Herr Leutke, Sie sind seit Kurzem Leiter der ZDF-Wirtschaftsredaktion. Die ständig neuen Untergangsszenarien aus Griechenland, Italien und Irland kommen da doch sicher gerade recht...
Ohne Frage, das ist eine spannende Phase, in der ich diese Aufgabe übernehme - langweilig wird es jedenfalls nicht. Aber es ist natürlich auch eine große Herausforderung, mit diesen Themen umzugehen - verbunden mit der Frage: Wie kann man diese Themen dem Zuschauer näher bringen, sodass er sie auch versteht? Es ist in diesem Zusammenhang sicherlich wichtig, die gigantischen Zahlen begreifbarer zu machen, mit denen momentan jongliert wird und die Auswirkungen der Krise auf uns alle deutlicher zu machen - denn die gibt es, nur werden sie häufig vergessen, verdrängt oder nicht ordentlich erklärt
Welche Rolle haben die Medien im Umgang mit der Krise? Ein wenig drängt sich ja der Eindruck auf, Fernsehen & Co. hätten die Krise zunächst ein wenig verschlafen.
Finden Sie?
Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass die Krise auf einmal da war - dafür dann aber mit aller Gewalt.
Die Meinung teile ich eigentlich nicht. Ich fühlte ich mich im ZDF nicht erst seit den vergangenen Wochen gut informiert, sondern schon seit der Lehman-Pleite. Was damals passiert ist, hat wirklich viele überrascht - angefangen bei den großen Rating-Agenturen, bis hin zu vielen Journalisten. Inzwischen sind wir aber längst am Puls der Zeit. Das Problem scheint mir eher, dass die Politik keine Lösung findet. Und das stellen wir als kritischer Begleiter in Kommentaren und Beiträgen ausführlich dar.
Ist es in diesem Zusammenhang nicht so, dass die Medien durch ständig neue Horrorszenarien die Krise inzwischen vielleicht sogar überdramatisieren?
Auch das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass wir tatsächlich immer realistisch versuchen einzuschätzen, was passiert. Das ist in der Tat häufig schwer genug: Innerhalb weniger Stunden gibt es Entwicklungen, die keiner vorhergesehen hat. Nehmen wir mal das Beispiel Italien: Das Land steht von heute auf morgen im Schussfeld, die Märkte sacken ab, der Euro fällt - und nur einen Tag später hat sich die Lage wieder beruhigt. denn wenn man die Daten ansieht, hatte sich an der Lage Italiens rein gar nichts verändert.
... aber die Medien sind ja dann doch drauf angesprungen.
Weil man solche Entwicklungen nicht ignorieren darf. Wir haben die Pflicht, dem Zuschauer Klarheit zu bringen. Wie ist die Lage? Was unterscheidet Griechenland von Italien, was unterscheidet Italien von Deutschland? Wo steht Italien tatsächlich und gibt es einen berechtigten Grund, sich auf Italien einzuschießen? Hier gilt es dann auch diejenigen kritisch zu hinterfragen, die an den Schalthebeln sitzen. Das haben wir getan und ich denke nicht, dass wir dabei Horrorszenarien aufgebaut haben.
Man bekommt immer und immer wieder zu hören, wie schlimm doch alles sei - sonderlich beunruhigt scheinen die Deutschen aber nicht zu sein. Oder täuscht dieser Eindruck bei dem, was Sie täglich in der Redaktion erreicht?
Ich denke, dass vielen nicht bewusst ist, welche Auswirkungen manches hat, das derzeit in der Krise diskutiert wird. Wenn wir davon reden, was eine Umschuldung mit sich bringt, dass griechische Banken möglicherweise Pleite gehen und sie dann gestützt werden müssen - dann ist das oft wenig greifbar. Das ist dann auch eine Aufgabe von "Wiso", den Zuschauern klarzumachen, dass es Zusammenhänge gibt, dass wir alle in einem Boot sitzen. Fast alles, was diskutiert wird, hat schließlich Auswirkungen auf uns alle - auf Sie, auch mich.