In der letzten Saison kam nicht nur „Gottschalk Live“, sondern auch „Heiter bis tödlich“ neu in den Vorabend. Wie schlägt sich denn dieses Format aus Vermarkter-Sicht?
Im ersten Halbjahr waren alle Scheinwerfer auf Thomas Gottschalk gerichtet, er überstrahlte quasi alles, was links und rechts sonst noch im Programm war. Aber im Schatten von Gottschalk hat sich „Heiter bis tödlich“ sehr schön entwickelt. Es gibt Formate und Werbeblöcke, die sich in den letzten Monaten um ca. 20 Prozent verbessert haben. Das bedeutet natürlich auch günstigere TKPs, was nicht alle so recht mitbekommen. Jetzt bekommt diese Pflänzchen ordentlich Licht. Obwohl zuletzt durch die EM einige Unterbrechungen am Vorabend waren, können wir schon sehen, dass sich die „Heiter bis tödlich“-Formate seit der Rückumstellung auf die alte Struktur deutlich besser entwickeln. Und Serien wie „Hubert und Staller“ und „München 7“ haben ja auch bislang schon eine richtig gute Performance hingelegt.
Mit der alten Vorabendstruktur ist auch die Viertelstunde vor 8 mit ihren vielen kurzen Formaten, die häufig durch Werbung unterbrochen werden, zurück. Ist das wirklich das Gelbe vom Ei?
Wir halten die Werbung bei uns allgemein kurz und bündig mit noch immer deutlich weniger als zwei Minuten pro Werbeblock, vor Acht sogar noch kürzer. Im Vergleich zu den marktüblichen Vermarktungsclustern sind wir da sehr aufgeräumt unterwegs. Die Viertelstunde vor 8 ist kürzer mit starken Formaten, die für eine Orientierung im Ablauf sorgen. Entscheidend in dieser Zeitzone ist es, dort den Übergang schaffen von den unterhaltenden Formaten am Vorabend hin zu den „Realdramen des Tages“ in der „Tagesschau“. Das ist ein Schwenk, bei dem man die Zuschauer erst einmal mitnehmen muss. Wir versuchen das auch, indem wir „Wissen vor 8“ besser auf das vorausgehende Programm einstellen. Wenn's davor humoristisch zugeht, haben wir künftig Vince Ebert. Mit Anja Reschke kann man das Format mit dem Werkstatt-Aspekt noch attraktiver gestalten. Und weiterhin dabei ist natürlich Ranga Yogeshwar als Erfinder des Formats. Ich glaube, dass das ein schöner Hebel ist, um über die etablierten Wetter- und Börsen-Formate zu den Nachrichten hinzuführen.
Sie sprechen an, dass es nicht ganz einfach ist, kurz vor 8 Programm zu etablieren. Gottschalk sprach deshalb von der „Todeszone“ am Vorabend...
Der Vorabend ist für mich eine Königsdiziplin, weil man hier die Menschen aus dem abflauenden Alltagsstress abholt und mit einem Mix aus Information, Hintergrund und spielerischen fiktionalen Qualitätsprogrammen zur Primetime hinführt. Und logisch: Da müssen Programm wie Vermarkter auch mal hart am Wind segeln können – und das geht nicht immer nur gerade aus. Mit Rückenwind kann's jeder, aber hart am Wind segeln, ordentlich kreuzen und trotzdem vorankommen, finde ich aufregender.
Was den Markt noch bewegt, ist die Diskussion über eine neue Zielgruppen-Definition. Auch AS&S weist seit geraumer Zeit die Zielgruppe 20-59 aus. Sind Sie also ein Befürworter dieser Umstellung?
Wir haben nie nach irgendwelchen Zielgruppen einzeln fokussiert. Wir haben Programm für eine breite Range an Zielgruppen, nachmittags für andere als am Vorabend, und auch die Viertelstunde vor 8 stellt eine andere Zielgruppe als die der „Sportschau“ dar. Die Zielgruppen-Diskussion ist eine Preis-Benchmarking-Diskussion, bei der man schnell der Versuchung erliegen kann, Sender grobschnittartig in eine Schublade reinzupressen. Da waren wir immer schon anderer Meinung. Richtig ist, dass die Zielgruppe 20-59 wesentlich realitätsnäher ist als 14-49. Aber ich glaube, man kann noch trefflich darüber streiten, ob nicht vielleicht eine noch etwas andere Zielgruppe noch realitätsnäher wäre. Vielleicht sollte man mal über die 30- bis 69-Jährigen verstärkt nachdenken. Letztlich halte ich eine Zielgruppen-Diskussion aber einfach für zu kurz gesprungen.
Ihnen ist's also letztlich egal?
Wir haben bei den 20- bis 59-Jährigen natürlich nochmal einen deutlich besseren Marktanteil als bei den 14- bis 49-Jährigen. Aber das hilft uns doch letztlich nicht in der Vermarktung. Für den Kunden ist entscheidend, was er konkret für seine Bedürfnisse bekommt. Der Kunde denkt nicht in 14-49 oder 20-59. Selbst die Agenturen denken nur in den Verhandlungen in diesen Ebenen. Ich kenne viele Aussagen aus Agenturen, die sagen: Wir haben alle möglichen Zielgruppen – aber 14-49 ist da nicht dabei.
Werfen wir abschließend noch einen Blick in die Zukunft: Was sind die nächsten Herausforderungen, vor denen AS&S im zweiten Halbjahr nach Olympia steht?
Entscheidend für uns ist, dass wir mit der neuen Struktur am Vorabend wieder Ruhe in unser werberelevantes Umfeld rein bekommen und dass sich die unterschiedlichen Programmfarben an den Wochentagen bei den Zuschauern verankern. Auf dieser Basis wollen wir natürlich neue Wachstumsimpulse setzen. Wir haben im ersten Halbjahr teilweise an Marktanteilen verloren, die müssen zurückgewonnen werden. Und drittens wollen wir unser Mehrwert-Profil als Vermarkter in Sachen Marke, Wirkung, Kompetenz und Service weiter schärfen und unser Vermarktungsportfolio im Markt klar positionieren.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Esser.