Eine Stunde nach Beginn der 69. Emmys hat Donald Trump seinen Spitznamen weg: Alec Baldwin nennt ihn den „orangefarbenen Beagle“ und wichtig für seine Familie. Immerhin habe Baldwin mit seiner zweiten Frau drei Kinder in vier Jahren bekommen - aber seit Trump die US-Politik gekapert hat, sei Fernsehschauen eine „großartige Verhütungsmethode“, meint Baldwin unter Gelächter der Stars im Microsoft Theater in Los Angeles. Keine Frage: Donald Trump (der übrigens sogar Mitglied der Television Academy ist), hat diese Verleihung in Abwesenheit geprägt.
Als sich der Vorhang hebt, singt und tanzt Moderator Stephen Colbert nur teils fröhlich: „Im Fernsehen ist alles besser. Sogar Landesverrat sieht im Fernsehen so viel besser aus!“ Im folgenden Monolog lässt der Late-Night-Host nicht locker. Donald Trump sei für seine Realityshow „The Apprentice“ ja mehrfach für einen Emmy nominiert, hat aber nie gewonnen. „Hättet ihr ihm bloß einen Emmy gegeben - vielleicht wäre uns der Rest erspart geblieben.“ Und Colbert legt unter Jubel des Publikums und in Anspielung an die drei Millionen Stimmen, die Trump eigentlich hinter Hillary Clinton lag, nach: „Hier bei den Emmys gewinnt nur, wer tatsächlich die meisten Stimmen bekommt.“
Ob diese Emmys wohl das größte Publikum aller Zeiten haben werden, fragt sich Stephen Colbert. Zur Überraschung aller steht plötzlich Sean Spicer, der einstige Pressesprecher Trumps auf die Bühne, der in seiner kurzen aktiven Zeit mit allerlei Lügen auffiel und in "Saturday Night Live" von Melissa McCarthy parodiert wurde. Er bestätigte in Anspielung auf seine Äußerungen zur Amtseinführung Trumps: Dies sei das größte Publikum für die Emmys - vor Ort und rund um die Welt. Aus dem Publikum im Microsoft Theater kam verblüffter Applaus, aber online deuteten viele Zuschauer und auch Stars wie Zach Braff seinen Auftritt als Misston in einer sonst stimmigen Show.
Danach ging es auf der Bühne während der gesamten dreistündigen Verleihung mit viel Trump- und Gesellschaftskritik weiter, den Stars sind politische Kommentare in diesem Jahr ein spürbares Anliegen. Eine ganze Reihe von ihnen tragen schon auf dem roten Teppich sichtbar die hellblaue Schleife der Bürgerrechtsorganisation ACLU und prangern während ihrer Dankesreden auch immer wieder Missstände der Branche an - und das, ohne dass es die Verleihung allzu sehr nach unten zieht. So kritisch und relevant waren Preisverleihung zuletzt selten.
Da ist zum Beispiel „Master of None“-Autorin Lena Waithe, die erste farbige Siegerin in der Kategorie Comedy Writing. Sie hält eine engagierte Rede darüber, wie viel reicher Kultur wird, wenn auch LGBTQIA-Community und Farbige darin vorkommen. Riz Ahmed aus der HBO-Miniserie „The Night of“ dankt dem Innocence Project, das für irrtümlich Verurteile kämpft. Nicole Kidman wiederum betont, wie wichtig ihr war, dass sie den Schauspieler-Preis für die Miniserie „Big Little Lies“ gewinnt, die sich engagiert dem Thema Häusliche Gewalt widmet.
Alec Baldwin, der mit seiner Darstellung von Donald Trump bei „Saturday Night Live“ in den USA eine der meistdiskutierten Leistungen des gesamten Fernsehjahres lieferte, zieht nicht nur über Trump her, sondern redet auch der Branche ins Gewissen: Niemand erinnere sich im Moment seines Todes an eine Regierung oder irgendein Gesetz, sagt er. „Aber du erinnerst dich an ein Lied, an einen Film, ein Theaterstück, ein Gemälde, ein Gedicht. Was wir tun, ist wichtig. Das Publikum zählt auf euch!“
Bis zur letzten Sekunde der letzten Danksagung setzen sich solche Appelle fort: „Geht heim, bringt diese Sachen unter Dach und Fach. Wir haben so viele Dinge, für die wir kämpfen müssen“, sagt Bruce Miller, Produzent von „The Handmaid’s Tale“ als die Hulu-Serie am Ende der Verleihung den Hauptpreis gewinnt.