Programmzeitschriften gibt es schon seit über 50 Jahren, seit dem Beginn des regelmäßig ausgestrahlten Fernsehens. So lange drucken sie auch das Programm der Sender ab - natürlich ohne diesen dafür Geld zu überweisen. Schließlich liegt es im ureigenstem Interesse der Sender, die Zuschauer über ihr Programm zu informieren. Zumindest meinte man das bislang.
Doch diese kostenfreie Bereitstellung der Programmdaten soll ab dem 1. Januar für die Betreiber von elektronischen Programmzeitschriften, also EPGs, plötzlich nicht mehr gelten. Über die Gesellschaft VG-Media, die zu 50 Prozent ProSiebenSat.1 und zu 50 Prozent RTL gehört, wollen sie künftig Gebühren für die Nutzung der Programmankündungsdaten in EPGs von den Anbietern kassieren. Endnutzer wären zwar nicht direkt betroffen, müssen aber wohl mit Einschränkungen des kostenfreien Angebots rechnen.
Den Werbenden für Werbung bezahlen?
Schon die Beschreibung des Tarifs der VG-Media wirkt absurd. Dort ist von der "Nutzung von Bild- und Wortmaterial zur (...) Bewerbung von Fernsehprogrammen" die Rede, für die künftig Abgaben zu zahlen sind - für die Bewerbung der Programme der Sender Geld zahlen? Das klingt nicht nur in den Ohren der EPG-Anbieter seltsam. Doch bei VG-Media legt man wert auf die Feststellung, dass die Programminformationen eben schon immer urheberrechtlich geschützt seien. Auch bislang habe es bereits einen Tarif gegeben, man habe aus Kapazitätsgründen nur darauf verzichtet, ihn anzuwenden. Das soll sich ab 1. Januar aber nun eben ändern.
Für die Sender ist sonnenklar: "EPGs sind Geschäftsmodelle", wie ProSiebenSat.1-Sprecherin Katja Pichler auf DWDL.de-Anfrage beinahe gebetsmühlenartig wiederholt. Man selbst erstelle mit viel Aufwand Material, mit dem andere dann Geld verdienen. Dass genau das auch im Print-Bereich seit Jahrzehnten bei Programmzeitschriften der Fall ist, während für diese keine Linzenzabgaben anfallen, lässt man nicht gelten. Schließlich böten EPGs auch mehr Möglichkeiten als herkömmliche Programmzeitschriften und seien somit gar nicht vergleichbar, heißt es gleich von mehreren Stellen. Dass auch Anbieter wie "TV Browser", die ihren EPG völlig unentgeltlich und werbefrei anbieten und somit offensichtlich kein Geschäftsmodell verfolgen, ebenfalls betroffen sind, könne man da eben nicht verhindern. Und dass es sich bei der Darstellung der Sendeabläufe in EPGs letztlich um Werbung für die Sender handelt, bestreitet man bei ProSiebenSat.1 ohnehin komplett. RTL hat auf Anfrage bislang keine Stellungnahme abgegeben.
Die zum 1. Januar beschlossenen Änderungen könnte den zahlreichen kostenlosen EPGs im Web in jedem Fall schnell den Garaus machen. Als erste an die Öffentlichkeit gewandt haben sich die Macher von "TV Browser", einem kostenlos vertriebenen und zudem werbefreien Open Source-Programm, das die Programme der meisten deutschen und vieler internationaler Sender auflistet. Die zunächst noch gering anmutenden Kosten von 1 Euro pro Nutzer und Jahr summieren sich bei geschätzten 250.000 Nutzern schnell auf kaum bezahlbare Beträge - zumal es sich um ein Hobbyprojekt handelt mit dem keinerlei finanzielle Interessen verfolgt werden. Zudem geht es auch ums Prinzip: Warum sollte man für Werbung zahlen, fragen sich nicht nur die Macher des Programms, auch in diversen Foren äußern die Nutzer fast durch die Bank Unverständnis.
Von Einschränkung der Angebote bis zur Einstellung ist alles denkbar
Nicht nur bei "TV Browser", auch bei anderen Anbietern kostenfreier EPGs herrscht derzeit Ratlosigkeit vor. Bei "teXXas", einem Angebot der metaspinner media GmbH, wurde bislang noch keine endgültige Entscheidung gefällt, auch weil verlässliche Daten über die Höhe der anfallenden Kosten noch fehlen. Bis hin zur kompletten Einstellung des Angebots sei aber alles denkbar, so eine Sprecherin des Unternehmens gegenüber DWDL.de. Auch bei "TV Genial", das neben einem kostenfreien Angebot weitere Sender auch bislang schon gegen Gebühren freischaltet, hat man kein Verständnis.
"Bereits seit Beginn des Fernsehens ist die Anzeige der Programminformationen kostenfrei gewesen. Dabei stellt die Anzeige der Programminformationen eine kostenlose Werbung für die Sender dar und müsste deshalb sogar noch vergütet werden", so ein "TV Genial"-Sprecher. Und er schiebt die Frage hinterher: "Dürfen wir dann eine Entschädiungszahlung für falsche, verspätete oder unverständliche Programminformationen fordern?" Die Konsequenzen die "TV Genial" zieht: Man strukturiert zum Jahreswechsel die Senderauswahl um. Sender, die der VG Media angehören, werden demnach ins kostenpflichtige Plus-Paket verschoben. Zu den Sendern, die ihre Rechte von der VG-Media wahrnehmen lassen, gehören neben der ProSiebenSat.1- und RTL-Gruppe auch die MTV-Sender, das DSF sowie zahlreiche kleinere Lokalsender. "TV Browser" wird von den fraglichen Sendern im neuen Jahr zunächst wohl nur einige wenige Highlights anzeigen, das komplette Listing aber nicht mehr. Abfinden will man sich damit noch nicht: Derzeit sammelt man Unterschriften für eine Petition, mit der man sich an die Sender wenden will.
Für Kopfschütteln bei den Anbietern sorgt vor allen Dingen auch die Kurzfristigkeit, mit der die neuen Regelungen bekanntgegeben wurden. Erst im Dezember überraschte die VG-Media mit der Ankündigung, ab Anfang Januar Lizenzgebühren für die Darstellung der Programminformationen in EPGs kassieren zu wollen - etwas wenig Zeit, um nach Lösungen zu suchen. Dabei erweisen sich nicht allein die Gebühren an sich als problematisch, auch die übrigen Bedingungen sind für viele der kostenlosen Anbieter kaum tragbar.
Nicht die Gebühren allein sind das Problem
Da sich die Kosten bei Internet-EPGs nach der Zahl der Seitenabrufe bemessen, ist etwa eine Besucherzählung durch einen von der IVW anerkannten Dienstleister vorgeschrieben - was wiederum erhebliche Kosten nach sich zieht. Zumal eine Bewerkstelligung aufgrund der Kurzfristigkeit der Ankündigung ohnehin kaum rechtzeitig zu schaffen ist. Die Anbieter beklagen sich zudem über die mangelhafte Informationspolitik der VG-Media. So herrscht bei vielen immer noch Unklarheit über die tatsächliche Höhe der Beträge, die sie zahlen müssten. Freuen kann man sich allenfalls bei der dpa. Denn Lizenzen vertreibt das Unternehmen media 102, eine Tochter der PPS Presse Programm Service, die wiederum zur dpa gehört.
Während die großen Print-Häuser, die ebenfalls Online-EPGs anbieten, mit der Abgabe wohl leben können und auch die Anbieter von in Geräten eingebauten EPGs mit 3 Euro pro Gerät wohl nicht gerade in finanzielle Nöte geraten, stehen vor allen Dingen die kleineren Betreiber kostenfreier Angebote vor einem großen Problem - genauso wie die Nutzer dieser Seiten, die sich womöglich bald nach Alternativen umschauen müssen. Die Sender versprechen sich von der Abgabe eine quasi nie versiegende neue Einnahmequelle - denn EPGs, ob in Set-Top-Box oder TV-Gerät eingebaut, als Computer-Programm, oder webbasiert, sind in der digitalen Fernsehwelt quasi unverzichtbar. Wie praktisch, wenn man daran mitverdienen könnte, ohne dass zusätzlich Arbeit anfällt. Doch letztlich könnte der Schuss für die Sender auch nach hinten losgehen, denn für ihr Hauptgeschäftsmodell brauchen sie nach wie vor Zuschauer, die ihr Programm auch einschalten - sie sägen also an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen.