Seit einigen Tagen ist der Castingaufruf online: „Von Leinwandlegende Sylvester Stallone und ‚The Biggest Loser‘-Erfinder David Broome kommt eine neue Competitionshow, die alle Rekorde sprengen wird. Und Du kannst in Los Angeles als Kandidat mit dabei sein. In der Gameshow müssen die Kandidaten in einem noch nie dagewesenen Wettkampf ein gigantisches modernes Monster besiegen. Hier geht es nicht um einen Hindernisparcours. Hier geht es um: The Beast.“
Hinter der Suche nach besonders sportlichen Kandidaten aus Deutschland steht die Münchener Produktionsfirma SEO Entertainment („Das Lachen der Anderen“, „Zeit für Helden“), doch das Ungewöhnliche an dem etwas mysteriösen Casting-Aufruf: Produzieren wird das Unternehmen nicht. Viel mehr ist SEO Entertainment lediglich für das Casting deutscher Kandidatinnen und Kandidaten zuständig. Produziert wird „Ultimate Beastmaster“ von David Broome und dessen US—Produktionsfirma 25/7. Neben Broome ist auch Sylvester Stallone Executive Producer der Show.
In einem 90-sekündigen Video stellt der Schauspieler als Pate der Sendung das Konzept vor - ohne allerdings viel zu verraten. So bleibt auf den ersten Blick rätselhaft, warum eine US-Produktionsfirma nach deutschen Kandidaten sucht. Die FAQs der eingerichteten Seite für den Casting-Aufruf geben Aufschluss: 25/7 Productions lässt derzeit nicht nur in Deutschland nach potentiellen Teilnehmern suchen. Casting-Aufrufe laufen parallel auch in den USA, Mexiko, Brasilien, Japan und Südkorea.
Alle Aufrufe geben dabei das gleiche Produktionsdatum an: Zwischen 23. Mai und 3. Juni 2016 in Los Angeles. Wer also sucht Kandidaten auf vier Kontinenten für eine Action-Gameshow? Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de schweigen alle am Projekt beteiligten Unternehmen. Aus deutscher Sicht ist diese Verschwiegenheit nicht ungewöhnlich, steht doch bei uns meist den Sendern die Kommunikation neuer Projekte zu. In den USA allerdings sind Produktionsfirmen in der Regel selbstbewusster und weniger verschwiegen.
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Nur über „Ultimate Beastmaster“ will niemand reden. Liegt es am Auftraggeber? Hinter dem Projekt könnte nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de der Streamingdienst Netflix stecken. Jenes Unternehmen, das im Rahmen der Technikmesse CES Anfang Januar in Las Vegas nochmals sein Selbstverständnis als globales TV-Netzwerk bekräftigt hat. Dazu gehören mehr Genres als Serien. Eine Action-Gameshow mit Kandidaten aus verschiedenen Teilen der Welt passt dazu.
Bereits 2011 expandierte Netflix seinen Streaming-Dienst nach Lateinamerika - es war abgesehen von Kanada die erste große internationale Expansion des Unternehmens. Deutschland folgte 2014 und Japan 2015. In Südkorea, wo ebenfalls Teilnehmer für die Show gesucht werden, ging Netflix erst im Januar diesen Jahres an den Start. Für Netflix wäre „Ultimate Beastmaster“ neben Dokumentationen und der ewig geplanten Late Night mit Chelsea Handler ein neues Genre.
Netflix muss den globalen TV-Geschmack breiter als bisher bedienen
Eine Gameshow mag angesichts des aufgrund der vielen Serien-Projekte beschworenen New Golden Age of Television zunächst nach einer merkwürdigen Wahl klingen. Doch gerade mit der Expansion nach Asien muss der Streaming-Anbieter einen globalen TV-Geschmack bedienen - und Action-Gameshows sind in Asien bekanntlich höchst populär. Auch in den USA und sogar Deutschland glauben auch lineare Sender an ein Comeback des Genres. RTL etwa bereitet „Ninja Warrior“ vor.
Dagegen will „Ultimate Beastmaster“ mit dem größten und aufwändigsten Set punkten, das je für eine solche Gameshow gebaut wurde. Netflix könnte es sich leisten: Die weltweite Ausspielung refinanziert dann jedes noch so teure Set. Produktionsfirmen wie Endemol hatten bei ähnlichen Formaten („Wipeout“) auch schon globale Pläne, doch stand dabei stets ein Hindernis im Weg: In jedem einzelnen Fernsehmarkt musste zunächst einmal ein Abnehmer gefunden werden.
Das internationale TV-Formatgeschäft steht vor Veränderungen
Noch dazu wollen die Sender einzelner Fernsehmärkte stets Anpassungen an lokale Gepflogenheiten und Sendeschema vornehmen, so dass sich die Synergien bei der Bespielung eines Sets (bei „Wipeout“ stand es in Argentinien) nur bedingt ausspielen ließen. Format-Klassiker dieses Produktionsprinzips sind „Fort Boyard“ oder auch „I’m a celebrity - get me out of here“. Regionale Hürden gäbe es für Netflix nicht: Eine Fassung wird weltweit ausgespielt.
Im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de äußerten sich vergangene Woche einige deutsche TV-Produzenten skeptisch: Passen Gameshows zu einem Streaming-Anbieter der bislang bei fiktionalen Produktionen stets das Bingewatching kultiviert hat? Darüber hinaus hätte der internationale TV-Markt der vergangenen zwanzig Jahre gezeigt, dass selbst größte Format-Hits an Sehgewohnheiten des jeweiligen Marktes angepasst werden mussten.
Vorerst aber bleibt abzuwarten, wann die Beteiligten an dem Projekt ihr Schweigen brechen. Sollte „Ultimate Beastmaster“ die erste Gameshow von Netflix werden, dann wäre es ein Erdbeben im Lizenz-Geschäft non-fiktionaler TV-Formate mit unabsehbaren Folgen. Die kleinteilige, regional begrenzte Vermarktung von Formaten für einzelne Fernsehmärkte stünde damit dem neuen Modell des globalen TV-Netzwerks Netflix gegenüber.