Eines vorweg: Ich mag "Wer wird Millionär?". Auch 17 Jahre nach dem Start erfreue ich mich immer wieder daran, dieses fabelhaft Quiz mit Günther Jauch zu sehen, dessen Regelwerk doch ebenso simpel wie genial ist. Sicher, nach all den Jahren bin ich längst nicht mehr bei jeder Folge dabei, doch es ist stets gut zu wissen, dass diese feine Sendung - anders als in ihrem Ursprungsland England übrigens - noch immer Teil des Fernsehprogramms ist. Selbst die inzwischen eingeführten Specials, die die Lebensdauer künstlich verlängern sollen, konnten mich nicht vergrätzen, weil RTL glücklicherweise schnell von der Nonsens-Idee abgekommen ist, ein Zeitlimit bei der Beantwortung der Fragen einzuführen. Mit Überraschungs- oder Zocker-Specials dagegen kann ich ganz gut leben.
Nur an zwei Abenden im Jahr muss ich mich regelmäßig quälen, wenn "Wer wird Millionär?" auf dem Programmplan steht. Es sind jene Abende, an denen prominente Gäste für einen guten Zweck um die Million spielen. Und das liegt noch nicht mal zwangsläufig an den Kandidaten selbst, die ja bisweilen durchaus unterhaltsam sein mögen - wenngleich selbst der unterhaltsamste Promi kaum mithalten kann mit jenen Momenten, in denen für Normalos wie Jauchs jüngsten Millionen-Gewinner Leon Windscheid so vieles auf dem Spiel steht. Tatsächlich boten die Prominentenspecials in der Vergangenheit immer wieder legendäre Momente: Gerne denke ich etwa an die Auftritte von Harald Schmidt, Rudi Carrell oder Hape Kerkeling in seiner Paraderolle Horst Schlämmer zurück.
Ich könnte aber ja sogar mit Teilnehmern wie den leider stets so schrecklich überdrehten Ralf Schmitz leben, der am Montag bei der mittlerweile 32. Auflage der prominenten RTL-Raterei mitwirkte, wäre da nicht die doch sehr äußerst lockere Auslegung des Regelwerks, bei der vorzugsweise in den unteren Gewinnbereichen gerne mal getuschelt wird was das Zeug hält. Das ist nach all den Jahren ebenso ermüdend wie vorhersehbar. Daran hat man sich aber gewissermaßen gewöhnen können, zumal RTL die Tuschel-Dosis offenkundig ein gutes Stück eingedämmt hat. Störender ist ohnehin ein anderer Punkt: Mag sein, dass ich die ersten Prominentenspecials in der Retrospektive als viel spannender in Erinnerung habe als sie in Wirklichkeit waren, doch ich meine mich erinnern zu können, dass "Wer wird Millionär?" in den Anfangstagen selbst bei namhaften Teilnehmern eher darauf bedacht war, diese auch mal bei vergleichsweise niedrigeren Gewinnbeträgen ins offene Messer laufen zu lassen.
Mit einem dreistelligen Euro-Betrag hat freilich bislang noch keiner der Promis den heißen Stuhl im Hürther Studio verlassen müssen, was nun gegen meine These sprechen könnte, schließlich ist es eher unwahrscheinlich, dass all die bekannten Gesichter seit Ausstrahlung des ersten Prominentenspecials im Herbst 2000 so klug quizzten, dass ihnen der Absturz auf 500 Euro automatisch verwehrt bleiben musste. Doch die Tatsache, dass seit nunmehr acht Jahren mit Ausnahme von Horst Lichter sämtliche Promi-Ratefüchse mindestens 64.000 Euro erspielten und damit immerhin zwölf Fragen richtig beantworteten, legt den Verdacht nahe, frühe falsche Antworten seien von Sender, Moderator oder gar beiden schlicht gar mehr nicht gewollt.
Gut möglich, dass ich den Prominenten an dieser Stelle Unrecht tue und sie alle sich seither in geradezu sensationeller Weise durch Günther Jauchs Fragenkatalog spielten oder im entscheidenden Moment die Weitsicht hatten, mit ihrem bis dato erspielten Betrag aufzuhören - doch alleine der bestehende Verdacht, ein Sturz auf 16.000 Euro werde inzwischen bewusst verhindert, ist tödlich für die Sendung, die doch so bis zu einem Grad auch von ihrer Spannung und Unberechenbarkeit lebt. Um nicht zu sagen: Es macht die auf eine Länge von drei Stunden ausgedehnten Specials gerne mal todlangweilig. Das Problem zeigte sich auch bei der jüngsten Ausgabe wieder mehr als deutlich, in der Stefan Kretzschmar unter regulären Bedingungen vermutlich eher nicht bis 64.000 Euro durchgespielt hätte.
Als es bei 32.000 Euro um die Frage ging, wobei traditionell kleine Rechen als "Erntehelfer" zum Einsatz kommen, entschied sich der frühere Handball-Profi trotz eines wenig hilfreichen Publikumsjokers für Oliven, obwohl doch streng genommen noch die Möglichkeit bestand, den Telefonjoker zu nehmen. Aber spätestens als Günther Jauch ihn nach minutenlangem Rätseln fragte, ob er es nicht doch riskieren wolle, schien klar zu sein, dass sich Kretzschmars tatsächliches Risiko zu scheitern in argen Grenzen halten würde. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Oliven waren richtig und machte den Weg frei für seinen späteren Gewinn in Höhe von 64.000 Euro.
Dass Kretzschmar bei der folgenden Frage erfolgreich zockte, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Fraglich ist jedoch, ob er im Falle einer möglichen falschen Antwort nicht doch eher am Einloggen gehindert worden wäre - allein, mir ist nach all den Jahren leider der Glaube daran abhanden gekommen, zumal sich die identische Situation nur eine Runde später auch bei Laura und Jörg Wontorra zutrug. Nun will ich mich gewiss nicht in Verschwörungstheorien verstricken und zwangsläufig in jeder Ausgabe einen oder gar mehrere Promis scheitern sehen. Und gerade weil für einen guten Zweck gespielt wird, ist es natürlich richtig, RTL so gut es geht zu schröpfen. Das geht jedoch nach all den Jahren leider zunehmend auf Kosten der Spannung.
Wenn im Herbst das nächste Prominentenspecial bei "Wer wird Millionär?" ansteht, werde ich daher vermutlich lieber einen guten Film einlegen - in der Hoffnung, dass zumindest dort der Ausgang bis zum Ende ungewiss ist.