"Ich bin richtig froh, dass ich erst'n paar Jahrhunderte später Koch geworden bin", sagt Christian Rach als Küchenknecht verkleidet und hängt den Topf tiefer übers Feuer, damit die Suppe schneller kocht. Gerade hat er, zurückgereist in die Vergangenheit, sein Hühnchen zu Ende gerupft und sich vom Küchenchef auf Schloss Rochlitz ermahnen lassen: "Rach, leg mal'n Zahn zu." Kein Wunder, dass er da seufzen musste. "Was man nicht immer alles mitmacht!"
Ja, was man nicht immer alles mitmacht! Vor allem nach einem Senderwechsel, wie ihn Rach vor über einem Jahr vollzogen hat, als er von RTL zum ZDF ging. Glücklich geworden ist damit bislang keiner der Beteiligten. "Rach tischt auf!", eine seltsame Mischung aus Show und Ernährungs-Check, wollte dem Publikum partout nicht schmecken – und anstatt "durchzustarten", wie Rach damals den Wechsel begründete, bremste er sich selber aus. Auch weil im Sender erstaunlicherweise bislang niemand so recht die Fernseh-Stärken des Sternekochs zu nutzen wusste.
Das könnte sich schon im kommenden Monat ändern, wenn das ZDF Rach als Junggastronomen-Berater auf Sendung schickt. Vorher allerdings dreht er noch eine Ehrenrunde durch den Ganzjahresfasching des ZDF am Sonntagvorabend, der Geschichts- und Naturphänomen-Reihe "Terra X". Die lässt so gut wie keine Gelegenheit aus, Schauspieler in historischen Kostümen zentrale Ereignisse der Geschichte wiederaufzuführen. In diesem Fall: die Speisung der (am Computer bis in die Unendlichkeit vervielfältigten) römischen Legionäre mit Brot, die Seereise des Kartoffelhelden Columbus und, ähm, die Etablierung der Gabel, von der Sie wissen müssen, dass sie "anfangs auf wenig Gegenliebe" stieß.
In den kommenden Wochen nimmt sich das ZDF nämlich der "Geschichte des Essens" an und hat dafür eben Rach engagiert, der vermutlich vertraglich verpflichtet war, sich mindestens einmal selbst zu verkleiden: "Wenn schon, denn schon." Glücklicherweise bleibt der Knechtauftritt des Sternekochs die Ausnahme.
Die übrige Zeit sitzt Rach meistens in einem hobbithaften Steinhaus mit noch ungerupften Hühnern vor der Tür, deckt sich im Halbdunkeln selbst den Tisch und löffelt die Moderationen aus, die er sich hat einbrocken lassen: "Ich habe hier mal einen mittelalterlichen Gertreidebrei zubereitet!" Zwischendurch redet er aus dem Off Constanze-Rick-haft weiter, ist zwar immer noch im Bild, darf aber nicht mehr die Lippen bewegen. Und gerade als man irgendwen anbrüllen möchte, dass es jetzt aber genug ist mit dem Quatsch, darf der frühere RTL-Restaurranttester doch noch aus seiner Erzählonkelrolle raus, um sich "Volare"-untermalt mit italienischen Mammas auf einem Dorfplatz einen zünftigen Bolognesewettstreit zu liefern. Mit einer historischen Einordnung unserer Nahrungsmittelgewohnheiten hat das zwar nur bedingt was zu tun, aber: "Italien ist und bleibt das Land der Nudel!"
Und "Terra X" ist und bleibt das manchmal arg gekünstelte Schlaumachfernsehen des ZDF, liefert in diesem Fall aber zumindest verwertbare Erinnerungsmöglichkeiten für künftige Trivial-Pursuit-Abende – zum Beispiel die Erklärung, woher eigentlich der Ausdruck "Katzentisch" kommt, wie die Fertigsuppe erfunden wurde und, Sie wissen schon: die Geschichte der Gabel.
Dass auch dieser ganze Zirkus wieder an den eigentlichen Talenten des verpflichteten Hauptprotagonisten vorbeigeht, ist beachtlich. Rach sagt haufenweise Instant-Sätze auf, die gar nicht zu ihm passen, aber halt so im Drehbuch stehen. Manchmal läuft er auch Gefahr, sich darin unglücklich zu verirren, wie beim Ansagen eines Filmchens über Tischmanieren: "Wir alle lieben die Nudeln! Aber wie isst man sie richtig? Darüber streiten sich natürlich die Geister. Nur mit der Gabel, wie hier in Italien? Oder mit Gabel und Löffel, wie bei uns in Deutschland? Was hat das Messer noch damit zu tun und wer hat überhaupt diese Regeln erfunden?" ("Gleich – in 'Extra'", hört man schon eine imaginäre Birgit Schrowange sagen.)
Nun ist die kleine "Terra X"-Reihe übers Essen an sich eigentlich ganz unterhaltsam, wenn man nicht mit der Erwartung einschaltet, sich nachher wirklich mit der "Geschichte des Essens" auszukennen. Sie steigert zugleich aber enorm die Hoffnung, dass es bald Mai wird und Rach, wie bereits angekündigt, endlich wieder in seinem Element zeigt. Weil der Sternekoch nunmal dort am besten ist, wo er herkommt. Nicht im Studio, nicht im Hobbithaus, sondern in der freien Gastronomiewildbahn.
"Terra X: Die Geschichtes des Essens" läuft sonntags um 19.30 Uhr im ZDF.