In der Belegschaft von N24 einen einhelligen Tenor zur Übernahme durch den Axel Springer Verlag herauszuhören, ist auch am Morgen nach der überraschenden Meldung vom Montag schwer. Nach zuletzt angedeuteten Sparmaßnahmen bewertet die Mehrheit der von DWDL.de befragten Mitarbeiter den Deal als gute Sicherung des Nachrichtensenders in einem rauen Marktumfeld, das für Einzelkämpfer, wie es N24 in den vergangenen dreieinhalb Jahren war, unbequem werden kann. Diese Perspektive teilt schließlich auch N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann, der das in seinem Statement zum Verkauf an Axel Springer durchklingen lässt, wenn er sagt, dass man für eine „nachhaltige Zukunft“ einen „starken Partner“ brauche. Nicht zuletzt der sehr späte Relaunch des gesamten N24-Internetauftritts habe die Grenzen eines mittelständischen Unternehmens in diesem Wettbewerbsumfeld demonstriert, urteilte ein N24-Mitarbeiter.
Auch da spielte Torsten Rossmann schon im DWDL.de-Interview im April diesen Jahres mit offenen Karten. „Nach dem Management-Buyout mussten wir uns zunächst voll auf den TV-Bereich konzentrieren. Online haben wir zunächst hintenan gestellt. Dass unser Geschäftsmodell für N24 bislang aufgegangen ist, hat uns den erforderlichen Spielraum für – zugegebenermaßen überschaubare – Investitionen eröffnet“, so der N24-Geschäftsführer vor acht Monaten. Und aktuell ergänzt N24-Sprecherin Kristina Faßler mit ähnlichem Tenor auf DWDL.de-Anfrage: „Unabhängigkeit ist ganz sicher reizvoll. Allerdings macht sie auch nur Sinn, wenn sie dem Unternehmen auch eine nachhaltige Zukunft bietet. Die Digitalisierung der Medien und die Mediennutzung verändern sich so schnell, dass es strategisch der richtige Schritt ist, ein wirklich multimediales Nachrichtenunternehmen aufzubauen.“
Ein im Digitalen so gut aufgestelltes Print-Haus wie Axel Springer erscheint da in der Tat als naheliegender Partner, der ergänzen kann, was in der unabhängigen Eigenständigkeit nicht oder nur verspätet bzw. mit begrenzten Mitteln möglich war. Doch gerade diesen Verlust der Eigenständigkeit bedauert mancher N24-Mitarbeiter. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Tatsache, dass es ausgerechnet Axel Springer sei. Schließlich arbeitete N24 schon über Jahre hinweg eng etwa mit Bild.de zusammen und stellte der Website Livestreams des TV-Programms zur Verfügung. Auch wenn Bild.de selbst inzwischen beträchtliche Mengen Bewegtbild produziert, kann N24 hier weitaus mehr bieten. „Nachrichten sind Must-see-TV. Gerade bei großen Nachrichtenereignissen werden lineare Nachrichtenangebote sehr stark nachgefragt. Weil man wissen muss und will, was los ist – so wie auch große Sportereignisse eher Must-See-TV sind. Wichtige Dinge wollen wir einfach in Echtzeit erfahren“, sagte Torsten Rossmann gegenüber DWDL.de. Dieses Asset wirft der Nachrichtensender in die Waagschale des Deals mit Springer.
Manchem N24-Mitarbeiter ist die Schilderung der geplanten Multimedia-Redaktion und Zusammenführung bislang jedoch noch zu blumig umschrieben. Befürchtet werden bei der konkreten Umsetzung Einsparungen und Einmischung. Welche Auswirkungen die Übernahme auf das Programm des TV-Senders N24 haben könnte, will und kann Sendersprecherin Faßler nicht einschätzen. Nur so viel sagt sie: „Von einer Stärkung der Marke N24 in der digtalen Welt profitiert ganz sicher auch der Sender N24.“ Die Kooperation in der Börsenberichterstattung mit dem Deutschen Anlegerfernsehen (DAF) laufe weiter wie gehabt. Auch wenn die Tonalität diesmal insgesamt deutlich positiver ausfällt als in den für den Nachrichtensender so unruhigen Jahren 2009 und 2010 als sich ProSiebenSat.1 von dem Kanal trennen wollte, so dominiert kurz nach dem Bekanntwerden trotzdem die Unsicherheit.
Trost für die Mitarbeiter und gleichzeitig ein Geschenk für Axel Springer kommt da ausgerechnet vom früheren Besitzer: Der ProSiebenSat.1 Media AG. Die hat die Zulieferungsverträge für die Informationsprogramme der Sendergruppe verlängert. Jene Aufträge zur Produktion der Informationsprogramme der ProSiebenSat.1 TV Deutschland sicherten N24 überhaupt erst den Weg in die Unabhängigkeit und waren Grundlage für das Management-Buyout vor dreieinhalb Jahren. Sie sicherten N24 nicht unerheblichen Umsatz. Dieser Deal lief ursprünglich bis 2016. Jetzt wurde er rechtzeitig zur Übernahme des Nachrichtensenders durch Axel Springer bis 2019 verlängert. „Wir sind mit der Zusammenarbeit mit N24 sehr zufrieden“, lässt ProSiebenSat.1 Media AG-Konzernsprecher Julian Geist gegenüber DWDL.de wissen.
Dieser garantierte Umsatz aus dem verlängerten Deal mit ProSiebenSat.1 dürfte dem Verlagshaus Axel Springer den Kauf von N24 zusätzlich versüßt haben. Erst recht, wenn der Kaufpreis - wie vom „Handelsblatt“ spekuliert - bei weniger als 120 Millionen Euro liegen sollte. Nur eine Herausforderung dürfte Axel Springer noch Kopfschmerzen bereiten: Die komplizierten Vermarktungsrechte bei den Angeboten von N24. Fernsehwerbung bei N24 wird vom gerade neu gegründeten Eigenvermarkter thads.media verkauft, der aus dem Vermarktungsteam von iq media hervorging, die seinerzeit auf SevenOne Media nachfolgten. Da besteht ein Vermarktungsvertrag über drei Jahre für die Werbezeiten, beginnend am 1. Januar 2014. Das Online-Angebot von N24 wiederum wird noch bis 31. Dezember 2017 vom alten Partner SevenOne Media vermarktet und die mobilen Angebote bis Ende 2014 wiederum von YOC. Dieser auf den ersten Blick so passende Deal wird also zumindest kein Selbstläufer. Einige knifflige Herausforderungen gilt es zu meistern.
Doch das sind in Anbetracht der Gesamtstrategie von Springer-Chef Mathias Döpfner kleine Hürden. Die Übernahme und Integration von N24 ist ein weiteres entscheidendes Puzzle-Teil für das neue Bild von Axel Springer: Aus einem Zeitungshaus mit zaghaften Verlängerungen in Online und TV wird durch die Trennung von manchen gedruckten Titeln und den Zukauf von TV-Kompetenz ein multimediales Medienhaus. Das klingt zwar furchtbar nach 90er Jahre, aber umschreibt es halt trotzdem sehr passend. Man wandelt sich in einem bemerkenswerten Tempo statt genau darüber zu lamentieren und legt dabei sogar eine nachvollziehbare Strategie vor. Nur Stefan Aust bei Springer - das ist ein Aspekt des Deals, der manchen alten Haudegen in der Branche noch immer irritiert.