil die Konkurrenz ganz auf Unterhaltung setzt. Sie haben in der ARD die leichten Serien wie "Um Himmels Willen" mit einem großen Stammpublikum. Sie haben bei RTL die Programme für die Testosteron gesteuerten Männer unter 45, wie "CSI", und Sie haben bei Sat.1 gelegentlich eine Romantic-Comedy. Von ProSieben rede ich jetzt nicht, das sind andere Publika. Da mit Doku gegen zu halten, das wird zunehmend schwieriger. Ich glaube, dass wir insofern Glück haben, dass wir ja außer diesem Sendeplatz noch meine „History“-Reihe haben am späten Sonntagabend, die ja sogar oft Marktführer war. Und dass wir immer wieder diese Back-To-Back-Dokus haben nach Kino- oder Fernsehfilmen. Demnächst haben wir das ja, wenn das ZDF "Unsere Mütter, unsere Väter" zeigt. Zur Trilogie von Nico Hofmann haben wir authentische Dokus produziert. Es ist für die Zuschauer immer eine dankbare Geschichte, wenn sie anschließend das reale, dokumentarische Geschehen sehen können. Insofern können wir uns nicht beschweren, aber der Dienstagsplatz wird zunehmend schwieriger. Aber das ist eine Frage, mit der sich mein Nachfolger beschäftigen muss.