Spät nachts, eigentlich schon frühmorgens geht es bei „Schlag den Raab“ regelmäßig um immense Gewinnsummen - und das bei furchtbar banalen Spielen. Als Zuschauer sitzt man mitfiebernd vor dem Fernseher und kann manchmal nicht anders als laut zu lachen über die kuriosen Herausforderungen, die mitten in der Nacht letztlich darüber entscheiden, wer eine Gewinnsumme von zuletzt stolzen drei Millionen Euro mit nach Hause nimmt. Wenn Sie nur einmal einen solchen nächtlichen Moment von „Schlag den Raab“ erlebt haben, können Sie schon zwei grundlegende Probleme der neuen, ebenfalls von Brainpool produzierten Show „Die Millionärswahl“, die am Donnerstagabend bei ProSieben Premiere feierte und fortan im Wechsel mit Sat.1 (dort freitags) vier Wochen lang laufen soll, nachvollziehen.
Denn auch wenn die Show schon im Namen und immer wieder auch während der laufenden Sendung die hohe Gewinnsumme betonte, so hilft ein Preisgeld von einer Million Euro nicht, wenn eine Heldenreise wie bei „Schlag den Raab“ fehlt. Gescheitert ist die „Millionärswahl“, weil man als Zuschauer gar keinen Bezug zu den Kandidaten aufbauen konnte, deren Vorgeschichte und erste Wahlgänge auf der Website zur Show stattgefunden haben, die man wohl besser mal besucht hätte. Diesen Eindruck vermittelte die Show jedenfalls mehrfach und tat sich damit keinen Gefallen. Schon bei der Erklärung des mehrstufigen und verkopften Votingsystems durch das Moderationsduo Jeannine Michaelsen und Elton bekam der TV-Zuschauer mitgeteilt: Die Community-User sind zuerst dran.
In der Theorie ist es durchaus konsequent, die Community mit der das Casting begann, auch in der Sendung einzubinden, aber bei der Mehrheit der Fernsehzuschauer erreichte man damit nur eins: Das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Mehr als 25.000 Menschen haben sich nach Angaben von Brainpool und ProSiebenSat.1 im Vorfeld bei der Website zur Show angemeldet. Das ist irgendwie eine erstaunlich hohe Zahl - aber gleichzeitig viel zu wenig. Zu wenig jedenfalls um genug Buzz um die Show zu kreieren, der in den vergangenen Wochen ausreichend Neugier für die TV-Show hätte wecken können. Niemand in der Branche konnte sich genau vorstellen, wie man diese Showidee von der Theorie in die Praxis umsetzen würde. Die „Millionärswahl“ war so auch das Tuschelthema der Branche während des sonst ereignisarmen Jahresanfangs.
Am Donnerstagabend war dann jedoch schnell die Luft raus. Ein Kandidat sprang nach ewiger Ankündigung am Ende vom Dach der Arena auf Schalke. Keine Mutprobe wohlgemerkt, sondern sein Hobby. Und dafür soll man ihm jetzt die Million gönnen? Ein sympathisches Kerlchen war er ja, aber man saß verblüfft vor dem Fernseher ob der Fallhöhe - nicht der des Kandidaten, sondern der mangelnden dieser Show. Eine Gruppe Kraftsportler sorgte im Studio für wenig innovative „Supertalent“-Momente bevor später auch Kandidaten kamen, die den Reiz der Grundidee der „Millionärswahl“ besser verkörperten, weil Sie kreativ auf Stimmenfang gegangen sind oder für einen guten Zweck antraten. Zwischendurch konnte man mal erahnen, was die Macher der Sendung an ihrer Idee ursprünglich so faszinierte.
Aber selbst diese Rest-Sympathie kippte, als einem Kandidat, der die Million für sein schwer erkranktes Patenkind haben wollte, im Studio eine alberne Aufgabe gestellt wurde, damit er seine Höhenangst überwindet - um die es ja nur überhaupt nicht ging. Nicht einmal eine Stunde hat die „Millionärswahl“ gebraucht, bis man sich als Zuschauer nur noch fragte: Was für ein Quatsch wird das denn hier? Irgendwie passte nichts zusammen. Im Netz wirkte die offene Wahl noch so spannend, im Fernsehen wurde es jedoch zum unpassenden Wettkampf und wer hätte da geahnt, dass das Finale noch viel schlimmer werden würde. Es half auch nicht, dass Jeannine Michaelsen und Elton sich nach Kräften bemühten, die Show zu meistern. An ihren Moderationen scheiterte die Sendung sicher nicht. Spektakulär inszeniert war sie auch.
ProSiebenSat.1 und Brainpool dachten, man würde mit der Wahl zum ersten „demokratisch gewählten Millionär“ das ganz große Rad drehen. Doch herausgekommen ist ein zu merkwürdiger Wettkampf von ungleichen Kandidaten, den man nicht ernst nehmen konnte bzw. kann. Wenn eine Million Euro einem schwerkranken Kind helfen könnte, dann erscheint es zynisch wenn ein Break-Dancer wegen seines launigen Auftritts ins Finale gewählt wird. Dieses absurde Voting-System empörte auch das Studio-Publikum in Köln. Zuschauer und Web-Community sahen den aufopferungsvollen Patenonkel zunächst klar vorne, doch die anwesenden Kandidaten durften in einem dritten Teil des Votings ebenfalls Punkte vergeben - und pushten den eigentlich weit abgeschlagenen, hinten liegenden Break-Dancer Benedikt nach vorne, der dann den Finaleinzug gewann. Das fühlte sich nicht nur falsch an.
Hier konnte man im deutschen Fernsehen am Ende das Scheitern einer Showidee live verfolgen, was schade ist, weil die Idee einer Social Show mit eigener Web-Community als Castingplattform ihren Reiz hatte - bis sie in dieser Form ins Fernsehen kam. Den Medientransfer hat die charmante Idee leider nicht überlebt. Die Branche kann und wird sich sicher das Maul darüber zerreißen, wie einem Produktionshaus von Rang und Namen wie Brainpool nur so etwas passieren konnte. Oder wieso ProSiebenSat.1 es für eine gute Idee hält, gefühlt jede neue Showidee gleich auch noch zum Event auf zwei Sendern aufblasen zu wollen. Und es stimmt: Gute Unterhaltung war das am Donnerstagabend nicht. Was ProSieben über den Sender geschickt hat, war ein Experiment, das ist gescheitert. Reichlich Häme gab es bei Twitter und in ersten Kritiken. Es muss aber niemand so feste zuhauen, dass sich künftig keiner neue Showideen "made in germany" traut. Das wäre schlimmer als dieser eine verlorene Fernsehabend.