Herr Otto, Herr Woynar, 100 Kamerateams begleiten 100 Menschen bei ihrem Alltag. Worin liegt überhaupt der Reiz des Alltäglichen?
Marco Otto: Der Reiz liegt darin, die große Vielfalt der Lebensstile in Norddeutschland zu dokumentieren. Wir wissen aus den Erfahrungen vieler Reportagen, dass die Menschen in unserem Sendegebiet vor allem die räumliche Nähe interessiert und die Abbildung dessen, was sie selbst als vertraut und normal empfinden. Insofern ist es also gewiss nicht so, dass das Alltägliche unsere Zuschauer langweilen würde. Im Gegenteil: Wir zeigen Ihnen viele Facetten dessen, wie man in Norddeutschland leben kann – und da gibt es oft gewaltige Unterschiede, daraus entsteht auch das Spannende für diese Dokumentation.
Harald Woynar: Wir werden den Alltag außerdem neu montieren. Wir werden also niemandem eine Viertelstunde dabei zuschauen, wie er Kuchenteig anrührt. In dieser Zeit wenden wir uns einem anderen Protagonisten zu und schauen anschließend vielleicht mal nach, wie der Kuchen geworden ist.
Nach welchen Kriterien wurden diese Protagonisten überhaupt ausgewählt?
Otto: 45 der 100 Protagonisten sind Eigenbewerbungen. Wir haben im Vorfeld unsere Zuschauer dazu aufgerufen mitzumachen, wenn sie der Meinung sind, dass ihre persönliche Geschichte im Rahmen unserer Dokumentation erzählt werden sollte. Später haben wir die NDR-Hörer, Zuschauer und Internet-Nutzer über die Bewerber abstimmen lassen. Insofern hat es eine doppelte Publikumseinbindung gegeben. Die andere Hälfte der 100 Protagonisten ist von Seiten der Redaktion ergänzt worden. Einerseits um Prominente, aber auch um Berufe und Lebenswelten zeigen zu können, die sich in der Regel nicht selbst melden, beispielsweise Menschen, die eher im Stillen agieren. Unsere Zweiteilung ist also nicht zuletzt auch aus dramaturgischen Gründen erfolgt.
Unter den Promis ist die Bandbreite von Karl Dall über Marcel Schäfer bis hin zu Carlo von Tiedemann ja recht groß...
Otto: Die Vielfältigkeit war auch hier unser oberstes Ziel. Letztlich wollen wir auch viele unterschiedliche Einsichten gewähren und Interessen bedienen. Das geht dann von Karl Dall bis Giovanni di Lorenzo.
Woynar: Die Vielfalt hat aber nicht nur etwas mit den prominenten Personen zu tun. Sie bezieht sich auch bei den übrigen Protagonisten sowohl auf die Berufe als auch auf die Herkunft. Und die regionale Verteilung der Menschen im Sendegebiet war uns im Vorfeld wichtig, das ja von Holland bis Polen reicht.
Da stellt sich die Frage: Wie lässt sich ein solches Projekt planen und stemmen?
Otto: Wir haben uns mit TV Plus eines sehr erfahrenen Auftragsproduzenten versichert. Außerdem haben wir im NDR ein Kern-Projektteam von acht bis zehn Mitarbeitern, das sich um Protagonistenbegleitung, die redaktionelle Steuerung und Pressearbeit, intensiv kümmert. Aber selbstverständlich ist es am Drehtag selbst eine große logistische Leistung, wenn quasi alle freien Teams, die man in Norddeutschland und darüber hinaus zur Verfügung hat, gleichzeitig im Einsatz
sind.
Woynar: Wenn diese Aufgabe abgeschlossen ist und wir in die eigentliche Postproduktion gehen, gibt es trotzdem noch einen dynamischen Prozess, weil wir die Menschen bitten, uns über Fortschritte, die sich in ihrem Leben vom Dreh- bis zum Sendetag ergeben, zu informieren. Klassisches Beispiel ist ein Baby, das am 11. Mai auf die Welt kommen wird. Bei der späteren Taufe würden wir entweder ein Team dort hinschicken oder es die Eltern selbst dokumentieren lassen. Außerdem besteht am Sendetag zusätzlich noch die Möglichkeit zu einem Gespräch im Studio. Für uns ist am 11. Mai nicht Deadline.
Das ist auch ein Unterschied zu den Kollegen von „24 h Berlin“, das vor wenigen Jahren im RBB große Erfolge feierte und sicherlich auch als Vorbild diente, oder?
Woynar: Wir verfolgen einen anderen Ansatz, beispielsweise wenn Sie an die zweifache Einbindung der Zuschauer denken. Außerdem bestehen in der Dynamik, die daraus entsteht, dass wir am Sendetag Protagonisten in Studiogesprächen haben werden, die die Geschichten weitererzählen, große Unterschiede. Wir legen sehr großen Wert auf die optische Gestaltung und den unterhaltenden Wert und pflegen dort möglicherweise einen anderen dokumentarischen Stil.
Otto: Wir haben darüber hinaus eine große Aktion, bei der sich Menschen, die nicht von den Teams gedreht werden, am 11. Mai selbst filmen und somit doch noch Teil der Dokumentation werden können. Auch dies ein Unterschied zu dem RBB-Projekt.
Woynar: Die Dynamik wollen wir darüber hinaus noch mit einem dritten Punkt unterstreichen. In allen Bundesländern unseres Sendegebiets, inklusive Bremen, stellen wir am Sendetag, dem 10. November, mobile Sendeeinheiten auf. Dadurch können wir im NDR Fernsehen dann auch das echte Live-Bild vom 10. November zeigen. Wir laden uns also einiges an Abwechslung auf. Das wird logistisch sehr aufwändig sein.