
Mag sein, dass es so wirkt, aber wenn wir uns in den USA die Rolle der Tageszeitungen anschauen, vor allem der großen wie „New York Times“ oder „Washington Post“, dazu die Radio-Talk-Shows sowie die vielen Online-Dienste und Blogs, dann stellt man fest, dass auch dort intensive, meinungsbildende politische Diskussionen geführt werden. Aber Sie haben auch recht: das Fernsehen wird in den USA öfter als bei uns als Bühne für Streitgespräche und natürlich politische Werbung genutzt. Dazu kommen die Nachrichtensender, wo sehr kontrovers diskutiert wird; nicht wenige Amerikaner sind leider stärker an Meinungen als an Fakten interessiert. Bei der Tonlage, die dabei manchmal herrscht, bin ich wiederum ganz froh um die Diskussionskultur bei uns, die deutlich rationaler ausfällt.
Aber ist es wirklich so begrüßenswert, wenn in Deutschland alle Anchor bzw. wichtigen Journalisten Objektivität vorgeben? Ist das ehrlicher bzw. müssen wir das Publikum wirklich vor mehr Meinungsfreude im Nachrichtengeschäft schützen?
Natürlich wünsche ich mir eine freudige und lebendige Diskussionskultur, auch im Fernsehen. Aber so etwas muss auch sein Publikum finden. Vielleicht sind wir Deutschen eher konsensual veranlagt und wollen nicht den Krawall. Hier hört man sich zu und tönt nicht nur.
Bevor wir zurück nach Deutschland kommen, noch eine Frage zur US-Politik. Bei unserem letzten Gespräch in New York, am Vorabend der US-Präsidentschaftswahl, schien Barack Obama so etwas wie ein Weltpräsident zu werden. Inzwischen ist sein Zauber verflogen. Haben Sie damit gerechnet?
Ich möchte mich nicht hinstellen und sagen „Ich habe das geahnt“ – hinterher ist man immer schlauer. Aber in der Tat hätte ich mich gefreut, wenn einige der Themen, die Barack Obama zur Chefsache erklärte, auch wirklich schneller umgesetzt worden wären. Mit Vorschusslorbeeren sind wir alle nicht gerade geizig gewesen. Aber es war völlig klar, dass auch ein Obama in 12 Monaten nicht mal eben alle teilweise Jahrzehnte alten Probleme Amerikas lösen kann. Erst recht nicht in einem von der Wirtschaftskrise dominierten Jahr.
Zurück nach Deutschland. Die Wirtschaftskrise ist wie die Schweinegrippe ein für den Zuschauer nicht sofort einschätzbares Thema. Umso größer ist die Verantwortung der Medien, es angemessen zu vermitteln. Wurde da in diesem Jahr bei den beiden Themen immer der richtige Ton getroffen?
Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Berichterstattung der Medien sehr stark an den Einschätzungen und Handlungen der zuständigen Personen und Institutionen orientiert. Bei dem Thema Schweinegrippe war und ist die Verunsicherung ja auch deshalb so groß, weil von verschiedenen Seiten teils sehr konträre Meinungen geäußert wurden, die dann auch über die Medien verbreitet wurden. Aber es wäre auch keine Lösung, wenn man erst dann berichtet, wenn die Grippe-Saison vorbei ist und wir alle schlauer sind. Wir berichten, aber wir verbreiten keine Panik. Und weil die Antworten der Betroffenen bis jetzt nicht eindeutig und endgültig sind, bleibt uns das Thema auch noch erhalten.