Ende 2010 ging MTV einen mutigen Schritt: Mit MTV verabschiedete man sich aus dem Kampf um Werbegelder und Marktanteile und trat den Gang ins Pay-TV an. Der Plan der Strategen von MTV Networks Germany, so der damals noch griffigere Name des heutigen Viacom International Media Networks Germany, klang dabei fast zu einfach, um aufgehen zu können: Während MTV dank der künftig fälligen Abo-Gebühren eine neue Einnahmequelle abseits der volatilen Werbemärkte erschließt, sollte Viva von der wegfallenden Konkurrenz profitieren und etliche MTV-Zuschauer ebenso wie Werbegelder auffangen.
Ausgegeben hat Dan Ligtvoet, der für die Viacom-Sender im nördlichen Europa verantwortlich zeichnet, damals ganz konkret das Ziel, dass Viva schon im Jahr 2011 den durchschnittlichen Marktanteil bei den 14- bis 29-Jährigen - der Kernzielgruppe der Musik- bzw. Jugendsender - von 1,8 auf 2,5 Prozent steigern soll. Mittelfristig sollten dann drei Prozent drin sein. Nach eineinhalb Jahren kann man konstatieren: Viva ist durchaus auf einem guten Weg, diese Ziele zu erfüllen.
Im Jahr 2011 wurde die Zielmarke von 2,5 Prozent zwar nicht ganz erreicht, mit 2,4 Prozent scheiterte Viva aber nur knapp an dieser Vorgabe. Im August 2011 hatte Viva sogar schon 2,9 Prozent Marktanteil erzielen können, schwächelte dann zum Ende des Jahres allerdings wieder ein wenig. Anfang dieses Jahres gab es zunächst eine deutliche Quoten-Delle für Viva. Im Januar und Februar sackte der Marktanteil im Vergleich zum Dezember um einen halben Prozentpunkt auf 1,9 Prozent ab, erst ab März begann die Erholung. Doch der Absturz lässt sich recht einfach erklären: Aus Kostengründen beendete Viva nicht erst Ende April, sondern bereits zum Jahreswechsel die analoge Verbreitung via Satellit.
Da viele zu diesem Zeitpunkt den Wechsel hin zum digitalen Satellit noch nicht vollzogen hatten, kam es zu diesem zwischenzeitlichen Quoten-Einbruch um immerhin über ein Fünftel. Das wird Viva natürlich auch den Jahres-Schnitt ein wenig verhageln. Doch der Sender hat sich inzwischen erholt: Im Mai erreichte der Marktanteil bei den 14- bis 29-Jährigen schon wieder starke 2,8 Prozent, auch im Juni kam man trotz der Konkurrenz durch die Fußball-EM auf diesen Wert. Viva profitierte dabei davon, dass die starken Zeitzonen des Senders ohnehin nicht zwischen 20 und 23 Uhr liegen, als ein Großteil der EM-Spiele zu sehen war. Es reichte jeweils für den besten Mai- und Juni-Wert seit Bestehen des Senders. Im Juli liegt der Marktanteil bislang im Schnitt sogar bei 2,9 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen. Viva gelingt es zudem, die Zuschauer immer länger bei sich zu halten. Im Juni 2012 wuchs die Verweildauer im Vergleich zum Juni 2010 um 120 Prozent.
Karola Bayr, Vice President & General Manager von Viva, zeigt sich dementsprechend auch zufrieden: "Der Zuschauertransfer von MTV auf Viva funktionierte und funktioniert nach wie vor sehr gut." Als Beispiele nennt sie mit "Game One" und "Jersey Shore" zwei MTV-Formate, die inzwischen auch bei Viva erfolgreich laufen. "Fast 80 Prozent der Zuschauer, die im letzten Quartal 2010 'Game One' auf MTV gesehen haben, sahen die Sendung später auch bei Viva." Bei "Jersey Shore" seien rund 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Zuschauer von MTV zu Viva rübergewechselt. Daneben punkte man auch mit neuen Formaten "Besonders stolz sind wir auf die Quotenentwicklung unserer Eigenproduktion 'Party, Bruder!'. Sie erzielte zuletzt einen Marktanteil von bis zu 6,5 Prozent in der Prime Time am Freitagabend. Die kontinuierlich steigenden Marktanteilswerte dieses Premierenslots sprechen für das Potential des Formats", so Karola Bayr. Bei Facebook wurden zuletzt schon über 145.000 Fans gezählt.
Die Quotenentwicklung ist die eine Seite, aus wirtschaftlicher Sicht noch wichtiger: Ist die Taktik auch mit Blick auf die Werbeeinnahmen aufgegangen? Jin Choi, SVP & Country Manager Germany bei Viacom International Media Networks Northern Europe, zeigt sich sowohl mit der Entwicklung von MTV als Abo-Kanal als auch mit Viva im Free-TV "sehr zufrieden". "Nicht nur die tollen Quoten belegen das, auch konnten wir den von uns seinerzeit prognostizierten Anteil an Werbekunden von MTV für das neue VIVA begeistern." Genaue Zahlen nennt Choi aber nicht. "Darüber hinaus wird MTV als Abo-Kanal derzeit von über 3,4 Millionen Haushalten empfangen, Anfang 2011 waren es noch 2,5 Millionen. Eine Tendenz, die sich sehen lassen kann - und die sich fortsetzen wird."
Bleibt noch die Frage, ob die Marke MTV, die einst wie keine andere für Musikfernsehen stand, durch den Gang ins Pay-TV nicht mit der Zeit an Bekanntheit und damit auch Wert einbüßt. Jin Choi sieht darin kein Problem: "Viele MTV-Formate und Highlights finden im Rahmen unserer Content Windowing Strategy über Viva auch den Weg zu einem breiteren Publikum. Das trifft zum Beispiel sowohl auf das kommende 'MTV Unplugged' mit den Fantastischen Vier als auch auf die 'MTV EMAs' 2012 in Frankfurt zu." Daneben gebe es andere Plattformen wie etwa die MTV "Under the Thumb"-App oder Events wie den "MTV-Hauptstadt-Club", die dafür sorgen sollen, dass die Wahrnehmung der Marke MTV nicht abnimmt.