"Ich will Millionen Likes", sagt ein junge Frau in einem der Trailer, die RTL vor wenigen Monaten in der Hoffnung ausstrahlte, geeignete Bewerber für die neue Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" zu finden. Ein anderer betont, er wolle "mal richtig die Sau rauslassen". Der Wunsch, Sänger zu werden, scheint bei "Deutschland sucht den Superstar" mittlerweile also nicht mehr an allererster Stelle zu stehen. Alleine an diesen Aussagen lässt sich schon erkennen, dass die Castingshow, die einst mehr als zehn Millionen Zuschauer vor dem Fernseher fesselte, mittlerweile nur noch wenig mit ihren Anfängen zu tun hat.
Dass vermutlich nur ausgewiesene "DSDS"-Experten sämtliche Gewinner der elf absolvierten Staffeln auf die Reihe kriegen, hält den taumelnden Marktführer jedoch nicht davon ab, im Januar mit "DSDS" in die zwölfte Runde zu starten, bei der - natürlich - mal wieder vieles anders werden soll. Abgesehen von Dieter Bohlen. "Ich bin davon überzeugt, dass Formate mit der Zeit und dem Geschmack gehen müssen", sagt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de, angesprochen auf die sich ständig drehenden Stellschrauben bei "Deutschland sucht den Superstar". "Auch wenn die Veränderungen anfangs nur klein schienen, in der Summe sind sie über nunmehr zwölf Jahre deutlich, drastisch und erfolgsgarantierend."
Tatsächlich kommt die Abschaffung der Studio-Shows einer echten Revolution gleich. Da gerät es beinahe zur Nebensächlichkeit, dass der bald 76-jährige Heino ab Januar an Bohlens Seite Platz nehmen wird. Dass "Deutschland sucht den Superstar" einst vorsah, das Talent der Kandidaten über Wochen hinweg in sogenannten Mottoshows zu prüfen, ist längst in den Hintergrund geraten. Was zählt, sind im Zweifel eben die Likes - und nicht so sehr der Gesang. Von der "Format-Bibel", die das Konzept der Sendung festschreibt, hat sich die Show im Laufe der Jahre immer weiter entfernt. An den leidigen "Fickfrosch" oder Recalls im Warmen hat Simon Fuller ganz sicher nicht gedacht, als ihm einst die Idee zu "Pop Idol" kam.
"Wir geben Anfängern eine große Bühne - das ist das Herzstück von 'DSDS' und daran ändern wir nichts", antwortet Ute Biernat, Geschäftsführerin der Produktionsfirma UFA Show, auf die Frage, wie wichtig die "Format-Bibel" heutzutage noch ist. "Bei uns stehen keine erfahrenen Sänger auf der Bühne, wir geben jungen Gesangstalenten eine Chance. Jeder Sänger, jede Sängerin kann sich bewerben und hat die Chance, seinen oder ihren Traum zu leben. Das hat 'DSDS' schon immer ausgemacht und das ist auch weiterhin das Konzept." Der Auswahlprozess könne jedoch ganz unterschiedlich sein. "Neu ist, dass wir im kommenden Jahr mit dem Nightliner auf Tour gehen und die Kandidaten dann von Beginn an auf großer Tournee sind."
"Gerade weil wir permanent an dem Format arbeiten, ist 'DSDS' weiterhin so erfolgreich."
Ute Biernat, Geschäftsführerin UFA Show
In der zwölften Staffel entwickelt sich "Deutschland sucht den Superstar" so gesehen ein Stück weit in Richtung "Popstars", das die Geschichte der Kandidaten in der Vergangenheit ebenfalls fast ausschließlich im Dokusoap-Stil erzählte. Ein Ende von "DSDS" sieht Ute Biernat noch lange nicht gekommen: "'DSDS' startet im Januar in die zwölfte Staffel - das ist doch der beste Beweis dafür, dass wir es schaffen, die Sendung jedes Jahr aufs Neue frisch zu halten", sagt sie. "Gerade weil wir permanent an dem Format arbeiten, ist 'DSDS' weiterhin so erfolgreich." Ganz freiwillig kommt der Abschied aus dem Studio selbstverständlich nicht, immerhin haben die Zuschauer den Verantwortlichen in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu verstehen gegeben, dass sie die auf Hochglanz getrimmten Live-Shows nicht mehr sehen möchten.
Darauf reagiert RTL mit Beginn des neuen Jahres in radikalst möglicher Weise. "Wir wollen weg von den etwas statischen Abläufen einer 'klassischen' Live-Show hin zu einem 'DSDS'-Event an vier Samstagen, bei dem wir nicht durch Clubs 'tingeln', sondern an besonderen Orten in einer Größenordnung vor 2.000 und mehr Fans eine Bühnenshow präsentieren", erklärt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger das neue Konzept und möchte den Verzicht auf die Studio-Shows nicht als Sparmaßnahme verstanden wissen. "Die Motivation war rein inhaltlich", beschwichtigt er auf DWDL.de-Nachfrage, "denn das, was man von außen betrachtet vermeintlich 'sparen' könnte, investieren wir in den sehr aufwändigen Recall und die vier Final-Events am Ende der Staffel".
Die "DSDS"-Jurymitglieder Dieter Bohlen, Heino, Mandy Capristo und DJ Antoine in Thailand
Dass die Mittel, die Show immer wieder neu zu erfinden, womöglich bald erschöpft sein könnten, glaubt Sänger nicht. Und doch denkt er auch an eine Zeit nach "Deutschland sucht den Superstar". "Wir würden unsere Arbeit nicht richtig machen, wenn wir nicht beides täten", betont er, gibt gleichzeitig aber zumindest indirekt zu, dass RTL auf die "Superstar"-Suche in absehbarer Zeit nur schwer verzichten können wird. Ein Ersatz, mit dem sich derart viele Abende bespielen ließen, ist jedenfalls nicht in Sicht. Und die große Frage, was nach Casting komme, könne momentan niemand beantworten, so Sänger. "Ich würde Casting auch gar nicht stigmatisieren, sondern mich eher damit beschäftigen, in welchen Prozess der Eigenentwicklung man gehen muss, um neue 'Spielarten' zu finden."
Wohin es führt, wenn nicht kontinuierlich am Konzept geschraubt wird, zeigt der Blick in andere Länder. "'Pop Idol' hat sich nicht immer nur weiterentwickelt, sondern wurde - außer in den USA und in Deutschland - sogar von 'X Factor' abgelöst", betont der RTL-Unterhaltungschef. Auch Produzentin Ute Biernat weist gegenüber DWDL.de auf die zahlreichen Veränderungen hin, etwa die in der letzten Staffel eingeführten Challenges oder nun eben die Tour, die die Kandidaten auf die ganz großen Bühnen führe. Und so müssen Bohlen, Heino und die anderen Juroren diesmal auf Elefanten reiten und sich die Kandidaten in Ischgl auf der Bergspitze behaupten. "Lebenserhaltende Maßnahmen" seien das, sagt Tom Sänger und ist überzeugt: "Hätte man ''DSDS' nicht verändert, gäbe es 'DSDS' zu 100 Prozent nicht mehr im zwölften Jahr auf dem deutschen Markt."