Vor ein paar Tagen sagte "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann im "Handelsblatt" einen schönen Satz, als er auf die Pläne angesprochen wurde, künftig im Netz die Bezahlschranke fallen zu lassen. "In einer Kneipe redet ja auch niemand von einer Bezahlschranke, sondern bestenfalls von einem Tresen." Doch welches Wort man auch immer verwenden möge: Abgerechnet wird bei "Bild.de" künftig trotzdem - und zwar schon ab dem 11. Juni. Dann nämlich startet mit "Bild Plus" das Modell, mit dem Springer künftig neue Einnahmequellen im Internet erschließen möchte. Mit dem neuen Konzept wolle man, so heißt es bei Springer, die Zeitung und alle digiitalen Plattformen zu einem umfassenden Abo-Angebot verbinden und gleichzeitig ein Bezahlmodell für journalistische Inhalte im Internet einführen. So weit zumindest der Plan.
Der Verlag kündigte bei der Präsentation am Montagabend ein Freemium-Modell" an. Will heißen: Es werden in Zukunft kostenfreie und kostenpflichtige Inhalte parallel angeboten werden - alles andere wäre vermutlich auch zu gewagt gewesen. Kostenlose Konkurrenz gibt es schließlich genug. "Für die reinen Nachrichten muss der User nichts bezahlen. Aber das, was nur 'Bild' kann und nur 'Bild' hat, die exklusiven Geschichten, die besonderen Interviews und Hintergründe, die einzigartigen Fotos - das sind zukünftig 'Bild Plus'-Inhalte." Das Abo wird dabei in drei Varianten erhältlich sein. Jedes Paket enthält grundsätzlich den freien Zugang zu allen 'Bild Plus'-Inhalten auf "Bild.de" - und zwat sowohl stationär und mobil, sowie zu allen 'Bild'-Apps. Außerdem können die ePaper-Ausgaben aller Regionalausgaben sowie der "Bild am Sonntag" und darüber hinaus sogar die gedruckte Zeitung dazu gebucht werden.
Das alles hat seinen Preis: 4,99 Euro kostet das Paket "Bild Plus Digital", das den Zugang über Web, Smartphone und Tablet-Apps umfasst. Für 9,99 Euro gibt es zusätzlich Zugriff auf die digitale Zeitung - dieses Paket nennt sich "Bild Plus Premium". "Bild Plus Komplett" schlägt zudem mit 14,99 Euro zu Buche und umfasst dann auch noch ein Kiosk-Abo der gedruckten Zeitung in Form eines Gutschein-Hefts. Jeder neue Abonnent kann "Bild Plus" übrigens erst mal für 99 Cent einen Monat lang testen. Es sind also spannende Experimente, die Springer wagt. Zunächst einmal muss sich zeigen, ob die Nutzer überhaupt dazu bereit sind, für Boulevard-Inhalte im Netz zu zahlen. Alleine darauf will man aber nicht vertrauen. Ein zentrales Element von "Bild.de" wird künftig ohne Zweifel das neue Bundesliga-Angebot sein, das sich Springer noch einmal extra bezahlen lässt.
Ab August können Fußball-Fans zusätzlich zu einem der regulären Abo-Pakete das Paket "Bundesliga bei Bild" für 2,99 Euro pro Monat hinzubuchen - einzeln ist es nicht zu haben. Wer sich dafür entscheidet, kann die Zusammenfassungen der Spiele aus der 1. und 2. Bundesliga noch ansehen, bevor die "Sportschau" im Ersten läuft. Ob ein paar Minuten Vorsprung reichen, um die Fans scharenweise ins Netz zu locken, bleibt abzuwarten. Ab Mitternacht sind die Zusammenfassungen übrigens ohnehin kostenfrei - von diesem Moment an sollen sie sich über Werbung finanzieren. Es ist allerdings eine Strategie, mit der "Bild" nicht alleine ist: Auch die britische "Sun" plant derzeit Ähnliches. "'Bild Plus' ist ein Paradigmenwechsel hin zu einer Bezahlkultur für journalistische Inhalte im Internet", so Donata Hopfen, Geschäftsführerin Bild Digital. Zugleich hofft sie, damit die Marktführerschaft auszubauen - ob es beim Wunsch bleibt, wird man erst noch abwarten müssen.
"Das Projekt hat durch seinen hohen Grad an Komplexität und Innovation alle Mitarbeiter gefordert und einen Veränderungsprozess eingeleitet, der die Basis für den Erfolg der 'Bild'-Marke in der Zukunft sein wird." Andreas Wiele, Vorstand "Bild"-Gruppe sieht in der Einführung des Bezahlmodells jedenfalls einen wichtigen Schritt für die Zukunft. "Unabhängiger Journalismus hat in der digitalen Welt nur eine Chance, wenn er wie auch im klassischen Printgeschäft über Anzeigen- und Vertriebserlöse finanziert wird." Um die Veränderungen herbeizuführen, wurden bei "Bild" auch Konferenzen, Ressorts und Redaktionsabläufe neu strukturiert. "Früher ging es darum, wie wir ein Thema für Online und wie für die Zeitung inszenieren. Jetzt konzentrieren wir uns zusätzlich darauf, Geschichten so zu erzählen, dass sie dem Leser auch im Netz Geld wert sind", so Marion Horn, Stellvertreterin des "Bild"-Chefredakteurs.
Und es wurde investiert - beispielsweise in ein neuartiges Druckverfahren. In jeder "Bild"-Zeitung gibt es künftig nämlich einen eingedruckten "Tagespass". Mit diesem erhalten Kioskkäufer am jeweiligen Tag kompletten Zugriff auf alle digitalen Inhalte von "Bild Plus". Das Druckverfahren ermöglicht es erstmals, in jede einzelne Zeitung einen individuellen Code einzudrucken. Dafür stattete Axel Springer in 13 Druckereien insgesamt 33 Rotations-Druckmaschinen mit einer neuen Hochleistungs-Inkjet-Technologie aus. Die gute, alte Zeitung soll also nicht vernachlässigt werden, auch wenn einem dieser Eindruck bei all den digitalen Neuerungen durchaus in den Sinn kommen kann.