Herr Beckmann, Günter Struve hat einst von der „Hölle des Vorabends“ gesprochen, Thomas Gottschalk von der „Todeszone“. Klingt jetzt nicht nach der besten Job-Beschreibung, oder?
(lacht) Nein, aber es ist die Zeit vor der „Tagesschau“ und die ist sehr wichtig und spannend zugleich, weil man dort viel Neues ausprobieren kann. Der Vorabend ist ein idealer Platz für jemanden, der Programm entwickeln möchte.
Welche Formulierung würden Sie für den Vorabend in Anlehnung an Struve und Gottschalk verwenden?
Da ich gerne Programm entwickele, sage ich: der Vorabend ist ein Paradies. Überlegen Sie mal: In den letzten Monaten haben wir neue Serien an den Start gebracht, frische Quizformate präsentiert und die „Verbotene Liebe“ optisch und dramaturgisch deutlich überarbeitet. Und das alles mit Top-Leuten: Ich darf mit Moderatoren wie Kai Pflaume und Dieter Nuhr zusammenarbeiten, oder mit Schauspielern wie Christian Tramitz und Wolke Hegenbarth. Wenn das nicht paradiesische Zustände sind?
Noch hat der Erfolg sich aber nicht eingestellt. So gesehen steht der Titel „Null gewinnt“, den die neue Quizshow mit Dieter Nuhr trägt ja fast sinnbildlich für die Lage des ARD-Vorabends. Ist das ein schlechtes Omen?
Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben eine Show, bei der die Kandidaten zwar bei null Punkten gewinnen, aber am Ende geht es natürlich um viel. Bei „Null gewinnt“ wollen wir auch etwas Neues wagen, das man in dieser Form im Spielshow-Bereich noch nicht gesehen hat. Die Spielregeln werden komplett auf den Kopf gestellt. Ähnlich wie beim „Familienduell“ werden vor der Sendung 100 Menschen befragt – mit dem Unterschied, dass unsere Kandidaten in der Show auf die gleichen Fragen dann die abwegigsten Antworten finden müssen.
Die Wahl der Moderatoren verwundert auf den ersten Blick allerdings schon ein wenig...
Durch die Besetzung mit Dieter Nuhr und Ralph Caspers erhält die Sendung einen ironisch-witzigen Unterton. Das ist auch im Original-Format in England der Fall und einer der Reize des Formates. In den ersten Aufzeichnungen haben wir schon sehen können, dass das Zusammenspiel zwischen Nuhr und Caspers funktioniert, weil sich die beiden immer wieder auf eine witzige Art und Weise kabbeln. Das wird für eine neue Temperatur im Programm sorgen.
Aber werden die Zuschauer das neue Format überhaupt finden?
Vor diesem Problem stehen wir am Vorabend generell. Wir haben bei dieser Sendestrecke die Schwierigkeit, dass wir es mit sehr stabilen Sehgewohnheiten zu tun haben. Der Markt ist verteilt und man muss neidlos anerkennen, dass die Konkurrenten keine großen Fehler machen und ihre Marktanteile hartnäckig verteidigen. Unser Ziel ist es, auf lange Strecke besser zu sein als andere. Das ist eine große Herausforderung, die man nur mit ausreichend Zeit bewerkstelligen kann und für die man auch prominente und beliebte Moderatoren braucht.
Gibt man Ihnen denn die Zeit?
Wenn wir beim Umbau dieser Strecke keinen langen Atem hätten, dann hätten wir gar nicht erst anfangen dürfen. Das Konzept sieht einen strategischen Umbau vor, der nur langfristig zu machen ist. Leider wird der Vorabend häufig falsch bewertet. Man kann es sich natürlich einfach machen und sagen: Die Formate holen, gemessen am Senderschnitt, keine zufriedenstellenden Quoten. Das ist aber die falsche Bewertung. Man muss sehen, dass wir vorher Marktanteile von fünf, sechs Prozent hatten. Unser Ziel sind erst mal stabile sieben bis acht Prozent in der Serienleiste. Wenn wir das schaffen, dann haben wir etwa 30 - 50 Prozent Zuschauer mehr als bisher – und zwar in einem höchst segmentierten Markt. Das ist wirklich anstrengend, aber möglich, wie man gleich im ersten Wurf bei „Hubert und Staller“ sehen konnte.