Noch immer schaffen es längst nicht alle US-Serien zeitnah nach Deutschland. Der diesjährige Emmy-Abräumer „The Handmaid’s Tale“ gehört dazu. Die Hulu-Serie kommt erst Anfang Oktober zunächst exklusiv zu Telekom Entertain TV Serien. Kein Wunder also, dass der Triumph bei den Emmys bei einigen nicht ganz so leidenschaftlichen Serienfans mit einem Fragezeichen versehen war. Was ist eigentlich dieses „The Handmaid’s Tale“ Obwohl es in den USA exzellent besprochen wurde, ist das dystopische Drama bisher kaum in der deutschen Debatte angekommen. Zeit, das zu ändern. Denn wenn man eine Serie des Jahres 2017 gesehen haben muss, dann sicherlich diese.
„The Handmaid’s Tale“ erzählt von einer nicht genau definierten, nahen Zukunft: Ein totalitäres und streng religiöses System hat die Macht in den USA übernommen und die Vereinigten Staaten zu Gilead umbenannt. Fast alle Frauen sind in Folge von Umwelteinflüssen unfruchtbar geworden, nur die rotgekleideten Mägde, die titelgebenden „Handmaids“, können noch Kinder bekommen. Sie werden gezwungen bei reichen Familien zu leben, deren Männer in Hoffnung auf Nachwuchs und in Anwesenheit der Ehefrauen mit der Handmaid des Hauses schlafen. Im Hause von Commander Fred Waterford (Joseph Fiennes) lebt Desfred, also die Magd „des Fred“, gespielt von Elisabeth Moss. Sie hat Mann und Kind auf der misslungenen Flucht aus dem Unrechtsstaat Gilead verloren und lebt nun im Haus eines ranghohen Politiker der neuen Elite.
Auch wenn das nach Fiktion klingt, betont Autorin Margaret Atwood immer wieder, dass sie ihre Ideen in der Realität verankert hat. „Es gibt nichts in dem Buch, das nicht zu irgendeinem Zeitpunkt auf der Welt auch in Wirklichkeit passiert ist“, sagte sie zudem. In einem Artikel der "New York Times" erklärte sie, dass auch während der argentinischen Militärdiktatur ärmeren Familien die Kinder weggenommen wurden, ebenso den Ureinwohnern in Kanada und Australien. „Es wurde vermutlich verkauft als „Oh, wir geben diesen Kindern eine wunderbare Chance, wir schicken sie auf eine Schule.“ - Sehen Sie, wie gut das klingt?“, sagte Atwood der New York Times.
Ihr Buch, von dem sie spricht, ist bereits 32 Jahre alt: 1985 erschien der Roman in den USA, auf deutsch heißt er „Der Report der Magd“. Atwood hatte das Buch in West-Berlin geschrieben und auch ihre eigenen Eindrücke von Überwachung und Kaltem Krieg in die Vorlage einfließen lassen. 1990 gab es bereits eine Verfilmung mit Robert Duvall und Natasha Richardson, auch eine Oper und ein Ballett basieren auf dem Stoff. Seit dem Erfolg der Serie ist das in über 40 Sprachen übersetzte Buch in den USA wieder ein Bestseller. „Der Rahmen für das Buch war damals ein anderer“, erzählt Atwood nach der Emmy-Verleihung. „Weniger Menschen waren bereit, zu glauben, dass es wahr werden könnte - jetzt können es sich mehr Menschen vorstellen und genau das ist eine der wichtigsten Lektionen: Glaub niemals, dass es bei Dir nicht passieren kann.“
Für die Serie hat Showrunner Bruce Miller die Zeitebenen des Buches neu intepretiert. In der Vorlage, die 1985 erschien, lag der Unrechtsstaat Gilead in ferner Zukunft. Ein beängstigender Grusel der Serie liegt auch in der Tatsache, dass das utopische neue Regime nun eher in einer alternativen Jetztzeit verankert ist. In Rückblenden erfahren wir ebenso beängstigend, wie die totalitäre neue Regierung ihren perfiden Plan Schritt für Schritt umgesetzt und Frauen mehr und mehr unterdrückt hat. Viele dieser Szenen zählen zu den stärksten Momenten der Serie, beispielsweise wenn Offred unter ihrem alten bürgerlichen Namen June plötzlich aus ihrem langjährigen Job gefeuert wird - und mit ihr alle anderen Frauen im Unternehmen. Weil Frauen nicht mehr arbeiten dürfen. Wenig später werden alle Konten der Frauen eingefroren. All das wird erschreckend gemächlich und nachvollziehbar dargestellt. „Du willst einfach, dass sich eine solche Serie aktuell anfühlt, damit sie die Menschen berührt“, erklärte Showrunner Bruce Miller nach seinem Emmy-Gewinn in Los Angeles gegenüber DWDL.de.