Wen würden Sie denn einladen?

Experten, die einen anderen Zugang zur Basis haben,  Menschen ohne Parteibuch. Wir haben ein Riesenpotenzial an Leuten, die sich in den jeweiligen Themen exzellent  auskennen, weil sie vor Ort täglich mit ihnen zu tun haben. Kurz: Mir fehlen in den Talkshows Menschen aus der Mitte des Volkes, Menschen, die wissen, wie man den Genitiv und Dativ benutzt und zudem Fragen konstruktiv beantworten können. Davon gibt es nämlich so Einige. Es wäre doch interessant zu sehen, wie die Generalsekretäre und Fraktionsvorsitzenden unseres Landes auf Fragen und Einwände dieser Herrschaften reagierten.

Bei Anne Will sitzt in jeder Sendung ein Gast auf dem berüchtigten Sofa…

Ach, bei Frau Will sitzt so ein Würmchen weit weg, fast schon im Publikum. Dieser Mensch darf sich dann auch nur mal kurz äußern…

Gelegentlich werden diese Gäste in die Diskussionsrunde eingebunden.

Das macht die Sache insgesamt aber nicht viel besser. Noch ein Satz zu Anne Will: Nach dem Sendeplatzwechsel hat sie offensichtlich ihren Stil verändert, weg von der harten Fragerei. Dieses Feld bearbeitet jetzt der Kollege Jauch.

Apropos „Günther Jauch“: Seine Talkshow ist immer wieder mit „Stern TV“ verglichen worden...

Er wäre doch vom Klammerbeutel gepudert gewesen, wenn er nicht Elemente von „Stern TV“ mit rübergenommen hätte. Ich war zwei Mal zu Gast bei „Stern TV“;  das war schon verdammt gut gemacht, ich würde sogar sagen: fast perfekt. Das heißt nicht, dass mir jede Sendung gefallen hat. Dem einen schmeckt Zitronensahne, dem anderen nicht, in einem Punkt sind sich aber alle einig: auf dem Teller sieht sie immer klasse aus. Ähnlich läuft es doch mit „Stern TV“.

Günther Jauch macht derzeit also alles richtig?

Ja. Jauch ist ein vollkommen geerdeter Mann, ein vollkommen geerdeter Journalist. Er hat eine Form gefunden, politische Gespräche in einer ruhigen Atmosphäre zu führen – genau das schätzt der Zuschauer. Manchmal wünschte ich mir fast eine Prise mehr Aufgeregtheit, aber das nur am Rande. Wenn ich ihm zuhöre, bin ich thematisch auf den Punkt informiert. Und das kann ich wahrlich nicht über alle ARD-Kollegen sagen. Wenn ich am Sonntag „Günther Jauch“ schaue, bräuchte ich mir eigentlich bis Freitagabend keine andere Talkshow ansehen.

Frank Plasberg widmet sich immer häufiger Verbraucherthemen. Das Motto „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ passe nur noch selten, sagen viele Kritiker. Gefährdet dieser Kurswechsel die erfolgreiche Marke „Hart aber fair“?

Ich glaube nicht, dass Herr Plasberg von sich aus auf diese Verbraucherthemen ausweicht. Seine Stärken liegen woanders. Ich erinnere mich an eine Sendung, in der Oskar Lafontaine mit hochrotem Kopf und geschwollenen Halsschlagadern irgendwelche Thesen in die Welt setze. Plasberg hat diese merkwürdigen Thesen auf seine Art energisch bezweifelt. Daraufhin sagte Herr Lafontaine: „Herr Plasberg, Sie müssen bloß mal bei Wikipedia nachschauen, da steht das alles ganz genau drin.“ Der souveräne Moderator erwiderte trocken, dass Wikipedia keine ausreichende Quelle für eine Recherche sei. Lafontaine wurde praktisch rhetorisch vorgeführt -  das war wunderbar! Das wünsche ich mir häufiger in deutschen Talkshows! Doch seien wir ehrlich: Die harte Wurzelbürste in der politischen Talkshow gibt es nicht.