Kurz vorneweg:
Alkoholismus ist eine furchtbare Suchtkrankheit, über die man nicht scherzen sollte, und nichts läge mir ferner. Dies ist nicht ironisch gemeint. Und in welche Klinik auch immer Jenny Elvers-Elbertzhagen inzwischen eingeliefert wurde und was immer ihr Problem ist – ich wünsche von Ihr von hier aus gute Besserung und sende meine besten Wünsche, ehrlich und aus vollem Herzen. Ebenfalls ironiefrei.
Jetzt aber zum Thema:
Ebenso ironiefrei und ehrlich aus ganzem Herzen: Ich lasse mich nicht gern verarschen! Mediale Manipulation ist eine tolle Sache, wenn man sie beherrscht und mächtig genug ist, die richtigen Hebel zu ziehen. Chapeau dafür. Aber ich möchte mich einfach nicht so gern manipulieren lassen.
Der Fall Jenny Doppel-E zeigt auf verblüffende Weise, wie einfach man die Wahrnehmung drehen kann, wenn man es nur geschickt genug anstellt. Lassen wir das Geschehene deshalb einfach noch mal Revue passieren...
Montag-Vorabend.
Jenny E-E sitzt auf dem roten DAS!-Sofa des NDR. Nicht zwangsweise und nicht privat bei Freunden, sondern vor Tausenden von Zuschauern. Zudem in eigener Sache und aus eigenem Antrieb, denn sie möchte ihre Schmuck-Kollektion vorstellen und zum Kauf feilbieten, ihre letzte TV-Rolle promoten, endlich klar stellen, dass sie eine ernst zu nehmende Schauspielerin und kein Partyluder mehr ist und ankündigen, dass sie demnächst die Filmlegende Marlene Dietrich spielen will.
Alles fein und nach dem Lehrbuch. Einziges Problem: Jenny ist strunzenvoll, kichert, lallt und kritzelt dummes Zeug. Fakt. Keine Häme. Danach ein Wirbelsturm im Internet, denn klar – auf so was warten wir doch irgendwie alle im ewig gleichen Einheitsgelulle des immer breiiger werdenden Fernseh-Einerleis. Und das auch noch bei den Öffentlich-Rechtlichen, wo man jedes Ausgleiten aus der Norm stets milde lächelnd zu verhindern droht! Endlich mal wieder echtes Live-Fernsehen und reale Gefühle – wenn auch nicht gerade schmeichelhaft für die schwummerige Protagonistin und in einem wilden Mix aus Peinlichkeit, Übelkeit, Fremdscham und Auslach-Modus.
Ja richtig, die Zuschauer lachten. Über die absurde Situation, über die mühsamen Versuche Bettina Tietjens, die Situation zu retten, über die Vorstellung, wie schwitzende NDR-Redakteure zwischen Quotengier und Medienmoral hin- und hergerissen versuchten, gegen ihre eigene Panik und Überforderung anzukämpfen. Und auch, vor allem sogar, über die knüppeldicke Jenny. Und ich sage es ganz offen: mit vollem Recht sogar!
Überraschend zurückhaltend zeigten sich BILD und BUNTE, gewöhnlich bei Geschichten dieser Art mit wehenden Fahnen an vorderster Front tätig, zumindest wenn keine Freunde des Hauses unter den Opfern sind. Erst einen Tag später schalteten sie sich mit ungewohnter Menschlichkeit ein und veröffentlichten das Statement ihres Ehemanns Götz Elbertzhaben – übrigens Inhaber einer der mächtigsten Musikverlage und der wohl größten Promotion-Agentur Deutschlands: ‚Jenny hat gesundheitliche Probleme’!
Wumm! Ein einziger Satz, der so viel Wucht enthält, dass er jegliches weitere Wort zu diesem Thema im Halse des Spötters verrecken lässt. Gesundheitliche Probleme! Und gemeint ist nicht die Fischvergiftung, mit der Jenny selbst ihr Verhalten nach der Sendung zu erklären versuchte. Nein, andere Probleme, wir alle wissen was gemeint ist, wollen aber nicht weiter darüber reden. Danach lieferten sich BILD und BUNTE ein mehrtägiges Duell des Gutmenschenetums im Kampf um die bundesdeutsche Tränendrüse: Ein Mann kämpft für die Ehre seiner Gattin! Pfui NDR, diese arme Frau so vorzuführen! Igitt, Internet, so ein Video auch noch zu verbreiten! Prominente wünschen Gute Besserung! Die ganze Welt zeigt Respekt für Jenny E.s mutigen Kampf gegen den Alkohol! Heuchelei à go-go...
Hallo? Bin ich hier gerade im falschen Film?
Lesen Sie weiter auf Seite 2...