Man weiß nicht wirklich, nach welchen Kriterien die Wiederholungen von „Tatort“-Folgen ausgewählt werden. Schüttelt man einfach irgendeinen großen Topf und schaut dann, welche Episode auf welchen Sendeplatz fällt? Irgendwie muss es so sein, denn wenn man sich anschaut, mit welcher Wiederholungsware der Ostersonntag bestückt wurde, kommt man leicht auf die Idee, dass es die große Qualität nicht sein kann.
Vor gerade mal 20 Monaten lief die Bremer Episode „Hochzeitsnacht“ zum ersten Mal. Nicht einmal zwei Jahre danach ist sie schon wieder im Programm, obwohl sie erst im Januar im WDR-Dritten gesichtet wurde. Rechnen die Verantwortlichen so sehr mit der Vergesslichkeit ihres Publikums? Oder halten sie die Zuschauer schlichtweg für doof? Ich bin da sehr unentschieden in meiner Beurteilung.
Man sieht nun also zum zweiten Mal, wie Inga Lürsen und ihr Assistent Stedefreund zu einer Hochzeitsfeier fahren, wie sie auf einem Dort landen in einem entlegenen Gasthof. Der wird allerdings während der Feier abgeriegelt von zwei vermummten Gestalten, die fortan den Feiergästen die Nacht zur Hölle machen. Schnell kristallisiert sich heraus, dass einer der beiden Gangster ein ehemaliger Dorfbewohner ist. Er wurde wegen Mordes an seiner Freundin Carola verurteilt und musste neun Jahre Haft absitzen. Da er der festen Überzeugung ist, dass er es nicht war, muss es jemand anderes gewesen sein aus dem Dorf. Und da praktischer Weise fast alle Dorfbewohner zur Hochzeit geladen sind, hat er sie nun alle vor Ort und beginnt mit seinen brutalen Verhören.
In die mischt sich natürlich Inga Lürsen ein, die als Kriminaltante vom Dienst zusätzlich misstrauisch wird, als plötzlich der Vater des Bräutigams tot am Fuß einer Treppe aufgefunden wird. Die Vermummten können es nicht gewesen sein, weshalb auch Lürsen ganz offensichtlich davon ausgeht, dass Carolas Mörder weiter sein Unwesen treibt.
Das hätte trotz der tantigen Penetranz, mit der Sabine Postel ihre Inga Lürsen ausstattet, ein schönes Kammerspiel werden können. Menschen sind eingeschlossen. In Not. Bedroht. Und sie können sich nur retten, wenn sie den Mörder aus ihrer Mitte preisgeben. Das hätte funktionieren können. Hätte, hätte usw…
Leider vermasseln der Autor Jochen Greve und der Regisseur Florian Baxmeyer das Ganze, indem sie die Glaubwürdigkeit des Settings durch jede Menge Unwahrscheinlichkeiten torpedieren. Schon die Auswahl des als Mörder verurteilten und nun zurückgekehrten Dorfbewohners erweist sich als Fehler, weil man schon in der ersten Minute sieht, dass die Vermummung nicht zu den braven Augen passt. Auch nach der Enttarnung bleibt die Figur so unglaubhaft wie viele andere auch. Dieses nach neun Jahren Knast außerordentlich geschniegelt wirkende Bürschchen soll mal das Sorgenkind des ganzen Dorfes gewesen sein? Absurd.
Dazu kommt, dass Lürsen-Assi Stedefreund ganz zufällig der Belagerung entkommen ist. Aus unerfindlichen Gründen muss er einem Hund nachjagen über norddeutsche Felder und dabei seine Hose im Wasser verlieren. Danach entdeckt er den Überfall, ist aber nicht nur hosenlos, sondern auch unbewaffnet. Sein Handy hat kein Netz. Provinz halt. Die örtlichen Telefonleitungen haben die Gangster vorab gekappt.
Trotzdem gelingt es Stedefreund, Hilfe zu holen. Es rückt eine SEK-Einheit an, die so tapsig vorgeht, dass dagegen ein Elefant im Porzellanladen als Sensibelchen durchginge. Im Prinzip müsste die Bremer Polizei mal prüfen, ob sie gegen diesen „Tatort“ möglicherweise wegen Rufschädigung vorgehen kann, denn wenn die Beamten nur halb so dämlich sind wie sie dort dargestellt werden, dann würde das einen respektablen Auswanderungsgrund darstellen.
Das hätte wie gesagt ein Kammerspiel werden können, ein Thriller gar, wenn nur ein bisschen Mühe im Spiel gewesen wäre, ein wenig Sorgfalt, ein Hauch von Ehrgeiz. So aber ist es Ramschware geworden, bei der tatsächlich egal ist, wann und wie oft man sie im Programm abnudelt. Im Prinzip ist die Ansetzung an einem Ostersonntag auch sehr erhellend. Es zeigt sich halt, wie egal den Verantwortlichen das Programm in Wahrheit ist.