Herr Brunnemann, diese Woche startet Ihre neue ARD-Vorabendserie „Nordisch herb“. Als die ARD nach regionalen Krimis suchte, war für Sie gleich klar, dass Sie etwas Norddeutsches machen wollen?

Meine Großeltern kommen aus Hamburg mit Ferienhaus am Timmendorfer Strand, außerdem war ich schon als Kind gerne und oft auf Sylt. So erklärt sich zumindest meine Affinität zum Meer.. Aber das war nicht der Punkt. Das Projekt „Nordisch herb“ hat bei uns im Hause schon eine etwas längere Geschichte. Wir beschäftigen uns bereits seit ein paar Jahren mit der Entwicklung von überzeugenden Charakteren aus dem Norden als Gegengewicht zum sehr verbreiteten bayerischen Charakter, den wir im deutschen Fernsehen sehr häufig sehen. Dass diese Überlegungen sich mit denen der ARD für den neuen Vorabend deckten, war ein glücklicher Zufall und der Beginn einer ganz hervorragenden Zusammenarbeit.

Im Mittelpunkt der Serie steht ein „ungewöhnliches Ermittlerduo“. Eine Ankündigung, die man schon sehr oft gelesen hat. Was macht denn „Nordisch herb“ so anders?

Ich finde ja grundsätzlich, dass man nicht alles neu erfinden muss. Es gibt ein paar „Grundverabredungen“ in jeder Geschichte, die man gerne schaut und dazu gehört auch ein gegensätzliches Ermittlerduo, in unserem Fall  sind die Gegensätze zwischen Mann und Frau gemeint. Außergewöhnlich und besonders machen es eine Geschichte immer die Erzählweise und die Charaktere, die erzählt werden. Die wichtigste Zutat unserer Serie ist der besondere Humor, den Carl Christian Demke als Headautor auf ganz hervorragende Weise mit einbringt. Außerdem muss man das Gewohnte mit etwas Neuem, Überraschendem kombinieren und das ist in unserem Fall zum Beispiel das Setting des Bestattungsunternehmers, das es so, wie wir es erzählen, im deutschen Fernsehen noch nicht gab: Nicht skurril oder düster, sondern menschlich heiter. „Nordisch herb“ ist darüber hinaus auch eine Familienserie, das heißt wir erzählen unsere Geschichten familienorientiert.

 

 

Wie macht sich das bemerkbar?

Über die Grundkonstellation Mann-Frau beim Ermittlerpaar hinaus, gibt es in diesem Format mindestens zwei weitere emotionale Zentren. Das eine ist die, wie ich finde, ganz wunderbare Beziehung unseres Hauptcharakters Jon zu seinem Vater Claas, dem alteingesessenen Leichenbestatter. Der zweite große emotionale Kernpunkt ist die Mutter-Tochter-Beziehung – zwischen Nora und ihrer Tochter Mimi - und auch diese ist sehr schön und besonders erzählt. Von daher zeigen wir vielleicht nicht die Neuerfindung des Rads, aber eine ganz neue Version des Bekannten und Geliebten.

Die neuen Vorabendkrimis der ARD sollen ja möglichst regional verankert sein. Aber wieviel regional darf sein, ohne das bundesdeutsche Publikum zu verschrecken?

Sie haben vollkommen Recht, wir müssen im ganzen Bundesgebiet funktionieren. Vornehmlich laufen wir im Vorabendprogramm des Ersten und erst dann im Dritten des NDR. Es gibt einfach sprachliche Grenzen, die man nicht überschreiten sollte. Da gibt es irgendwann einen Punkt an dem es “Aufpassen heißt: So müssen wir uns z.B.das Plattdeutsch weitgehend verkneifen, weil wir sonst nicht mehr verständlich wären. Dafür spielen wir mit den Charakterzügen, die gewissen Regionen zugeschrieben werden. Der Friese gilt ja gemeinhin als etwas dickköpfig und in sich gekehrt. Damit darf und soll man gerne spielen, was für alle Beteiligten ein großer Spaß ist. Dann muss man die Erwartungshaltungen wieder brechen und daraus ebenfalls Potential erschließen.

Gibt es eigentlich noch Regionen, die im deutschen Fernsehen noch nicht fiktional abgebildet wurden?

Vielleicht ganz klassisches Hochdeutsch? Hannover? Wobei ich fürchte, dass es auch das schon mal gab und spätestens jetzt im Rahmen der Offensive der ARD wird glaube ich jede Region verfilmt. Mir als Fiction-Produzent gefällt das sehr gut. Es könnte uns schlechter gehen. 

Hör ich da Optimismus heraus?

Goldene Zeiten sind lange vorbei, aber „Danni Lowinski“ und auch „Der letzte Bulle“ haben bewirkt, dass sich die Privatsender wieder sehr intensiv mit der deutschen Serie beschäftigen, um damit ihre Marken zu stärken und Zuschauer an sich zu binden. Und was die ARD macht, ist natürlich ein unglaublicher Segen für alle deutschen Produzenten von fiktionalen Programmen.