Es waren chaotische Szenen, die sich in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof abspielten. Die Rede ist von "Straftaten in einer völlig neuen Dimension" - mehrere dutzend Anzeigen sind inzwischen eingegangen. Umso überraschender liest sich rückblickend eine Pressemitteilung, die die Kölner Polizei am Neujahrsmorgen verschickte. Darin war zwar von einer Räumung des Bahnhofsvorplatzes die Rede, nicht aber von den Übergriffen, die im weiteren Verlauf der Nacht stattfanden.
"Trotz der ungeplanten Feierpause gestaltete sich die Einsatzlage entspannt - auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte", war in der Mitteilung vom 1. Januar zu lesen. Auf einer Pressekonferenz von Polizei und Oberbürgermeisterin Henriette Reker räumte Polizeipräsident Wolfgang Albers am Dienstag Fehler ein. "Die erste Auskunft war falsch", sagte Albers. "Es ist nicht in Ordnung, dass das passiert ist." Man habe die Informationen zunächst nicht zusammengeführt. Ohnehin sei das Ausmaß erst im Laufe des nächsten Tages klar geworden.
Einen Fehler räumte unterdessen auch das ZDF ein. Der Sender hatte sich am Montag gegen einen Bericht in der Hauptausgabe der "heute"-Nachrichten entschieden. "Die Nachrichtenlage war klar genug. Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-'heute' die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat", erklärte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen auf Facebook. "Die 'heute'-Redaktion entschied sich jedoch, den geplanten Beitrag auf den heutigen Tag des Krisentreffens zu verschieben, um Zeit für ergänzende Interviews zu gewinnen. Dies war jedoch eine klare Fehleinschätzung."
Ohnehin hatte es erstaunlich lange gedauert, bis die nationalen Medien das Thema großflächig aufgriffen. Die "Kölnische Rundschau" hatte schließlich schon am Samstag von knapp 30 Betroffenen berichtet, die bei der Polizei Köln und der Bundespolizei Anzeige erstattet hätten. Dass die Vorgänge erst zu einem derart späten Zeitpunkt von großen Medien beachtet wurden, hängt aber wohl auch mit der anfänglich zurückhaltenden Darstellung der Polizei zusammen. Für diesen Dienstag hat das ZDF nun übrigens ein "ZDF Spezial" angekündigt, im Ersten gibt es im Anschluss an die "Tagesthemen" ab 23:05 Uhr eine Sondersendung zu den Vorfällen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof zu sehen.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verteidigte indes die zunächst zurückhaltenden Berichte über die Vorfälle. "Journalisten müssen informieren, aber nicht spekulieren", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag. Nur spärlich seien Informationen über gewalttätige Ausschreitungen durchgesickert. Dass es sich bei den Tätern um Bewohner von Flüchtlingsheimen mit nordafrikanischer Herkunft handeln solle, sei bis jetzt nicht polizeilich bestätigt, betonte Überall mit Blick auf Vorwürfe einer angeblichen Parteilichkeit für Flüchtlinge. "Eine nicht durch solide Recherchen gedeckte Verdachtsberichterstattung ist nicht nur unvereinbar mit den Prinzipien des professionellen Journalismus, sondern auch innenpolitisch brandgefährlich."