Foto: Daniel GroßeSie haben Germanistik studiert und acht Jahre lang Ausländern die deutsche Sprache gelehrt. Warum erst jetzt so eine Show?

Gute Frage, ich hätte sie auch eher angenommen, wenn Redakteure vorher dieses Format erfunden hätten. Die Zeit jetzt ist aber nicht verkehrt, immerhin gibt es einige verdienstvolle Unternehmungen wie beispielsweise das Engagement Bastian Sicks zeigt.

Kennen Sie ihn persönlich?

Ja, wir haben uns bei Kerner getroffen. Ich durfte an die Tafel und habe mich gar nicht schlecht geschlagen.

Und Ihre Sendung setzt auf dem Trend auf, wieder mehr auf die deutsche Sprache zu achten?

Ja, auch wenn wir nicht mit dem Finger drauf zeigen und Leute verbessern wollen. Ich störe mich auch nicht daran, dass mancher vielleicht ein schlimmes Deutsch spricht. Vielmehr mache ich mich insgeheim darüber lustig, wenn sich einer sprachlich verhebt. Beispielsweise, wenn er nicht mit Fremdwörtern umgehen kann. Wobei gerade die unsere Sprache aktuell halten.

Sie sind also kein Sprachpurist?

Nein, denn solche Puristen verkennen oft, dass sich Sprache im Fluss befindet. Darum verstehen wir teilweise nicht mehr, wie man sich im Mittelalter unterhalten hat. Das ist nicht schlimm, denn so wie wir uns entwickeln, entwickelt sich die Sprache mit.

Und stören Sie sich an „Denglisch“ oder regionalen Feinheiten?

Ich sehe das anders. Alles, was neu in die Sprache hinein kommt, ist interessant und meist lustig. Nehmen Sie die Kanak-Sprache, die durch den Film „Knocking on Heavens Door“ mit Moritz Bleibtreu populär wurde. Die ist heute eine Modeerscheinung und entwickelt die Sprache.

Gibt es Wörter, die Sie während der Dreharbeiten dazu gelernt haben?

Der Oberstaatsanwalt Wilfried Ahrens aus Göppingen erwähnte das Wort „entdringlichen“, wenn man eine dringliche Sache oder entsprechend behandelt, dass sie nicht mehr eilig ist. Das fand ich spannend. Ich lerne aber auch im Alltag ständig neue Wörter, etwa bei der Bundesbahn. Die spricht oft von einem „Anschlusskonflikt“. Man könnte es auch einfach Verspätung nennen.
 


Haben Sie Lieblingswörter?

Ja, die Wörter, die durch Euphemismen überdeckt werden sollen. Ich finde, es ergibt keinen Sinn, beispielsweise den Mohrenkopf zu verbieten. Denn der ist nach wie vor ein Gebäck und keine Diskriminierung.

Würde solch eine Sendung wie „Frei von der Lippe “ auch im Privatfernsehen gut laufen?

Schwierig, denn da geht es ja seltener um Inhalte, sondern nur um Bilanzen. Was ich an dieser Sendung liebe, sind aber die Inhalte, die ich teilweise auch mitbestimme und gestalte. Wir vermitteln Bildung und damit ein Stück Lebensqualität. Ob das bei Privaten so ankommen würde, wage ich zu bezweifeln.

Sind denn die Zuschauer hungrig nach Bildungsformaten?

Das muss man ausprobieren, aber die Politik der Privaten verbietet das meist. Jeder weiß ja, dass die Zielgruppe 14 bis 49 Jahre überholt ist. Jeder, außer die Werbeindustrie. Und wenn etwas nicht sofort läuft, wird es nicht mehr angeboten. Aber als Künstler sollte man sein Produkt ein paar Mal zeigen, damit die Zuschauer die Möglichkeit haben, sich daran zu gewöhnen. Und genau das machen wir mit „Frei von der Lippe“ und wir hoffen, die Akzeptanz bestätigen zu können.

Ein Format, das gut lief, war „Extreme Activity“ auf ProSieben. Die Sendung erhielt einen Grimme-Preis und in Österreich eine Romy für die beste Fernsehidee. Trotzdem hat der Sender noch acht ungesendete Folgen im Schrank.

Fragen Sie ProSieben, warum das so ist. Alles, was wir nach der Entnahme aus dem Programm hörten, war die Nachricht auf dem Anrufbeantworter, dass man einen neuen Sendeplatz suche. Nun hieß es , der Sender hätte uns bereits längst mitgeteilt, dass die Folgen im Sommer versendet werden sollen, was aber nicht stimmt. Letztlich rede ich dem Sender aber nicht rein, nur die Art und Weise war komisch. Man kann doch ehrlich sagen, wenn man eine Sendung nicht mehr ausstrahlen will. Ein „Danke für die beiden Preise“ hätte mir genügt.

Nach den Unterhaltungssendungen in der ARD, ProSieben und Sat.1 sind Sie nun im MDR zu sehen. Ist das Ihre Zukunft – Nische statt breites Publikum?


Wissen Sie, ich bilde mir mit 60 Jahren nicht mehr ein, ein Prime-Time-Matador zu sein. Da geht es ja auch gerade Gottschalk etwas ans Leder. Unsere Generation wird von diesen Plätzen schon länger entsorgt. Die populäre Unterhaltung stellt Anforderungen an einen, die man nicht mehr erfüllen kann, das ist eine normale Entwicklung. Dafür kann man nun Dinge tun, die man nur mit dieser Erfahrung bewerkstelligen kann. Hörbücher einlesen zum Beispiel. Ich will auch einen Roman schreiben, weil mich interessiert, ob ich die Ausdauer dafür habe. Und ich lerne jetzt Klavier, weil ich auf meiner Tournee eine Keyboarderin dabei habe.

Sehen Sie selbst fern?


Wenig, ich komme kaum dazu. Was ich aber mag, ist „Two Funny“ mit Judith Richter auf Sat.1. Und „Schmidt und Pocher“, weil ich beide mag und die Konstellation spannend finde. Ansonsten schaue ich nur Alemannia Aachen. Mit denen bin ich aufgewachsen und verfolge ihren Leidensweg.

Wer sollte warum „Frei von der Lippe“ sehen?

Jeder, weil ich glaube, dass es allen Spaß machen könnte. Wir versuchen, Bildung zu vermitteln. Das hat erstmal was bedrohliches, dabei ist Bildung Luxus im besten Sinne. Je mehr man sich mit einer Sache beschäftigt, desto mehr wird man feststellen, dass es Freude bereitet. Egal, ob das nun Film, Kunst, Architektur oder etwas anderes ist. Es geht um die Verfeinerung der Empfindungen. Wie bei der Sprache.