Eigentlich besitzt der "Tatort" schon einen Hamburger Ermittler. Erst vor wenigen Wochen feierte Til Schweiger seinen Einstand in der Krimireihe - so viel Aufmerksamkeit wie damals wurde vor der Ausstrahlung vermutlich schon lange keinem "Tatort"-Star mehr zuteil. Doch ab diesem Sonntag ist Schweiger nicht mehr alleine im Einsatz, denn auch sein Kollege Wotan Wilke Möhring heuert in der Hansestadt an. Einen kurzen Auftritt hatte er zwar im März schon im Schweiger-"Tatort", doch nun wird es für den Neuen ernst. Die wichtigste Nachricht: Abgesehen von der Stadt hat der jüngste "Tatort"-Zuwachs mit den Einsätzen von Schweiger nicht am Hut. Gut so, mag so mancher Fan der Reihe denken, denn nicht jeder war von Schweigers Premiere begeistert.
Und doch ist der "Tatort" seither um eine - nämlich actionreiche - Facette reicher. Mit 12,57 Millionen Zuschauern markierte sein Einstand alsdann auch gleich mal die höchste Reichweite der Krimireihe seit knapp 20 Jahren. Lange hielt der Bestwert allerdings nicht, denn nur zwei Wochen später holten die Münsteraner Kollegen Jan Josef Liefers und Axel Prahl ihre Spitzenposition mit ihrem Ausflug in die Schlagerwelt bekanntlich wieder zurück. 12,81 Millionen Zuschauer sahen Ende März zu - ein fulminanter Wert, von dem noch vor wenigen Jahren vermutlich niemand gedacht hätte, dass er heutzutage überhaupt noch einmal möglich sein würde.
Alleine in den vergangenen Monaten gab es reihenweise Spitzenwerte zu vermelden: Selbst langjährigen Ermittlern gelingen dieser Tage neue Bestmarke. Erst vor einer Woche erreichte das Kölner Duo Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär mit 10,27 Millionen Zuschauern einen neuen Rekord - und das, obwohl die beiden bereits seit 16 Jahren ermitteln. Ende Februar hatte auch Sabine Postel die beste Reichweite seit ihrem "Tatort"-Einstand vor mehr als 15 Jahren gefeiert: Damals brachte es die Krimireihe auf 9,65 Millionen Zuschauer. Im Januar konnte zudem Ulrike Folkerts die Marke von zehn Millionen Zuschauern knacken, wenige Wochen zuvor verzeichnete Maria Furtwängler sogar mehr als elf Millionen Zuschauer. Und auch die Konstanzer Ermittler blieben in diesem Jahr nicht weit von einer zweistelligen Millionen-Reichweite entfernt.
In Zeiten, in denen Senderchefs ihre rückläufigen Quoten mit der zunehmenden Fragmentierung des Marktes zu erklären versuchen, ist der "Tatort" eine echte Ausnahme. Während es den meisten langjährigen Formaten nicht mal gelingt, ihre Zuschauerzahlen stabil zu halten, legt der "Tatort" aktuell sogar zu. In diesem Jahr verzeichneten die 15 gezeigten "Tatort"-Folgen im Schnitt bislang 9,53 Millionen Zuschauer und einen fulminanten Marktanteil von 25,8 Prozent. Will heißen, dass sich Woche für Woche mehr als jeder vierte Fernsehzuschauer für die Krimireihe im Ersten entscheidet. Zum Vergleich: Der Jahresschnitt 2012 lag knapp 700.000 Zuschauer darunter, 2011 wurden im Schnitt "nur" 8,41 Millionen Zuschauer erreicht. Und selbst das waren noch sehr gute Werte, wenn man bedenkt, wo der "Tatort" herkommt.
Ende der 90er Jahre sah es nämlich so aus, als hätte der Sonntags-Krimi der ARD seine besten Zeiten langsam, aber sicher hinter sich. Im Jahr 1998 schalteten im Schnitt weniger als sieben Millionen Zuschauer ein. Das 2010 erschienen "Tatort-Lexikon" fördert erstaunliche Zahlen zutage. So verzeichnete so manche Folge in besagtem Jahr sogar weniger als fünf Millionen Zuschauer. Heute wäre das undenkbar. Den Tiefpunkt markierten übrigens die damaligen Berliner Ermittler, die mit einer Folge sogar auf den späten Abend verbannt wurden und dort gerade mal 1,11 Millionen Zuschauer erreichten. Wiederholt wurde dieser Fall seither übrigens nur zwei Mal. Besonders erstaunlich: Der "Tatort" ist längst auch bei den jungen Zuschauern angekommen - bei jenem Publikum also, das Das Erste sonst fast nur noch mit Sportereignissen in Scharen anlocken kann.
Während es noch vor wenigen Jahren eine Ausnahme war, dass der "Tatort" gegen die Blockbuster-Konkurrenz der Privaten die Nase vorn hatte, setzte sich die Reihe in diesem Jahr bei 13 von 15 Einsätzen auch bei den 14- bis 49-Jährigen an die Spitze. An nur zwei Abenden siegte ProSieben mit seinem US-Spielfilm, RTL schaffte sogar nicht einen einzigen Triumph. Und so wundert es auch nicht, dass es Land auf, Land ab mittlerweile reihenweise Public-Viewing-Veranstaltungen gibt. Der "Tatort" als Gemeinschaftserlebnis. Ein echtes Phänomen im deutschen Fernsehen - und für die ARD ganz nebenbei ein tolles Signal, zeigt er doch, dass die oft kritisierte Vielstimmigkeit des Senderverbundes per sé nichts Schlechtes sein muss. Wohl nirgends sonst profitiert die ARD so sehr von ihrem System wie beim "Tatort".