Herr Schmidt, Sie steuern mit Ihrer Produktionsfirma „Blueprint TV-Productions“ ab Samstag gleich drei Scripted Realitys für die Primetime von RTL II bei. Wieso braucht das deutsche Fernsehen nun auch abends noch Laien-Schauspieler?
Mit den Formaten, wie man sie aus dem Nachmittagsprogramm kennt, kann man unsere RTL2 Scripted Realitys nicht vergleichen. Ich ziehe meinen Hut vor dem großen Erfolg dieser Daytime-Programme und respektiere die Machart, aber wenn man in der Primetime scriptet, dann müssen die Sendungen meiner Meinung nach wesentlich authentischer wirken. Das ist in dieser Form als Daily-Projekt auch kaum zu machen, weil man schlicht eine ganz andere Masse an Rollen besetzen muss, als bei einer wöchentlichen Serie.
Wie wichtig ist Erfahrung vor der Kamera?
Das ist mir nicht wichtig. Mir geht es nicht darum, ob das ein professioneller Schauspieler oder eine Putzfrau ist. Wir haben z.B. eine Krankenschwester, die auf Knopfdruck herzerweichend heulen kann, und zwar mit echten Tränen. Es ist mir auch völlig egal, warum jemand vor die Kamera möchte – so lange er oder sie authentisch wirkt. Es gibt gute Typen, die spielen einfach sich selbst. Schwierig wird es immer dann, wenn es um extreme Gefühlslagen geht. Wir haben bei „Zugriff“ z.B. eine Folge, in der ein Geiselnehmer droht, im Gerichtssaal Menschen zu erschießen. Wenn ich das nicht glaubhaft besetze, dann wird es nicht nur schlecht, sondern richitg peinlich und unangenehm. Mein Job ist es, das zu verhindern.
Wie lässt sich das verhindern?
Es gibt bei uns immer zwei Casting-Runden. Beim Zweiten Casting bin ich mit den Drehbüchern selbst dabei und arbeite mit den Darstellern um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie eine Rolle ausfüllen können. Wenn dem so ist, buche ich sie. Wichtig ist aber auch bei der Realisation vor Ort, dass man die Darsteller entsprechend führt, um deren Potential voll auszuschöpfen. Wenn ich selbst realisiere, höre ich nie auf zu drehen, bevor ich nicht alles Material beisammen habe, das ich brauche, um eine Szene authentisch schneiden zu können.
Da sammelt sich vermutlich einiges an...
Richtig, auch deshalb, weil wir immer mit mehreren Kameras drehen. Auch das unterscheidet uns von den anderen Scripted Realitys. Von der Schnittrealisation erwarte ich danach, dass wirklich alle Highlight-Momente, die wir auf Band bringen, auch in der Folge auftauchen. Es ist also letztlich von der Besetzung bis hin zum Schnitt eine Verwertungskette, die lückenlos funktionieren muss. Sobald es an einer Stelle hakt, wird das Ergebnis nicht so wie gewünscht. Am Ende möchte ich ein wirklich schaubares Ergebnis haben.
Klingt alles sehr streng.
Ich gebe zu: Bei der Arbeit bin ich ein Korinthenkacker. Mich friert's, wenn ich einen Satz höre, den ich nicht authentisch finde. Das kommt noch aus Talkshow-Zeiten. Es gab bei uns schon mal Jungredakteure, die die Sendung nicht gefüllt bekamen und stattdessen auch mal versucht haben mir einen Schauspieler unterzujubeln. Durch den nicht authentischen Klang der Stimme habe ich immer sofort so ein gewisses Piepen im Ohr bekommen und mir dann erlaubt die Aufzeichnung zu unterbrechen. Es folgte eine recht deutliche Teambesprechung an deren Anschluss ich diese „Gäste“ dann aus der Sendung genommen habe. Das hat sich bei meinen Redakteuren recht schnell herum gesprochen und In der Folge hatte ich sehr bald nur noch authentische Gäste auf meiner Bühne.
… und heute besetzt man ganze Talkshows nur noch mit Schauspielern.
Eine Talkshow mit Schauspielern zu besetzen, ist eine Schnapsidee. Eine Talkshow funktioniert nur, wenn sie auch einen authentischen Klang hat. Authentische Scripted Reality ist aber „live on tape“ in einem Studio nicht zu realisieren.