Herr Nienaber, mit RTL II You startet RTL II einen neuen Fernsehsender. Wie kam es zu der Idee?
Zunächst mal ist RTL II You kein klassischer Fernsehsender, sondern geht als IP-basiertes Angebot inhaltlich und strukturell einen anderen Weg. Richtig ist: Wir sehen, dass sich der TV-Markt fragmentiert und wie er sich fragmentiert. Spartensender wie Sat.1 Gold und RTLplus folgen dem demografischen Wandel und nehmen die älteren Zuschauer in den Fokus. Wir hingegen richten uns gezielt an die ganz Jungen, die als Zielgruppe immer wertvoller werden. RTL II ist ohnehin ein junger Sender, das Angebot RTL II You soll noch jünger werden. Damit liefern wir ein Angebot, dass von der Zielgruppe her zwischen den Kindersendern und den jungen Vollprogrammen liegt. Wir sagen: YouTube ist für alle da, RTL II You ist für Dich da. Unser Ziel ist es, mit RTL II You etwas ganz Neues zu schaffen und dabei sozusagen eine Art „Brücke“ zwischen der klassischen TV-Welt und Angeboten wie YouTube zu schlagen.
Wie kam der Name RTL II YOU zustande?
Zunächst war es der Arbeitstitel, aber wir haben uns dann bewusst dafür entschieden. RTL II ist in der jungen Zielgruppe eine bekannte und anerkannt erfolgreiche Marke, und die wollen wir nutzen. Wir machen mit RTL II Fernsehen für breite Zielgruppen – bei den jungen Zuschauern sind „Berlin – Tag & Nacht“ oder „Köln 50667“ sehr beliebt, aber auch Sendungen wie „Sarah & Pietro“. Wir wollen die Jugendlichen über RTL II You mit noch jüngeren Inhalten abholen und langfristig an die Marke RTL II binden.
Wie kann Ihrer Meinung nach Fernsehen für die Generation YouTube, Instagram und Snapchat aussehen?
Wir reden von Fernsehen für eine Generation, in der manche Social Influencer größere Stars sind als Hollywood-Schauspieler. Bislang ungekannte Nähe schafft hier Prominenz. Da hat RTL II mit seinen Soaps „Berlin - Tag & Nacht“ und „Köln 50667“ ja auch schon erfolgreich Erfahrungen gesammelt. RTL II You wird ein digital verbreitetes, lineares Angebot mit Time-Shift-Funktion und VoD. Wir bauen hier Next-Generation-TV.
Mit Verlaub: Was konkret macht es zum Next-Generation-TV?
Ich leite die Antwort mal von unserem Claim her: „RTL II You - Läuft bei Dir“. „Läuft bei Dir“ war 2014 Jugendwort des Jahres. Jetzt reclaimen wir den Satz und geben ihm noch eine zweite Bedeutung. Denn: Unsere Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat nicht mehr zwingend ein Fernsehgerät in ihrem Zimmer. Wir sind daher überall dort, wo unsere Zielgruppe Bewegtbild konsumiert. Wir starten mit RTL II You bewusst mit Apps für Android- und iOS-Devices sowie Amazon Fire TV und sind darüber hinaus auf PC und Desktop verfügbar. Weitere Smart TV-Apps werden folgen.
Warum aber dann überhaupt noch ein linearer Stream?
Die jungen Zuschauer wollen ganz klar beides: On-Demand und maximale Autonomie, aber auch das entspannte Lean-Back eines linearen Streams. Hinzu kommt die bessere Vermarktbarkeit: Würden wir einfach Videos produzieren und ins Netz stellen, wären wir eher ein Multi-Channel-Network. Dabei würde viel Geld draufgehen – unter anderem weil die Monetarisierung von Reichweite in der Online-Welt dem TV-Niveau noch deutlich hinterher hinkt. Klar gibt es YouTuber, auch aus Deutschland, die inzwischen gutes Geld verdienen. Aber die haben auch erst einmal zwei, drei Jahre und länger Videos hochgeladen. Diesen Vorlauf wollen wir uns aber nicht erlauben.
"Der Puls der Zielgruppe war nie besser messbar. Und vermarktungsseitig waren Inhalte nie besser steuerbar, weil wir mit Dynamic Ad Insertion den einzelnen Zuschauer maßgeschneiderte Werbespots ausspielen."
Die Vermarktbarkeit der Inhalte hat also Priorität?
Natürlich haben wir mehr Erfahrung in der Vermarktung eines linearen Programms inklusive VoD-Verlängerung. Aber es ist auch eine inhaltliche Entscheidung. Selbst die Social Influencer, die mit dabei sind, finden es reizvoll durch ein festes Programmschema eine Bühne bereitet zu bekommen. Die reizt es, mal nicht nur ein Video ins Netz zu stellen. Mancher witzelte schon freudig, dass seine Sendungen möglicherweise bald in einer Programmzeitschrift abgedruckt werden könnten. Das lineare Fernsehen lockt YouTuber mehr, als man denkt. Und nutzerseitig bieten wir mit VoD ja die Möglichkeit individuell zu entscheiden, was man wann und wo schauen möchte. Das Konzept überzeugt auch im Markt: Mit Dentsu Aegis Network haben wir bereits einen strategischen Partner gewonnen, der uns darüber hinaus auch schon in der Testphase unterstützt.
Wie bündelt man eine Zielgruppe in einem Produkt, wo durch das Netz doch die Maßgabe entstand: Jeder kann sich seine eigene Nische suchen. Wie heterogen kann ein lineares Bewegtbildangebot sein?
Es ist innerhalb der definierten Zielgruppe so heterogen wie möglich und so homogen wie nötig. Wir haben den großen Vorteil, dass wir dank Datenanalyse detailliert auswerten können, welche Channels wie beliebt sind – egal ob jetzt z.B. bei YouTube oder Instagram. Der Puls der Zielgruppe war nie besser messbar. Und vermarktungsseitig waren Inhalte nie besser steuerbar, weil wir mit Dynamic Ad Insertion den einzelnen Zuschauer maßgeschneiderte Werbespots ausspielen.
Können Sie das näher erläutern?
Wir haben im linearen Stream Werbebreaks, die über einen Adserver dynamisch bespielt und damit je nach Zuschauer optimiert werden können. Diese Technik ist eine Innovation, die im Vorfeld viel Entwicklungsarbeit bedarf. Von ihr hängt auch der genaue Starttermin von RTL II You ab. Ende Mai wollen wir aber live sein.
Als Telemedienangebot unterliegen Sie weniger strenger Regulierung. Ist auch das der Anreiz, hier keinen klassischen Fernsehsender zu schaffen?
Ein klassischer Sender könnte gar nicht leisten, was RTL II You sein wird. Das lineare Fernsehen ist in Deutschland zweifellos überreguliert und natürlich liegen wir mit so einem innovativen Angebot zwischen den bislang definierten Medienformen. RTL II You wird vornehmlich über Apps konsumiert und auf dem Smartphone schaut niemand einen klassischen Werbeblock an. Da werden wir eher nach amerikanischem Vorbild häufiger und dafür kürzer unterbrechen.